Coronavirus-Krise:"Wir machen uns riesige Sorgen"

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Die Coronavirus-Pandemie trifft die bayerische Wirtschaft hart, nicht zuletzt die Gastronomie: Zusammengeklappte Tische und Stühle im Biergarten auf dem Münchner Viktualienmarkt. (Foto: dpa)

Schon nach fünf Tagen zeigte sich für die bayerische Staatsregierung: Zehn Milliarden Euro reichen nicht als Hilfe. So verdoppelt sie ihr Corona-Programm mal eben.

Von Katja Auer, München

Er wiederhole seinen Spruch von vergangener Woche nur ungern, sagt Finanzminister Albert Füracker (CSU), aber er habe wohl recht behalten. Niemand könne wissen, ob nicht nächste Woche alles überholt sei, hatte er gesagt, als er dem Landtag einen Nachtragshaushalt von zehn Milliarden Euro zur Abstimmung vorgelegt hatte. Am Donnerstag war das, fünf Tage später nur verdoppelt die Staatsregierung das Corona-Hilfspaket für die bayerische Wirtschaft und das Gesundheitswesen auf 20 Milliarden Euro. "Wir machen uns riesige Sorgen um die wirtschaftlichen Herausforderungen", sagt Ministerpräsident Markus Söder am Dienstag in der Pressekonferenz, die, wie nun schon beinahe gewohntermaßen, ohne Journalisten stattfindet und per Livestream und Fernsehen zu verfolgen ist.

Die Coronavirus-Krise hat die Unternehmen bereits voll getroffen, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) rechnet in kürzester Zeit mit einem Anstieg der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer auf 1,8 Millionen. Um die 120 000 Anträge von Unternehmen auf Unterstützung seien bereits eingegangen, sagt Söder. Zwischen 5000 und 30 000 Euro Soforthilfe gibt es für Firmen, um kurzfristige Engpässe zu überbrücken. Um das Geld sofort auszahlen zu können, setzte das Parlament die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse für zunächst ein Jahr außer Kraft.

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Nun stockt der Freistaat die Hilfe weiter auf. Die LfA Förderbank wird ertüchtigt, Unternehmen mehr Bürgschaften zu gewähren, zu besseren Konditionen. Der Bürgschaftsrahmen der LfA werde von 500 Millionen Euro auf zwei Milliarden erhöht, sagt Söder, außerdem soll es ein günstiges Sonderkreditprogramm werden. Im Notfall springt der Freistaat ein, der Staatsbürgschaftsrahmen werde von vier auf 40 Milliarden ausgeweitet. Über einen Bayernfonds in Höhe von 20 Milliarden Euro soll der Staat sich zeitweilig an Unternehmen beteiligen können.

Es ist "das umfassendste Wirtschaftsprogramm, das je in Bayern beschlossen wurden", sagt Söder. Das soll zum einen Arbeitsplätze sichern in der Krise, zum anderen Firmen vor Übernahmen bewahren. "Es deutet sich an, dass andere Nationen, die schneller aus der Krise kommen, vielleicht auf Shoppingtour gehen wollen"; sagt Söder. Er wolle vermeiden, dass Bayern "zum Übernahmekandidaten" werde.

Ein Erfolgsmodell nennt Finanzminister Füracker Steuerstundungen und die Herabsetzung von Vorauszahlungen. Die Folge sind allerdings massive Steuerausfälle, auch deswegen sei die Verdoppelung des Nachtragshaushalts notwendig. Entgegen der Gewohnheiten eines Finanzministers werde er nicht darauf schauen, wo ein Euro gespart werden könnte. "Das ist jetzt Krisenbewältigung", sagt er. Er plane auch nicht, die einzelnen Etats einzuschränken, das Land müsse - neben der Corona-Krise - normal weitergeführt werden können.

