Eishockey in Deutschland:Eine Liga hofft auf Hilfe

15.03.2019 - Eishockey - Saison 2018 2019 - DEL - Playoffs Viertelfinale 2. Spieltag: Thomas Sabo Ice Tigers Icetigers

Auszeit: Die Eishockey-Saison in Deutschland endet vor dem Beginn der Playoffs.

(Foto: Zink/Imago)
  • Die Deutsche Eishockey-Liga beendet ihre Saison wegen des Coronavirus vorzeitig. Es gibt keinen deutschen Meister.
  • Die Absage trifft viele Vereine wirtschaftlich sehr hart. Profi-Eishockey ist in Deutschland schon mit Zuschauern weitgehend ein defizitäres Geschäft.
  • "Wir hoffen auf unbürokratische Hilfe, da ist auf irgendeine Weise auch die Politik gefragt", sagt Liga-Manager Tipcke.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Am Montagabend stand der Eishockey-Trainer Thomas Popiesch noch im Fernsehstudio von Radio Bremen und erzählte, wie stolz er darauf ist, dass sich seine Eishockey-Mannschaft namens Fischtown Pinguins mit dem kleinsten Etat der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) erstmals direkt für das Playoff-Viertelfinale qualifiziert hat. "Jetzt", hatte Popiesch gesagt, "beginnt die schönste Zeit des Jahres."

Doch die schönste Zeit entpuppt sich dieses Jahr als Albtraum, vor allem für die unverhofft so erfolgreichen Mannschaften aus Bremerhaven und Straubing. Am Dienstagabend wurden die Playoffs der DEL wegen des Coronavirus komplett abgesagt. Man kann sich vorstellen, was das für ein Schlag gewesen ist für das stolze Bremerhavener Eishockey, aber man muss sich dann auch mit der Vorstellung begnügen, wie enttäuscht Popiesch wohl tatsächlich war. Der Stachel sitzt tief bei Spielern und Fans. Ein Klubsprecher teilte am Mittwoch mit: "Aufgrund großer Rücksichtnahme auf alle Beteiligten gibt es diesbezüglich keine Statements." Das klang wirklich wie ein Trauerfall.

Am Mittwoch saß der Liga-Manager Gernot Tripcke in einem Kölner Hotel und sagte in ein Mikrofon: "Die Absage ist schmerzhaft, aber sie ist vor allem wirtschaftlich eine Katastrophe." Ungefähr 300 000 Zuschauer besuchen jedes Frühjahr in Deutschland die Playoff-Spiele, es ist eine relevante Einnahme für die Klubs, eine Einnahme, die jetzt wegfällt. "Im Eishockey leben wir insbesondere von den Zuschauereinnahmen", erklärte Tripcke, "die ganze Liga befindet sich dadurch sozusagen in einer wirtschaftlichen Quarantäne." Er sprach dann auch von Kurzarbeitergeld, von Fördermaßnahmen und von Liquiditätshilfen. "Wir hoffen auf unbürokratische Hilfe, da ist auf irgendeine Weise auch die Politik gefragt." Man werde absolut versuchen, staatliche Hilfsangebote zu nutzen, denn: "Ich fürchte, die wenigsten Klubs haben eine Betriebsausfall-Versicherung für Epidemien."

Profi-Eishockey ist in Deutschland weitgehend eine defizitäre Angelegenheit. Die meisten Klubs sind froh, wenn sie mit einer roten Null aus der Saison gehen. Umso schlimmer könnten sich die Kollateralschäden dieser Absage auswirken. Die Liga etwa sucht zur kommenden Saison einen neuen Hauptsponsor. Die Suche dürfte nun schwieriger werden. "Das beste Verkaufsmaterial, das wir haben, die Playoffs, fallen aus", sagt Tripcke. "Noch am Sonntag haben wir die Hauptrunde in vollen Arenen und mit bester Stimmung beendet." Doch die allgemeine Vorfreude erstarb schnell. Am Mittwoch hätten die Pre-Playoffs der Teams auf den Tabellenplätzen sieben bis zehn beginnen sollen, kommenden Dienstag hätten die Teams auf den Plätzen eins bis sechs zum Viertelfinale hinzustoßen sollen. Jetzt hat der übertragende Telekomsender Magenta-TV gar kein Eishockey, das er zeigen kann. Auch darüber wird Tripcke in den nächsten Wochen mit den Partnern sprechen müssen.

