SZ-Serie "Ein Anruf bei":"Unsere Gefangenen bevorzugen Pommes rot-weiß"

SZ-Serie "Ein Anruf bei": Da kommt die Sushi-Box nicht gegen an: Grillhähnchen, wie die JVA sie für ihr Sommerfest sucht.

Da kommt die Sushi-Box nicht gegen an: Grillhähnchen, wie die JVA sie für ihr Sommerfest sucht.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Geldern sucht eine mobile Frittenbude fürs Sommerfest. Ein Gespräch über halbe Hähnchen, Eierdiebe, Mörder und den Traumberuf, den er bereits gefunden hat.

Von Martin Zips

Die Justizvollzugsanstalt Geldern in Nordrhein-Westfalen sucht derzeit einen Grillhähnchenverkäufer, der Ende April sowie Anfang Mai zum Sommerfest insgesamt 600 halbe Hähnchen sowie Pommes rot-weiß an die (natürlich bewachten) Inhaftierten im Innenhof verteilt. Ein Gespräch mit Anstaltsleiter Andreas Schüller.

SZ: Herr Schüller, ist das mit dem Pommeswagen im Gefängnishof eine neue Idee?

Andreas Schüller: Nein. Unser Grillfest findet schon seit vielen Jahren statt. So etwas gibt es auch in anderen JVAs. Da macht man halt eine Vorberechnung, was das wohl kosten wird. Und wenn man auf Kosten von mehr als 1000 Euro kommt, so muss man's öffentlich ausschreiben. So war es schon immer. Nur dass im digitalen Zeitalter irgendjemand die Ausschreibung entdeckt und dann ins Netz gestellt hat.

Und schon ist das Geschrei groß.

Ja, das sieht dann so aus, als würden unsere Gefangenen ständig leckere Sachen kriegen. Die normale Gefangenenkost ist natürlich auch lecker, in Wirklichkeit aber gibt es übers Jahr bei uns nie Pommes frites, weil die spätestens ab der dritten Zelle kalt und labbrig wären. Wenn also einmal jährlich der Pommeswagen kommt, so ist das etwas ganz Besonderes. Und diesmal soll's eben auch Grillhähnchen geben. Bisher haben wir immer jemanden gefunden, der das übernimmt.

Wäre es nicht an der Zeit, sich eine Sushi-Händlerin oder einen veganen Bio-Food-Verkäufer in den Gefängnishof zu holen?

Nein, nein. Unsere Gefangenen bevorzugen Pommes rot-weiß, Grillhähnchen und andere Speisen der rustikalen Küche. Vor allem diejenigen, die schon seit vielen Jahren einsitzen.

Unabhängig von Herkunft und Glauben?

Ja. Darauf nehmen wir übrigens das ganze Jahr über Rücksicht bei der täglichen Essenszubereitung. Auch auf vegetarische Wünsche. Aber Pommes rot-weiß, das wird von fast allen Religionen geschätzt.

Ihren Inhaftierten geht es offenbar ziemlich gut. In der JVA Geldern gibt es auch Lesungen, Theaterabende und Konzerte.

Aber nur, wenn es der Dienstplan ermöglicht. Denn dafür muss unser Personal Überstunden machen. Einerseits möchten wir unseren Gefangenen die soziale Teilhabe ermöglichen - dazu gehört auch Kultur. Aber das geht nur, wenn das Personal seine Überstunden auch wieder abbauen kann. Das ist die Herausforderung. Aber wir sind schon gut aufgestellt: Sie können bei uns hinter Gittern sogar 13 Ausbildungen machen, die mit Facharbeiter- oder Gesellenbrief abgeschlossen werden.

Was sind das eigentlich für Verbrecher, die bei Ihnen so einsitzen?

Da gibt es vom Eierdieb bis zum Mehrfachmörder alles. Durchaus auch welche, die schon mehr als 30 Jahre einsitzen. Und übrigens: Manchmal sind die Eierdiebe eher unsympathisch und die Mörder ganz sympathisch. Am Delikt kann man das nicht festmachen.

Herr Schüller, mögen Sie Ihren Beruf?

Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als Leiter dieser JVA zu sein! Ehrlich. Nichts ist so abwechslungsreich wie der Justizvollzug. Man hat mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun, aus allen Bereichen. Schon zur Belegschaft gehören alle möglichen Berufsgruppen - Psychologen, Sozialarbeiter, Theologen. Das macht extrem viel Spaß. Und ohne naiv zu sein, muss man schon sagen: Kriminalität ist nur ein Teil der Persönlichkeit der Inhaftierten. Ein entscheidender, sonst wären die nicht hier. Aber es ist eben nur ein Teil.

Andreas Schüller, 48, hat elf Jahre als Anwalt gearbeitet, bevor er sich für den geschlossenen Vollzug entschied. Er sammelte Erfahrungen u. a. in Aachen, Willich, Köln, Castrop-Rauxel und leitet seit einem Dreivierteljahr die JVA Geldern mit derzeit knapp 500 Inhaftierten und 350 Mitarbeitern.

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