Verteidigung:Vier Stellen, die Verdacht erregen

Sein Einsatz für die Bundeswehr bringt Hans-Peter Bartels Lob von vielen Seiten ein. Trotzdem muss der Wehrbeauftragte um sein Amt fürchten - ein sozialdemokratischer Parteifreund will den Posten haben.

Von Mike Szymanski, Berlin

Zuerst dachte Hans-Peter Bartels, es handle sich um einen Irrtum. Das war im November. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, der sonst Mühe hat, auch nur eine zusätzliche Stelle durchzusetzen, kann bald vier neue Leute einstellen. So war es dem neuen Stellenplan nach den Haushaltsberatungen zu entnehmen. Gefordert hatte Bartels diese Stellen nicht. Er sagt, er brauche sie gar nicht. Nur, wo kamen sie her? Bartels kam ins Grübeln.

Hans-Peter Bartels, 58 und SPD-Politiker, hat im Mai vor fünf Jahren ein bei Außen- und Sicherheitspolitikern begehrtes Amt angetreten. Der Wehrbeauftragte hat die Aufgabe, das Parlament bei der Kontrolle der Bundeswehr zu unterstützen. Er fungiert außerdem als "Kummerkasten" für die Soldaten. Er soll überparteilich agieren. Bartels gab deshalb 2015 sein Bundestagstagmandat ab. Er hat sein Büro im zweiten Stock eines prachtvollen Altbaus nicht weit vom Parlament.

Draußen weht die Deutschlandfahne. Der Wehrbeauftragte, das ist eine Institution. Einmal im Jahr hat er seinen großen Auftritt. Dann legt er den Bericht über den Zustand der Bundeswehr vor. Es hängt auch von seinem Urteil ab, wie die Arbeit eines Verteidigungsministers oder einer Verteidigungsministerin öffentlich wahrgenommen wird. Im Mai läuft Bartels Amtszeit ab. Er will weitermachen. Aber die vier zusätzlichen Stellen für seine Verwaltung ohne sein Zutun zeigten ihm: Da planen offenkundig schon Kräfte ohne ihn im Amt.

Um den Posten des Wehrbeauftragten ist ein Konkurrenzkampf ausgebrochen: Er führt hinein in die Reihen der SPD-Fraktion, die das Vorschlagsrecht für den Posten für sich beansprucht.

Dort ist es auch nicht irgendwer, der Bartels im Amt beerben will: Es ist Johannes Kahrs, 56 Jahre alt, Oberst der Reserve. Er ist Abgeordneter aus Hamburg, Sprecher des einflussreichen Seeheimer Kreises, in dem sich die Konservativen in der SPD zusammengeschlossen haben. Und Kahrs ist ein einflussreicher Haushaltspolitiker im Bundestag. Kahrs hat einmal im Zusammenspiel mit seinem Unionskollegen der Marine quasi in einer Nacht- und Nebelaktion neue Korvetten finanziert, weil die Umstände gerade günstig waren. Er macht nicht einfach nur Politik, er macht etwas möglich. "House of Kahrs", witzeln manche in Anlehnung an eine bekannte Serie im TV, in der Politik von der skrupellosen Seite gezeigt wird. Öffentlich erklärt hat Kahrs seinen Willen, Wehrbeauftragter zu werden, bis heute nicht. Man werde gefragt, heißt es.

Der Wettstreit um das Amt bringt die SPD in Nöte: Gerade sollen alle nett zueinander sein

Aber so viel steht fest: Kahrs will gefragt werden. Vier zusätzliche Stellen zu organisieren, damit man mehr aus diesem Amt herausholen kann, war für ihn jedenfalls offenkundig ein Kinderspiel.

Der Wettstreit um das Amt bringt die SPD-Fraktion in Nöte. Im Sommer 2019 hatten die Abgeordneten in einer denkwürdigen Sitzung die damals schon taumelnde Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles derart beschädigt, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als kurze Zeit später aufzugeben. Mit Rolf Mützenich wurde danach ein Versöhner zu ihrem Nachfolger gewählt. Seither war man im Großen und Ganzen nett zueinander. Ist diese Zeit schon wieder vorbei? Es geht auch um Solidarität, ein Wort, das SPD-Politiker besonders gerne bemühen. Bis zu seiner Wahl zum Wehrbeauftragten gehörte Bartels 17 Jahre der Fraktion an. Er kann nicht einfach zurück, wenn er seinen Job verliert.

Es fällt schwer, Leute zu finden, die meinen, Bartels habe seinen Job nicht gut gemacht. Lob bekommt er vom Koalitionspartner Union genauso wie aus der Opposition. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) setzt nun das von ihm geforderte Sofortprogramm um, mit dem Ausrüstungsmängel behoben werden sollen. Dass das Ministerium selbst über Extremismusfälle berichtet, geht genauso auf Bartels' Klage zurück.

Allerdings hat Bartels seine Aufgabe stets weiter gefasst, als Beschwerden der Soldaten aufzunehmen. Er macht sich Gedanken darüber, wie eine Armee der Europäer aussehen kann. Er macht Vorschläge, wie die Truppe zu reformieren wäre. Da gebe einer den "Neben-Verteidigungsminister", heißt es in der Fraktion. Dort fehlt es ihm auch an mächtigen Fürsprechern. Er und Mützenich, so ist es zu erfahren, hätten keinen wirklichen Draht zueinander.

Am Chefhaushälter Kahrs kommt dagegen in der Fraktion kaum jemand vorbei. Aber ihn durchzusetzen, das ist auch nicht einfach. Kahrs lässt die Leute genussvoll die Abhängigkeit spüren. Er ist effektiv, aber deshalb nicht unbedingt beliebt. Auch in der Union, die ihn als Koalitionspartner mittragen sollte, hat Kahrs Gegner. Als der Bundestag den Weg frei machte für die Ehe für alle, für die Kahrs immer gekämpft hatte, rechnete er mit Kanzlerin Angela Merkel ab. Erbärmlich und peinlich sei es gewesen, wie sie und die Union die Gleichstellung blockiert hätten, schimpfte er: "Danke für gar nichts."

Kahrs stört, wie die AfD um die Truppe wirbt. Er will wieder mehr Kümmerer der Soldaten sein

Kahrs Programm als Wehrbeauftragter dürfte ein anderes sein als das von Bartels. Kahrs stört sich daran, wie die rechtspopulistische AfD um die Truppe wirbt und dort auch einen gewissen Zuspruch erfährt. Ein Wehrbeauftragter, der sich wieder mehr als Kümmerer versteht, das könnte womöglich daran etwas ändern. Kahrs will dieser Kümmerer sein. Genügt das als Argument für ihn - und gegen Bartels?

Im Moment wird viel geredet in der SPD. Bartels braucht bald eine Ansage. Nur ein paar Wochen noch, dann endet seine erste Amtszeit. Die Blöße, bis dahin niemanden benannt zu haben, will sich keiner geben. Kahrs oder Bartels? Oder: Gar keiner von beiden? Führt womöglich nur eine dritte Person die SPD aus diesem Dilemma: Eine Frau aus der Fraktion oder jemand von außen? Möglich ist das. Dann stünden am Ende sogar zwei Verlierer.

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