Tennis:Allianz gegen Giudicelli

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Geht schweren Zeiten entgegen: Bernard Giudicelli, Präsident des französischen Tennis-Verbandes. (Foto: JB Autissier/imago)

Mit der eigenmächtigen Verschiebung der French Open in den Herbst hat sich Frankreichs Verbandspräsident in der Branche isoliert.

Von Gerald Kleffmann, München

Mit der eigenmächtigen Ankündigung, die French Open vom ursprünglichen Termin im Frühling (24. Mai bis 7. Juni) aufgrund der Corona-Pandemie in den Herbst (20. September bis 4. Oktober) zu verschieben, hat sich der verantwortliche französische Tennis-Verband FFT in der Branche isoliert. Dies geht aus einer Rundmail an alle Spielerinnen der WTA-Tour hervor, die der SZ vorliegt. "Es ist bedauerlich und frustrierend, dass ihr die Entscheidung des französischen Verbandes über Twitter erfahren habt", heißt es in der Mail, "es war enttäuschend und eine Überraschung auch für uns. Der Tweet ging raus, während WTA, ATP, ITF und Roland Garros sich austauschten, um die Optionen des Turniers zu diskutieren." Mit Roland Garros dürfte Turnierdirektor Guy Forget gemeint sein, der das Tagesgeschäft des Grand-Slam-Turniers führt. Weiter wird im Schreiben versichert, dass die WTA, neben der Männertour ATP und dem Weltverband ITF die maßgebliche Institution im Profitennis, "keinerlei Hinweise vorab" zur Verschiebung erhalten habe. Umso mehr wird "diese Aktion" der FFT als "respektlos" eingestuft.

Federführend auf Seiten der Fédération Française de Tennis ist Präsident Bernard Giudicelli, der einen patriarchischen Führungsstil pflegt, wegen übler Nachrede schon mal belangt wurde und im Grunde nicht mehr im Vorstand der ITF sitzen sollte, laut Statuten. Der nun 62-Jährige zog vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas, letztlich schaffte es Giudicelli doch, 2019 wieder ins ITF-Board einzurücken. Es ist nicht neu, dass die Tennis-Organe besser miteinander zusammenarbeiten müssten und häufig nur ihr eigenes Wohl im Sinn haben. Bei genauerer Betrachtung, warum dieser Sport nicht geschlossener agiert, sind es aber meist einfach nur persönliche Eitelkeiten, die ein konstruktiveres Bündnis verhindern. Wie im aktuellen Fall, in dem Giudicelli, der ganz offensichtlich im Alleingang sein Turnier retten wollte, nun dafür gesorgt hat, dass wenigstens WTA und ATP einander näher rückten. Davon zeugte eine gemeinsame Presseerklärung zuletzt, davon zeugen Inhalte aus besagter Rundmail.

WTA und ATP bilden jedenfalls tatsächlich eine neue Allianz, mit der ITF habe man nun "Diskussionen mit Wimbledon und den US Open geführt. Beide Events, sowie auch die ITF, haben abermals ihren Wunsch versichert zusammenzuarbeiten". Ein Seitenhieb in Richtung des französischen Verbands, der immerhin eine der vier größten globalen Tennisveranstaltungen verantwortet - von ihm ist in diesen Zeilen nicht einmal die Rede. Ob und wie es indes funktionieren kann, im Anschluss an die US Open in New York die French Open in Paris auszutragen und was mit den anderen im selben Zeitraum angesetzten ATP- und WTA-Turnieren passiert, sind andere und ganz sicher bis auf Weiteres hypothetische Fragen. Die heftige Ausbreitung des Coronavirus lässt nichts Gutes ahnen.

Auf die Frage, was mit der Weltrangliste passiert, haben ATP und WTA immerhin im Gleichklang eine Antwort gefunden: Alle Punkte seit 16. März 2019 bleiben "eingefroren", also auf der Habenseite der Profis. Normalerweise werden nur die Ergebnisse der letzten 52 Wochen gewertet. Angelique Kerber, die aufgrund ihrer Verletzung abzurutschen drohte, behält demnach etwa ihre Finalpunkte von Indian Wells (März 2019). Sicherlich nur eine Marginalie angesichts der dramatisch verlaufenden Pandemie.

© SZ vom 23.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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