Volleyball:Wunschkandidat mit Passion

Florian Voelker (Trainer Schwarz-Weiss Erfurt) / 2019-11-23 DVV-Pokal 2020 - Viertelfinale ALLIANZ MTV Stuttgart - Schw

Spielerinnen-Entwickler und Co-Trainer des Juniorinnen-Nationalteams: Florian Völker, hier noch als Übungsleiter des Ligakonkurrenten Schwarz-Weiß Erfurt im Einsatz.

(Foto: Sandy Dinkelacker/imago)

Die Kaderplanung ist schwierig, die Frauen-Bundesliga gewährt Aufschübe und schließt sich zusammen. Vilsbiburg schafft zumindest Klarheit in der Trainerfrage.

Von Katrin Freiburghaus

Zu Hause bleiben, Serien gucken. So oder ähnlich lauten pandemiekompatible Empfehlungen für die Freizeitgestaltung. Florian Völker wird diesen Tipp in den kommenden Wochen auch beruflich befolgen. Der 28-Jährige wird neuer Cheftrainer bei den Erstliga-Volleyballerinnen aus Vilsbiburg. Er tritt die Nachfolge von Timo Lippuner an, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem sein neues Team eigentlich Playoffs hätte spielen sollen. Normalerweise schauen Trainer in dieser Saisonphase im eigenen Team, beim Gegner und in den ausländischen Ligen ganz genau hin, um zu eruieren, wer sich als Neuverpflichtung aufdrängt oder dringend ein neues Vertragsangebot bekommen sollte. Völker muss dagegen mit bereits gespielten Partien Vorlieb nehmen. "Die ersten drei, vier Stunden des Tages verbringe ich mit Videos, Spieleranalysen und Telefonaten", sagt er.

Speziell Letzteres sei derzeit wichtig, "weil die Spielerinnen und Berater ja auch alle unsicher sind, wie es weitergeht". Im Kontrast zur physischen Vereinzelung ist Völker momentan telefonisch und via Internet "im stetigen Kontakt mit allen möglichen Menschen". Das Problem bei der Kaderplanung sei jedoch, "dass man nicht so richtig konkret werden kann, weil man nicht weiß, wie sich das in den nächsten Wochen und Monaten entwickelt". Es geht dabei um die Budgetfrage, die an die wirtschaftliche Situation potenzieller Sponsoren gekoppelt ist. Die Volleyball Bundesliga (VBL) kommt den Vereinen dabei entgegen, indem sie die Frist für den Antrag auf Erteilung der Erstligalizenz um einen Monat auf den 15. Mai verschob. Es geht aber auch darum, ob und wann im kommenden Herbst die neue Saison beginnt.

Die Situation sei "für viele Vereine bedrohlich", sagt Vilsbiburgs Geschäftsführer André Wehnert

Bereits am vergangenen Freitag hatten sich die Verantwortlichen aller Frauen-Bundesligisten in einer Telefonkonferenz über ihre Erfahrungen mit staatlichen Hilfsleistungen ausgetauscht und eine enge Zusammenarbeit für den Erhalt der Liga unter Vernachlässigung der sportlichen Rivalität angekündigt. Die Situation sei "für viele Vereine bedrohlich", sagt Vilsbiburgs Geschäftsführer André Wehnert, der zugleich VBL-Vizepräsident und Sprecher der Frauen-Bundesliga ist.

Dennoch hat Vilsbiburg mit der Neubesetzung der Trainerposition in einer wesentlichen Personalie Sicherheit geschaffen, noch dazu mit absolutem Wunschergebnis, wie Wehnert betont. Er bezeichnet Völker als "jungen, modernen, ehrgeizigen Trainer, dessen bisherige Erfolge für sich sprechen". Völkers Erfolge sind Erfolge, die zu Vilsbiburgs Philosophie passen: Es geht ihnen eher in zweiter Linie um bloße Ergebnisse. Entscheidender ist, dass sie jeweils die Entwicklung von Teams illustrieren, die viel aus ihren Möglichkeiten machten.

"Man braucht fast doppelt so lange, wie man raus war, um wieder richtig reinzukommen."

Lippuner sagt, das Entscheidende seien in Vilsbiburg nicht jahrelange Referenzen aus der ersten Liga, "sondern das Engagement". Vilsbiburg brauche nach seiner Erfahrung aus den vergangenen drei Spielzeiten "jemanden mit Passion" - für Volleyball, aber auch für soziale Entwicklungsprozesse. In Offenburg baute Völker innerhalb von zwei Jahren ein Team auf, das zweimal hintereinander Meister in der zweiten Frauen-Bundesliga Süd wurde, 2019 überlegen und ohne Niederlage. "Das war schon sehr nah dran am Niveau der ersten Liga", sagt Lippuner. Als der Verein jedoch nicht in die erste Liga auf-, sondern freiwillig in die dritte Liga abstieg, wechselte Völker zum Erstligisten Erfurt. Seit 2016 ist er zudem Co-Trainer des deutschen Juniorinnen-Nationalteams und daher bestens mit hoffnungsvollen deutschen Talenten vernetzt.

Diese Vita passt aus mehreren Gründen gut ins Anforderungsprofil der Vilsbiburgerinnen. Zum einen ist der Klub bekannt dafür, nicht nur talentierten Spielerinnen, sondern auch talentierten Trainern den nächsten Karriereschritt anzubieten. Zum anderen sind die Niederbayerinnen trotz ihrer internationalen Teams unverändert daran interessiert, junge deutsche Spielerinnen auszubilden und in der ersten Liga zu etablieren. Dafür ist eine Direktverbindung zu den Nationalteams ideal. Es braucht aber zusätzlich einen Trainer, der den Talenten eine Chance gibt und sie voranbringt. Beides trifft auf Völker zu. "Ich mag es, Spielerinnen zu entwickeln", sagt er, "und wenn man über einen längeren Zeitraum miteinander arbeitet, kann man auch mehr bewirken." Er unterschrieb für zwei Jahre mit Option auf ein weiteres.

Die unmittelbare Wirkung auf sein neues Team muss allerdings warten. Derzeit gibt es kein Balltraining, die Spielerinnen halten sich zu Hause fit. Die abgebrochene Saison ist um gut einen Monat kürzer, niemand fährt zum Nationalteam. "Das ist genau richtig so", sagt Völker. Es beinhalte aber, "dass Trainingsplanung gerade überhaupt keinen Sinn hat". Er stellt sich darauf ein, dass die Auswirkungen des fehlenden Balltrainings lange zu spüren sein werden. "Man braucht fast doppelt so lange, wie man raus war, um wieder richtig reinzukommen", sagt er. Sollten die Spielerinnen tatsächlich mehrere Monate nicht in die Hallen können, werde das "den Start schwieriger machen". Allerdings beträfe das dann auch die Konkurrenz - Viren sind unparteiisch.

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