USA:Die Kriegswahl

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Die Demokraten können nur mit einem klaren Krisenplan gewinnen.

Von Hubert Wetzel

Vor ein paar Tagen noch haben sich Joe Biden und Bernie Sanders ernsthaft im Fernsehen darüber gestritten, wer den besseren Plan hat, um die Studiengebühren zu senken, um das Gesundheitswesen zu reformieren oder um die Erderwärmung zu bremsen. Das war alles gut und schön, aber auch irrelevant. Die Universitäten sind in den USA geschlossen. Die größte Angst der Ärzte ist, ob sie genügend Schutzmasken und Intensivbetten haben. Und der Klimawandel ist auch zu einem zweitrangigen Problem geworden, seit das Coronavirus grassiert.

Es ist bizarr: Die USA werden, wie der Rest der Welt auch, von einer Pandemie überrollt, die selbst nach niedrigen Schätzungen Hunderttausende Menschen töten wird; die das Land und die Gesellschaft auf eine gewaltsame Art und Weise erschüttern und verändern wird, wie keine andere Krise in den vergangenen Jahrzehnten. Aber die Demokraten tun immer noch so, als sei alles normal. Sie führen, wenn auch nur virtuell, weiter Wahlkampf, sie veranstalten Debatten, und sie halten Vorwahlen ab. In einigen Bundesstaaten wurden die Primaries zwar verschoben, aber nur auf Juni. Als ob dann alles wieder in Ordnung sein werde.

Auch an dem für Mitte Juli geplante Nominierungsparteitag halten die Demokraten bisher fest. Angeblich will Sanders, der nach den jüngsten Niederlagen praktisch keine Chance mehr hat, Biden noch zu besiegen, dort Einfluss auf die Formulierung des neuen Parteiprogramms nehmen. Er wolle versuchen, so heißt es aus seinem Lager, die Partei möglichst weit nach links zu drücken.

Den amerikanischen Bürgern würde man wünschen, dass sie von solchem Blödsinn verschont bleiben. Sie haben andere Sorgen. Schon der amtierende Präsident hat wertvolle Zeit verschwendet, weil er wochenlang erzählte, Corona sei eigentlich nur ein böser Schnupfen. Die Amerikaner brauchen nicht auch noch zwei Demokraten, die über Steuersätze diskutieren oder darüber, wer vor zwanzig Jahren mal was Dummes gesagt hat.

Die Präsidentenwahl im Herbst wird eine Wahl werden, in der nur ein Thema wichtig ist: Corona. Die Amerikaner werden am 3. November darüber urteilen, wie Donald Trump sie bis dahin durch die Krise geführt hat. Und sie werden darüber entscheiden, wem sie es zutrauen, das Virus zu besiegen und das wirtschaftliche und soziale Chaos halbwegs in Grenzen zu halten, das die Pandemie anrichten wird. Die Wahl 2020 ist eine Kriegswahl. Die Wiederaufbauwahl findet frühestens in vier Jahren statt.

Das bedeutet: Die Demokraten müssen den Amerikanern jetzt sagen, wer ihr Präsidentschaftskandidat ist. Dieser Kandidat muss jetzt darlegen, wie er den Kampf gegen das Virus zu führen gedenkt. Er muss einen überzeugenden, realistischen Plan haben und den Bürgern klarmachen, was auf sie zukommt. In diesem Plan werden Dinge stehen müssen, die im Amerika des 21. Jahrhunderts kaum denkbar sind, die im schlimmsten Fall aber notwendig werden könnten, etwa die staatliche Kontrolle über wichtige Industrien, die Rationierung von Lebensmitteln oder der Einsatz des Militärs im Land.

Wer sich Lügen und Angebereien anhören will, ist mit Trumps täglichen Auftritten gut bedient. Aber damit wird Amerika nicht durch die Krise kommen. Es wird Zeit, dass die Demokraten den Bürgern zeigen, dass sie das verstehen.

© SZ vom 19.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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