Bundeswehr:Feindbild Virus

Trotz ihrer oft mangelhaften technischen Ausrüstung ist die Bundeswehr eine Hoffnung in der Corona-Krise: Sie ist im medizinischen Bereich gut ausgestattet. Nun werden sogar 15 000 Soldaten gegen das Virus mobilisiert.

Von Joachim Käppner

Die einen haben die Idee: Stellen wir doch Soldaten vor ein Flüchtlingsheim. Die anderen fordern schon mal vorsorglich die Bundeswehr an, ohne sich dort überhaupt richtig informiert zu haben, wann und womit sie überhaupt helfen kann. Aus Baden-Württemberg kommt die Idee, Soldaten als Hilfspolizisten einzusetzen. Und sogar das Nachbarland Frankreich, das die Streitkräfte im Inneren viel unbedenklicher einsetzen darf als in Deutschland erlaubt, soll schon gefragt haben, ob die Truppe notfalls zur Unterstützung anrücken könnte: In der Coronakrise ist die Bundeswehr ein gefragter Ansprechpartner.

Das liegt auch daran, dass Medizin und Sanitätswesen zu den wenigen Bereichen gehören, in denen die deutsche Armee tatsächlich bestens aufgestellt ist. Im Feldlager von Masar-i-Sharif in Nordafghanistan bietet sie eine medizinische Versorgung, die der eines deutschen Kreiskrankenhauses gleicht. Kein Wunder also, dass die Begehrlichkeiten in den vom Coronavirus betroffenen Gemeinden, Landkreisen und Bundesländern besonders hoch sind. Gut 200 Hilfsanträge hat die Bundeswehr bereits gezählt, allein am Freitag stieg die Zahl um 15 Prozent.

"Bei uns geht es ähnlich knapp zu wie im gesamten Gesundheitswesen"

Doch Wunsch und Wirklichkeit klaffen auch hier auseinander. Zwar will die Bundeswehr zur Unterstützung von Bundesländern und Kommunen in der Coronakrise nun 15 000 Soldaten einsetzen. Dies teilte Generalleutnant Martin Schelleis, der als "Nationaler Territorialer Befehlshaber" den Einsatz führt, am Freitag in einer telefonischen Pressekonferenz mit. Er warnte allerdings davor, die Möglichkeiten der Streitkräfte zu überschätzen: "Auch unsere Kapazitäten sind begrenzt, denn kaum ein Prozent des medizinischen Fachpersonals in Deutschland dient in der Bundeswehr." Die fünf Bundeswehrkrankenhäuser wiederum seien bereits zu 80 Prozent mit zivilen Patienten belegt. "Bei uns geht es ähnlich knapp zu wie im gesamten Gesundheitswesen", sagte Schelleis.

Die 15 000 Soldaten sollen zum Beispiel beim Objektschutz, der Logistik und dem Transport helfen. Eine besondere, laut Schelleis "kleine, feine Fähigkeit" ist die Abwehr von ABC-Kampfstoffen, die sich zur Dekontamination einsetzen lässt. Es soll nach jetziger Planung dabei vier regionale Führungsstäbe geben, nämlich in Berlin, Rostock, Oldenburg und Veitshöchheim in Bayern.

Zur politisch heiklen Frage, ob sich Soldaten auch für polizeiliche, also hoheitliche Aufgaben einsetzen ließen, äußerte sich Schelleis zurückhaltend. Das Grundgesetz beschränkt in Artikel 35 den Einsatz der Streitkräfte im Inland auf Not- und Katastrophenfälle. Theoretisch dürfen Soldaten die Polizei bei deren Aufgaben unterstützen, seien dieser dann aber grundsätzlich unterstellt. Faktisch sei dieser Fall jenseits von Übungen noch nie eingetreten, sagte Schelleis.

Von der Aufstellung der Anti-Corona-Truppe bleiben die Auslandseinsätze und die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung unberührt. Die Verbände wurden sorgsam nach Kräften durchkämmt, die man notfalls abstellen kann; viele melden sich ohnehin freiwillig. Die Einrichtung der vier regionalen Führungsstäbe, die schon kommende Woche voll einsatzbereit sein sollen, werde den Weg, Hilfe von der Bundeswehr zu erhalten, erheblich beschleunigen: "Wir sind dann mit diesen Soldaten schon in Bereitschaft, wir wissen, wo sie sind und was sie können." Der General rief die Zivilbehörden aber dazu auf, erst einmal mit der Bundeswehr Kontakt aufzunehmen, bevor sie dort um Hilfe nachsuchen: Es komme nämlich immer wieder vor, dass Kommunen deren bestehendes Beratungsangebot nicht nutzten, sondern gleich einen Antrag auf Unterstützung stellten.

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