Gedanken über Geld:Null und wichtig

Heute ist Zahlentag: Wie viele Milliarden sind eine Billion? Und welches Problem haben die Amerikaner damit?

Alex Rühle

So. Jetzt mal bitte Rechenhefte raus und alle unterrichtsfremden Materialien vom Tisch. So geht's nicht weiter. Natürlich, verständlich, in Zeiten, in denen Finanzminister mit Zahlen um sich werfen, die so viele Nullen haben, dass man sie als Luftschlangen durch den Fasching blasen könnte, kommen einem schnell die Bilanzen durcheinander. Und für Otto Normalverdiener sind Begriffe wie Millionen, Milliarden, Billiarden ohnehin so weit weg wie Venus und Mars am Abendhimmel, funkelnde Gebilde am Firmament unserer Sehnsucht. Aber dennoch: Eine Billiarde ist sehr viel Geld. Ja, eine Billion ist auch viel, aber eben doch nur das Tausendstel von einer Billiarde.

Gedanken über Geld: Wie viele davon braucht man für eine Billion?

Wie viele davon braucht man für eine Billion?

(Foto: Foto: ap)

Soeben meldet Telepolis, die deutschen Banken "könnten noch bis zu einer Billiarde Euro an faulen Wertpapieren in ihren Büchern haben." Wir wissen, dass in den vergangenen Jahren keiner recht bei Verstand gewesen zu sein scheint in den Chefetagen der Banken, eine Art finanztechnischer Rinderwahn muss sie alle gemeinsam erfasst haben. Aber eine Billiarde, das wären tausend Billionen. Das Weltbruttosozialprodukt für 2004 betrug 55,5 Billionen US-Dollar.

Es geht nicht darum, Telepolis zu rüffeln, denn in Sachen Millibillionen sitzen wir alle im Glashaus, dauernd werden in den Wirtschaftsteilen Billionen mit Milliarden verwechselt und dann heißt es immer entschuldigend, die Amis seien schuld, weil sie eben anders zählen. Aber schon das stimmt nur halb. Eigentlich sind die Franzosen schuld. Sie haben die Billion erfunden und wollten sie dann 200 Jahre später auf ein Tausendstel ihres Wertes reduzieren. Das haben wiederum die Amerikaner spitz gekriegt und seither haben wir den Salat beziehungsweise den Nullenkauderwelsch.

Aber von Anfang an: Bis ins dreizehnte Jahrhundert gab es überhaupt nur Zahlen bis hunderttausend. Er war genügsam, der spätmittelalterliche Mensch und sagte sich, ich kenn ja noch nicht mal die Zentralperspektive, was brauche ich da zu wissen, wie tausend mal tausend heißt. 1270 taucht in Italien erstmals die Million auf, also die "große tausend", die Endung -one bedeutet groß, mächtig, vgl. Camillo und Peppone oder Silvio und Berluscone. Alles darüber hinaus wurde phantasievoll umschrieben. Der Mathematiker Nicolas Chuquet schlug dann 1484 vor, dass man für alle Zahlen im Millionenschritt ein neues Wort bildet: Eine Million mal eine Million ist eine Billion. Eine Billion mal eine Million ist eine Trillion. Um den semantischen Quantensprung auch in der Ziffernschreibung zu signalisieren, bündelte man immer sechs Nullen zusammen. Eine Billion waren 1 000000 000000.

Das ist fieses Augenpulver, weshalb die Franzosen im 17. Jahrhundert aus Gründen der besseren Lesbarkeit ihr eigenes System reformierten: Von da an wurde im Dreierschritt genullert, eine Billion, man konnte das zuletzt anhand der Überschriften zum Bail Out studieren, wird seither so rhythmisiert: 1 000 000 000 000. Einige übereifrige Mathematiker forderten dann leider, auch im Dreierschritt neue Wörter zu benutzen. Jetzt gab es zwei Schulen, die einen zählten Million, Milliarde, Billion, Billiarde, Trillion. . ., die anderen zählten doppelt so schnell nach oben: Million, Billion, Trillion, Quadrillion. Leider sind einige Vertreter dieser zweiten Schule nach Amerika gesegelt. In Frankreich kehrte man irgendwann reumütig zur alten Zählweise zurück, im übrigen Europa war man ohnehin immer Chuquets System gefolgt. Einzig die Amerikaner behaupten seither großspurig, dass Milliarden Billionen seien.

Was nicht ganz stimmt: Auch Brasilien, die Türkei und Puerto Rico zählen nach dem US-System. Die Weltmacht im Verbund mit Puerto Rico - die Aufzählung erinnert in ihrer Bananenrepublikhaftigkeit an Rumsfelds Invektive, nur Deutschland, Libyen und Kuba würden dem Irak-Krieg noch entgegenstehen. Deutsche, libysche und kubanische Mathematiklehrer können den Amerikanern dafür heute auf Heller und Pfennig genau vorrechnen, dass ihr verdammter Irakkrieg bisher viele Milliarden Dollar verschlungen hat. Oder waren's doch Billionen?

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