Flughafen München:Verlassene Drehkreuze, geschlossene Läden

Flughafen München: Flugzeuge stehen nebeneinander auf dem Münchner Flughafen.

Flugzeuge stehen nebeneinander auf dem Münchner Flughafen.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Die Corona-Krise trifft den Münchner Flughafen hart. Die Passagierzahlen sinken dramatisch, der Umsatz bricht ein.
  • Betreiberfirmen und Fluggesellschaften - darunter die Lufthansa - haben bereits Kurzarbeit beantragt.

Von Julian Hans

Auf den großen Bildschirmen in der Ankunftshalle von Terminal 2 ist die Welt noch so, wie sie einmal war: Ein Reiseveranstalter wirbt mit Videos von unbeschwerten Menschen, die am Pool Cocktails trinken. Gondeln fahren Touristen durch Venedig. Die Kamera ist mitten drin im Gewühl eines indischen Straßenfestes. Der Flughafen wirbt für den "perfekten Wochenend-Kurztripp": "Zum Shopping nach Mailand oder am Black Friday nach New York".

Nach New York wird an diesem Wochenende kein Flug gehen und auch nicht nach Mailand. Wer unbedingt einen Kurztrip mit dem Flieger machen wollte, hätte die Wahl zwischen Hamburg, Berlin oder Frankfurt am Main. Aber auch dort wird es mit dem Shopping ebenso wenig etwas werden wie in München oder fast überall sonst auf der Welt.

Es ist Mittwochabend kurz nach 20 Uhr, als Flug LH 575 aus Kapstadt auf die Landebahn im Erdinger Moos aufsetzt. Der A340 mit 297 Passagieren an Bord ist der letzte reguläre Langstreckenflug, den die Lufthansa ausführt. Am Donnerstagfrüh kommt noch eine Maschine aus Punta Cana, die im Auftrag des Auswärtigen Amtes deutsche Staatsbürger aus der Dominikanischen Republik heimbringt. Das war es dann aber auch bis auf Weiteres.

Nathalie Geisler und Tobias Hampel gehören zu den letzten Fernreisenden, die nach der Gepäckausgabe durch die großen Milchglastüren in die Ankunftshalle treten. Sie waren zum Auslandsstudium in Südafrika. "Eigentlich hatten wir Rückflugtickets für Juni", sagt Hampel. "Aber als der Präsident Cyril Ramaphosa im Fernsehen von der größten Krise in der Geschichte des Landes sprach, haben wir umgebucht." Fast alle internationalen Studenten seien heimgeflogen. Immerhin ist ihnen die Uni entgegengekommen: Sie können das Semester im Fernstudium abschließen.

Seit die Bundesregierung Mitte des Monats die Grenzen auch für EU-Bürger weitgehend geschlossen hat, sei der Flugbetrieb auf zehn Prozent seiner bisherigen Kapazität zurückgegangen, sagt Ingo Anspach, der Sprecher der Flughafen München GmbH. Eine Weile lang gingen noch internationale Flüge; sie brachten Deutsche aus dem Ausland zurück und ausländische Staatsbürger, die in Bayern Urlaub machten oder arbeiteten in ihre Heimat. Inzwischen sind es noch weniger geworden.

Wenn die GmbH an diesem Freitag ihre Bilanz für das vergangene Jahr vorstellt, wird das klingen wie ein Echo aus paradiesischen Zeiten. 48 Millionen Gäste hatte der Flughafen 2019. Das sind im Schnitt mehr als 130 000 Reisende am Tag. Derzeit seien es noch 6000 am Tag, sagt Anspach: "Es sind ganz massive Einbrüche."

Wo es geht, versuchen die Flughafen-Manager Ressourcen einzusparen: Im Terminal 1 werden jetzt die Sicherheitskontrollen für alle Passagiere nur noch im Abflugbereich C durchgeführt. Das Satellitengebäude zum Terminal 2 wurde stillgelegt, die Bahn dorthin fährt nicht mehr. Auf dem Außengelände wurden große Flächen zu Parkplätzen umgewidmet: Wo früher Flugzeuge enteist wurden, warten jetzt Jumbos darauf, dass sie wieder gebraucht werden. Mehr als 100 Maschinen stünden derzeit in München am Boden, teilt die Flughafen GmbH mit.

Die Lufthansa hat bereits Kurzarbeit beantragt

Die Flughafentochter Eurotrade hat bereits Kurzarbeit eingeführt. Bei ihr sind die Verkäuferinnen und Verkäufer vieler Geschäfte im Flughafen angestellt, die nun auf Anordnung der Staatsregierung vorerst schließen mussten. Betriebsrat und Geschäftsführung verhandeln derzeit über Kurzarbeit in anderen Konzernbereichen. Den Betrieb ganz einstellen, das kommt aber nicht infrage: Der Flughafen ist Teil der kritischen Infrastruktur und gerade die Beförderung von Gütern muss weiter gewährleistet sein. Allerdings hat sich auch der Frachtverkehr mehr als halbiert.

Sechs Spalten hat die große Anzeigetafel im Terminal 2, wo die Lufthansa und ihre Partnerairlines abgefertigt werden. Der Flugplan für 24 Stunden passt jetzt auf gerade einmal anderthalb Spalten. Die Lufthansa befinde sich derzeit "im Ausnahmezustand", sagt Christian Gottschalk, Konzernsprecher für das Drehkreuz München. Im vergangenen Jahr wurden im Schnitt etwa 350 Lufthansa-Flüge pro Tag abgefertigt. In der vergangenen Woche waren es täglich gerade einmal zehn. Und die werden mit kleineren Maschinen ausgeführt, zum Beispiel mit der CRJ900 von Bombardier mit weniger als 90 Plätzen.

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Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr verglich auf seiner Video-Pressekonferenz den an Corona angepassten Flugplan mit dem Flugplan aus dem Jahr 1955: "Wir kämen wieder mit zweistelligen Flugnummern aus", sagt er. Am Donnerstag beantragte die Fluggesellschaft ebenfalls Kurzarbeit für 31 000 Beschäftigte. Erklärtes Ziel des Konzern sei es, auch in der Krise möglichst alle Mitarbeiter an Bord zu halten, hieß es.

Turbulent sind die Zeiten auch für die Beamten der Bundespolizei. Innerhalb weniger Tage änderten sich die Einreisebestimmungen mehrfach. Erst gab es Beschränkungen für Menschen aus Risikogebieten, dann durften nur noch EU-Bürger einreisen. Inzwischen muss die Bundespolizei auch Bürger aus dem Schengenraum kontrollieren und gegebenenfalls zurückschicken. Nur wer in Deutschland gemeldet ist, darf derzeit einreisen. Ausnahmen gelten nur bei triftigen Gründen. Etwa wenn ein Franzose aus Moskau nach München fliegt und mit einem gültigen Zugticket glaubhaft machen kann, dass er nach Paris weiterreist.

Den meisten Reisenden seien die Bestimmungen augenscheinlich bekannt, sagt Christian Köglmeier, der Sprecher der Bundespolizei am Flughafen. Es gebe aber auch "einzelne, die es nicht verstanden haben". So wie jener EU-Bürger mit Wohnsitz in den USA, der vor einigen Tagen bei der Passkontrolle erklärte, er wolle Urlaub in München machen. Die Grenzschutzbeamten mussten ihn wieder zurückschicken.

Eigentlich genießen Bürger aus Mitgliedstaaten Freizügigkeit in der Europäischen Union. Doch aufgrund des Infektionsschutzes werden auf Anordnung von Innenminister Horst Seehofer nur noch deutsche Staatsbürger reingelassen, sowie Bürger anderer Staaten, sofern sie einen Wohnsitz in Deutschland haben. Ausnahmen gelten für Berufspendler, das betrifft am Flughafen in erster Linie die Crews der Fluggesellschaften. Wenn sie gemäß arbeitsrechtlicher Verordnungen nicht weiter fliegen dürfen, können sie auch in München im Hotel übernachten. Auch Diplomaten dürfen einreisen, etwa wenn sie in einem der Konsulate in München arbeiten.

Von den etwa 1400 Mitarbeitern der Bundespolizei am Flughafen sind täglich etwa 200 Beamte im Einsatz, aufgeteilt auf 20 Dienstgruppen. Das hat sich bis dato auch kaum geändert: Weil nun weniger Flüge gehen aber durch die Kontrollen der Reisenden aus dem Schengenraum mehr zu tun sei, halte sich die Arbeit etwa die Waage, sagt Köglmeier.

Für die Überprüfung von Covid-19-Verdachtsfällen ist eine Task Force des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständig. Zwei Ärzte, zwei Hygienekontrolleure und eine Epidemiologin haben ständig Rufbereitschaft. Sie werden aber nur alarmiert, wenn sich der Verdacht während des Fluges ergibt. Gibt es schon vorher Anzeigen, darf der Passagier gar nicht erst einsteigen.

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