Aber sie haben ja ihre Gründe. "Schon am Wochenende hatte sich angedeutet, dass die Länder zu strikten Verboten greifen würden", sagt Tripcke. Nun war nur noch die Frage, ob man die Playoffs ohne Zuschauer spielt oder gar nicht. "Eine Entscheidung zwischen Pest und Corona", witzelte Tripcke deprimiert.

In letzter Instanz war dann am Dienstag abgestimmt worden. Jeder der 14 Klubs hatte eine Stimme, die Abstimmung ging 13:1 für eine Absage der Playoffs aus. Nach Informationen der SZ waren die Eisbären Berlin als einzige für eine Fortsetzung der Saison, wohl auch, weil man bis zum Dienstag noch davon ausgegangen ist, dass auch die Fußballpartie zwischen Union Berlin und Bayern München am kommenden Samstagabend mit Zuschauern ausgetragen würde. Wie sehr sich die Lage geändert hat, merkte man am Donnerstag - da teilte der Deutsche Eishockey-Bund mit, dass auch die Frauen-Bundesliga, die Oberligen und die Nachwuchsligen den spielbetrieb einstellen werden.

"Die Abstimmung zur Absage war einhellig", sagt Tripcke, "aber die Drucksituation im Eishockey ist auch eine andere als im Fußball, denn bei uns gibt es keine Absteiger, und die Europapokalplätze konnten wir anhand der Abschlusstabelle der Hauptrunde vergeben." München, Mannheim, Straubing und Berlin werden als deutsche Vertreter in der Champions Hockey League antreten.

Gewiss schwieriger wog die Entscheidung, dass es im Jahr 2020, in dem zum 100. Mal der Titel des deutschen Eishockey-Meisters hätte vergeben werden sollen, nun also zum ersten Mal keinen deutschen Meister geben wird. "Deutscher Meister ist der Sieger der Playoffs", sagt Tripcke, "dass München als Hauptrundensieger zum Meister erklärt wird, wurde erst gar nicht diskutiert, weil die Münchner das von vornherein abgelehnt haben."

Die Reaktionen aus den Vereinen waren unisono enttäuscht, aber auch verständnisvoll angesichts der gesamtgesellschaftlichen Lage. Düsseldorfs Manager Stefan Adam sagte: "Das ist eine Riesenenttäuschung und total frustrierend für alle, weil man das ganze Jahr auf die Playoffs hinarbeitet." Eine mittlere sechsstellige Summe dürfte die Playoff-Absage die DEG kosten. Berlins Manager Peter John Lee erklärte: "Die Playoffs sind der Grund, warum wir Eishockey spielen, das ist absolut bitter, aber wir wissen auch um unsere gesellschaftliche Verantwortung." Daniel Hopp, der Gesellschafter der Adler Mannheim, befand: "Das ist ein schwarzer Tag fürs deutsche Eishockey, trotzdem war die Entscheidung alternativlos." Für Mannheims Trainer Pavel Gross war der Dienstag "einer der traurigsten Tage meiner Trainerkarriere."

Mannheims Marcel Goc, Kapitän des Olympia-Silberteams, wollte nach den Playoffs seine Karriere beenden und hatte zum Abschluss gewiss vom Titel geträumt. Stattdessen endete seine Laufbahn nach 21 Jahren am Dienstagabend. Einfach so. Unvermittelt. Auf die schlimmste Art.

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