Riegsee:Bereit fürs neue Amt

Autor Jörg Steinleitner

Neugierde und Durchhaltevermögen braucht ein Autor, aber eben auch ein Bürgermeister. Das findet jedenfalls Jörg Steinleitner. Als Schriftsteller hat er beides längst bewiesen, als Rathauschef der Gemeinde Riegsee muss er sich erst bewähren.

(Foto: Nana Klaass)

Der Schriftsteller und Anwalt Jörg Steinleitner ist überraschend Bürgermeister geworden

Von Sabine Reithmaier

Jörg Steinleitner hat richtig Lust auf sein neues Amt. Das spürt man sogar am Telefon. Inzwischen hat sich der Schriftsteller schon fast an den Gedanken gewöhnt, künftig Bürgermeister der Gemeinde Riegsee zu sein. "Ganz habe ich es aber noch nicht begriffen, weder vom Kopf noch vom Bauch her." Es war eine echte Überraschung, dass knapp 55 Prozent der Wähler den gebürtigen Allgäuer und kommunalpolitisch unerfahrenen "Zugroasten" dem "vorbildlichen Biobauern" Georg Miller (Steinleitner) vorzogen haben.

"Ich habe ein ausgezeichnetes Verhältnis zu ihm", versichert der 48 Jahre alte Autor, der sich selbst als harmoniebedürftig einstuft. Tatsächlich existieren jede Menge Fotos, die die beiden während des Wahlkampfs gut gelaunt miteinander zeigen; Parteipolitik spielt in dem Dorf ohnehin keine Rolle, beide Bewerber wurden von freien Wählergemeinschaften aufgestellt.

Steinleitner ist vor knapp zwölf Jahren mit seiner Familie aus dem Münchner Glockenbachviertel in den kleinen Ort bei Murnau gezogen und fühlt sich dort voll integriert. Längst haben die Alltagserfahrungen im Dorf und die "Gartenzaungespräche" Eingang gefunden in sein Schreiben. Vielleicht ist er sich deshalb auch so sicher, dass ihm der Sprung in den kommunalpolitischen Alltag leicht fallen wird. "Ich freue mich auf neue Wissensabenteuer", sagt er, schließlich sei er ein "sehr neugieriger und lernfreudiger Mensch". Wahrscheinlich hat er deshalb gleich dreimal studiert, erst Germanistik und Geschichte auf Lehramt, dann Jura und schließlich noch Journalistik. Sein Dasein als Rechtsanwalt vertrug sich allerdings nicht besonders gut mit seinem Harmoniebedürfnis. Das ständige Streiten ums Geld missfiel ihm - "erst im Gericht für den Klienten, später oft ums eigene Honorar". Viel besser erging es ihm mit dem Schreiben: In den vergangenen 20 Jahren entstanden 20 mal mehr, mal weniger erfolgreiche Bücher, daneben Kolumnen und Rezensionen. Bekannt wurde er vor allem durch seine Krimis um die am Tegernsee ermittelnde Polizeihauptmeisterin Anne Loop oder den Kunstfälscher Felix Ambach.

Als Bürgermeister des 1200-Einwohner-Dorfes mit den Ortsteilen Riegsee, Aidling und Hagen arbeitet Steinleitner ehrenamtlich und erhält eine monatliche Entschädigung. Er sieht zahlreiche Parallelen zwischen seinem Autoren-Dasein und dem neuen Job. Beides könne man nur ausüben, wenn man sich für Menschen interessiere, glaubt er. Außerdem brauche man auf jeden Fall Durchhaltevermögen. Das besitzt er reichlich. Sonst hätte er spätestens nach den ersten zehn, eher erfolglosen Jahren als Autor das Handtuch geworfen. "Ich lasse mich nicht so schnell entmutigen", sagt er.

Nicht schaden könne in dem Amt auch eine gehörige Portion Selbstkritik - "die Zweifel am eigenen Können kennen doch alle Autoren gut". Und es brauche die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, für einen Schriftsteller eine Selbstverständlichkeit, wie er findet. "Ich will immer jeden verstehen, das finde ich spannend."

Aber warum hat er überhaupt kandidiert? Steinleitner zögert keine Sekunde mit der Antwort. "Die Zeiten sind zu ernst, als dass man sich nur auf Kunst zurückziehen kann." Der Klimawandel, die rechten Populisten - es gebe so vieles, mit dem man sich auseinandersetzen müsse. Genau das hat Steinleitner bereits in eine Reihe von sozial- und gesellschaftspolitisch ausgerichteten Projekten mit Jugendlichen gemacht. 2019 wurde er gemeinsam mit den Künstlern Nana Klaass und Johannes Volkmann mit dem Murnauer Demokratiepreis ausgezeichnet für das Schüler-Kunstprojekt "Die Menschenrechtsbänke und ihre Geschichten". Auch aktuell wirkt er am Staffelseegymnasium an einem Projekt mit. Unter dem Thema "Das wird man wohl noch sagen dürfen" setzen sich Schüler in seiner Schreibwerkstatt mit populistischen Slogans und Methoden der Einflussnahme auseinander.

Seine schriftstellerische Arbeit will er zugunsten des neuen Amts reduzieren. Es wird keine neuen Krimis geben, überhaupt kein Buch für Erwachsene. "Auch wenn es nur Unterhaltungsliteratur ist: Einen Roman zu schreiben, ist ein enormer Kraftakt." Vorstellen kann er sich im Moment nur ein weiteres Kinderbuch. Doch ansonsten möchte er die Kraft dazu verwenden, seine Mitbürger zu motivieren und zu begeistern. "Bei jeder Veränderung, die wir hier planen, denken wir den Klimawandel mit."

Klingt vielleicht alles ein wenig idealistisch. Steinleitner ficht das nicht an. "Mein Leben ist hier, ich mag die Menschen, also kann ich auch was bewegen."

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