Auf Abstand: Um sich nicht zu nahe zu kommen, hat sich das bayerische Kabinett am Dienstag erstmals im Kuppelsaal der Staatskanzlei getroffen. Dort ist deutlich mehr Platz. (Foto: dpa)

Normal ist freilich wenig in diesen Tagen, 6362 bestätigte Coronavirus-Infektionen meldet Söder am Dienstag, Stand: 10 Uhr. 31 Menschen seien bislang gestorben. "Es gibt keinen Anlass zur Entwarnung, es gibt weiter Anlass zu Disziplin und Konsequenz", sagt Söder. Um gleich ein Lob anzuschließen an die Menschen in Bayern, die sich zum überragenden Teil an die Ausgangsbeschränkungen hielten.

Eine Frau aus dem Raum München allerdings und eine weitere Person wollten das nicht und klagten dagegen vor dem Verwaltunsgericht München. Das entschied zu deren Gunsten, das bedeutet, für die beiden gelten die Nummern 1, 4 und 5 der Allgemeinverfügung nicht, sie dürften ihre Wohnung auch ohne triftigen Grund verlassen. Nur die beiden, eine solche Entscheidung gilt stets nur für den Einzelfall. Von langer Dauer ist ihr Erfolg allerdings nicht. Denn bereits am Dienstagnachmittag erlässt das Gesundheitsministerium eine Rechtsverordnung, damit gelten die Ausgangsbeschränkungen wieder bayernweit und für alle. Das Verwaltungsgericht bezweifelte nämlich nicht den Inhalt der Regelung, sondern lediglich, ob der Freistaat Bayern die Ausgangsbeschränkungen durch Allgemeinverfügung regeln durfte - oder nicht durch Rechtsverordnung hätte regeln müssen, wie es in einer Mitteilung heißt. Es geht um juristische Details, und aus der Staatsregierung ist Unverständnis für die zwei Kläger zu vernehmen. Auch wenn Söder sagt, dass eine Klage gegen solche Bestimmungen "selbstverständlich" und in einem Rechtsstaat möglich sei.

Und es wäre ungewöhnlich, hätte Söder nicht auch an jene gedacht, denen die Beschränkungen als zu hart erscheinen. Ein breiter Konsens ist ihm offenbar wichtig und er gelingt bislang, die Opposition trägt die Maßnahmen mit. Die werden nicht gelockert, aber es soll ein "Monitoring" geben, "damit wir eine Spiegelung bekommen, wie es mit der Liberalität unseres Rechtsstaats kompatibel und in Einklang zu bekommen ist". Die frühere evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler und die beiden ehemaligen Oberlandesgerichtspräsidenten Christoph Strötz und Clemens Lückemann sollen eine Art Grundrechte-Kommission bilden und die Maßnahmen ethisch und rechtlich beurteilen.

Es gibt noch mehr Personalien nach dieser Sitzung, zu der sich der Ministerrat erstmals im großen Kuppelsaal der Staatskanzlei versammelt hatte - weil dort der Abstand besser gewahrt werden kann als im normalen Sitzungssaal. Staatssekretär Gerhard Eck wechselt für drei Monate vom Innen- ins Gesundheitsministerium, das ohne Staatssekretär ist. "Im Katastrophenfall brauchen wir ein großes Ministerium", sagt Söder. 50 Mitarbeiter werden zusätzlich abgestellt, außerdem insgesamt 800 an die Gesundheitsämter. Ein zweiter Amtschef ist bereits installiert.

Nicht nur die Verwaltung soll unterstützt werden, sondern vor allem jene, die sich um die Patienten kümmern. So wird von April an das Pflegepersonal an Kliniken, in Pflegeheimen, Behinderteneinrichtungen und Kindertagesstätten kostenlos versorgt. Es sei das Mindeste, dass die Angestellten nicht mehr für Essen und Trinken bezahlen müssen, sagt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). "Das ist ein deutliches Signal, dass wir sehen, was da geleistet wird." Auch der Nachschub funktioniert wieder: Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel werden nun in Bayern produziert.

© SZ vom 25.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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