Corona-Krise:Milliarden gegen den Absturz

Um Arbeitsplätze und Unternehmen zu retten, beschließt die Koalition ein beispielloses Hilfspaket. Auch die Einschnitte ins öffentliche Leben scheinen erste Wirkung zu zeigen.

Von Michael Bauchmüller und Henrike Roßbach, Berlin

Mit einem milliardenschweren Paket will die Bundesregierung die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abfedern. Das Bundeskabinett billigte am Montag einen Nachtragshaushalt von 122,5 Milliarden Euro an weiteren Ausgaben. Darin enthalten sind allein 50 Milliarden Euro an Hilfen für kleine Unternehmen und Selbstständige und weitere 55 Milliarden Euro für die Bekämpfung der Pandemie. Das Kabinett beschloss auch Sonderregeln für Mieter: Wer wegen der Corona-Krise seine Miete nicht zahlen kann, dem sollen Vermieter nicht kündigen dürfen. Zudem werden die Hartz-IV-Regeln gelockert, und Eltern bekommen eine Entschädigung, wenn sie wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten nicht arbeiten können. Und: Die Krankenhäuser bekommen mehr Geld.

Man stehe am Anfang einer "sehr entscheidenden Woche", sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nach der Kabinettssitzung. "Wir werden alles tun, was notwendig ist, um Arbeitsplätze und Unternehmen und Beschäftigung und die Gesundheit zu verteidigen." Der Bundestag soll den Plänen am Mittwoch zustimmen - inklusive einer Lockerung der Schuldenbremse. Der Bund kann so neue Kredite über 156 Milliarden Euro aufnehmen, auch um Steuerausfälle zu kompensieren.

Selbständige und kleine Unternehmen sollen pauschale Hilfen bekommen, mit denen sie zumindest die nächsten drei Monate überbrücken können. Viele von ihnen haben keine Aufträge mehr, dafür aber laufende Kosten, etwa für die Miete. Ein Kreditprogramm, mit dem die staatseigene Bankengruppe KfW kleinen und mittelständischen Firmen zusätzliche Mittel verschaffen kann, wurde ausgeweitet, der Staat trägt nun bis zu 90 Prozent der Risiken, und das zu günstigen Zinsen.

Für große Unternehmen legte die Bundesregierung einen Stabilisierungsfonds neu auf, so wie es ihn während der Finanzkrise 2008 und 2009 schon einmal für Banken gab. Die Konzerne sollen nun leichter an Kredite kommen; notfalls kann aber auch der Staat bei den Unternehmen einsteigen - etwa, um feindliche Übernahmen zu verhindern. "Unser Land muss sich schützen können", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Ziel sei es aber, so wenig wie möglich in die Märkte einzugreifen.

Die Wirtschaft begrüßte das Paket. "Das Wasser steht vielen Unternehmen bis zum Hals", sagte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI. "Entscheidend ist, dass die Politik alle Staatshilfen schnell, unbürokratisch und möglichst passgenau anbietet." Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer nannte das Paket "sachgerecht und angemessen". Wichtig sind für viele Firmen auch die gelockerten Regeln für die Kurzarbeit, die ebenfalls beschlossen wurden. Die Gewerkschaften fordern allerdings, dass die Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld freiwillig aufstocken sollen. Das lehnen diese aber ab, weil es die Entlastung der Betriebe schmälern würde. Der Deutsche Aktienindex Dax erholte sich nach Bekanntgabe der Regierungspläne, ging dann allerdings wieder ins Minus.

Seit Beginn der Corona-Krise hat er rund 35 Prozent eingebüßt. Zumindest aber zeigen die bisherigen Einschränkungen des öffentlichen Lebens erste Wirkung. "Wir sehen den Trend, dass die exponentielle Wachstumskurve sich etwas abflacht", sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), in Berlin. Das RKI registrierte am Montagmorgen 2 672 Infizierte und 86 Todesfälle, die amerikanische Johns-Hopkins-Universität meldete am Abend 28 865 Infizierte und 118 Todesfälle für Deutschland (siehe Grafik). RKI-Chef Wieler sagte, aus Handydaten lasse sich schließen, dass die Bürger vermehrt zu Hause blieben. Das reiche aber noch nicht. Das RKI setzt nun auf die zusätzlichen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit vom Sonntag.

Zu dem am Montag geschnürten Hilfspaket der Bundesregierung gehören auch erweiterte Kompetenzen für den Bund im Epidemiefall mit "nationaler Tragweite". Der Bund kann dann künftig "unbeschadet der Befugnisse der Länder" die Einreise nach Deutschland beschränken oder Maßnahmen treffen, um die Versorgung mit Medizinprodukten und die Gesundheitsversorgung insgesamt aufrechtzuerhalten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: