Wirtschaft:Wie kann Chinas Einfluss auf Europa begrenzt werden?

Handel mit China wächst - Sorgen um Corona

Ein chinesisches Container-Frachtschiff der staatseigenen China Ocean Shipping Company (Cosco), das im Hamburger Hafen angelegt hat.

(Foto: Markus Scholz/dpa)
  • China wirkt in der Corona-Krise zuletzt handlungsfähig, während Europa sich schwer tut.
  • China versucht seinen Einfluss auszuweiten und sich als Retter zu gerieren.
  • In Berlin überlegen Politiker aus Regierung und Opposition, wie die europäische Abhängigkeit von China verringert werden kann.

Von Daniel Brössler, Berlin

Der Termin steht. Vom 13. bis 15. September soll in Leipzig ein EU-China-Gipfel steigen, den die Bundesregierung als strahlenden Höhepunkt der im Juli beginnenden EU-Ratspräsidentschaft vorgesehen hat. Das war vor der Corona-Krise, aber von einer Absage ist auch jetzt nicht die Rede. Für den Fall, dass die Pandemie im September noch nicht ausreichend eingedämmt sein sollte, um eine Großveranstaltung mit bis zu 30 Staats- und Regierungschefs verantworten zu können, gehen die Überlegungen eher in Richtung einer Videokonferenz.

Aus Sicht der Berliner Politik hat der Gipfel sogar eher noch an Bedeutung gewonnen. Der Gipfel bleibe eine wichtige Wegmarke, betont der Vize-Fraktionschef der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul. Bis dahin gelte es, "die Zeichen der Zeit zu erkennen", sagt er. "Die Corona-Krise sollte uns darin bestärken, europäische Souveränität anzustreben", fordert der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid.

Schon jetzt zeichnet sich ab, wie sehr die Pandemie die außenpolitischen Debatten fortan prägen dürfte. Erschreckt haben Politiker aus Koalition wie Opposition wahrgenommen, dass China zuletzt handlungsfähig wirkte, während Europa sich schwer tat. "Man muss Chinas Mundschutz-Diplomatie hinterfragen. Das ist mehr Symbolik als wirkliche Hilfe", sagt der außenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour. Zuzugeben sei jedoch, "dass wir in der Symbolik ganz schlecht waren in den vergangenen Tagen".

Merkel: Europa kann es sich nicht leisten, in wichtigen außenpolitischen Fragen auseinanderzufallen

Ähnlich sieht es Wadephul. Er beklagt "chinesische Propaganda, die die Herkunft des Virus vertuschen" solle. "Wir werden lernen müssen, darauf zu reagieren. Da sind wir noch etwas unbeholfen", sagt er. Weit verbreitet ist in Berlin das Gefühl, dass den Chinesen mit ihren Hilfslieferungen ein PR-Coup gelungen ist, der vergessen machen soll, dass auch sie zu Beginn der Epidemie in Wuhan europäische Hilfe erhielten - und wie überfordert zu Beginn China selbst reagierte. "Am Anfang hat sich die Schwäche eines Systems gezeigt, das keine Fehlerkorrektur zulässt", sagt Nouripour. Gerade wegen dieser Schwäche würden sich die Chinesen nun auf den "offenen Systemwettbewerb" besinnen.

Dieser Wettbewerb an sich ist nicht neu. Schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie plädierten Wirtschaftsverbände wie Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) dafür, China als "systemischen Rivalen" zu erkennen und entsprechend zu handeln. Zum Teil erbittert geführt wurde die Debatte um die Risiken einer Beteiligung des chinesischen Huawei-Konzerns am Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes in Deutschland.

Eine "Lex Huawei" lehnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ab, befürwortete aber hohe Hürden. Vor dem Hintergrund einer "sich rasant verändernden globalen Lage" könne sich Europa ein Auseinanderfallen in wichtigen außenpolitischen Fragen nicht weiter leisten, hatte Merkel überdies im vergangenen Oktober gemahnt. Das zielte auch auf die durchaus erfolgreichen Versuche Chinas, im Format "17 plus 1" Fuß in Europa zu fassen und mit Investitionen im Rahmen der "Seidenstraßen"-Initiative Einfluss zu gewinnen auf östliche und südliche Mitglieder und Kandidaten der EU. Auch das gehört zur Vorgeschichte des etwas theatralisch inszenierten Danks vom serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić für die chinesische Hilfe, verbunden mit dem Abschied vom "Märchen" europäischer Solidarität.

"Wenn nötig, muss der Staat das finanzieren"

"Wir sehen, dass China sich als Retter geriert, und müssen zeigen, dass wir in Europa in der Lage sind, zu helfen", fordert der SPD-Mann Schmid. Es gehe nun darum, "Handlungsfähigkeit in der Krise zu zeigen". Darüber hinaus müsse die EU, dort wo China mit Investitionen locke - etwa in griechischen Häfen - Alternativen bieten, verlangt der CDU-Außenpolitiker Wadephul. Nun müsse sich die von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen postulierte "geopolitische Kommission" beweisen. So schütze das "europäische Wettbewerbsrecht zum jetzigen Zeitpunkt nicht die europäische Produktion". Um chinesischer Konkurrenz zu begegnen, müsse es möglich sein, die Fusion von Unternehmen zu "großen Playern" zu erlauben.

Sowohl Wadephul als auch Schmid verweisen als Lehre aus der Pandemie auf die Abhängigkeit von chinesischen Lieferungen - sei es bei Beatmungsgeräten oder Schutzmasken. "Es kann sein, dass wir in Zukunft bereit sein müssen, einen höheren Preis zu bezahlen, damit bestimmte Dinge hier hergestellt werden", sagt Wadephul. "Offen sein" müsse man auch "für die Frage, ob es in bestimmten essenziellen Bereichen eine staatliche Beteiligung geben muss". Für eine "Corona-Wirtschaft" in der akuten Krise plädiert Schmid. "Was fehlt, müssen wir produzieren. Es stehen Maschinen still, die umgerüstet werden können. Wenn nötig, muss der Staat das finanzieren", fordert er.

Die FDP will im Kampf gegen Corona Taiwan mehr einbeziehen - auch gegen den Willen Chinas

In der Abhängigkeit von chinesischen Lieferungen sieht auch der FDP-Abgeordnete Johannes Vogel ein Problem, aber er fürchtet Versuche, nun im Sinne von US-Präsident Donald Trump Teile der Globalisierung zurückzudrehen. "Das wäre ein historischer Fehler der Menschheit", warnt er. "Wenn wir die Abhängigkeit von China verringern wollen, sollten wir zum Beispiel stärker auf Lieferungen aus den asiatischen Demokratien setzen", schlägt er vor. Außerdem müssten für den Pandemiefall größere Vorräte notwendiger Güter angelegt werden.

Als Sofortmaßnahme in der Pandemie verlangt die FDP von der Bundesregierung nun in einer besonders heiklen Frage, sich chinesischem Druck zu widersetzen. Im Bundestag brachte sie einen Antrag ein, der darauf abzielt, das im Kampf gegen Covid-19 besonders erfolgreiche Taiwan in die Bemühungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einzubeziehen. Die WHO lehnt das unter chinesischem Druck bisher kategorisch ab. "Das ist unverantwortlich und schlicht dumm", kritisiert das der FDP-Bundestagsabgeordnete Ulrich Lechte. Die Covid-19-Pandemie sei "zu dramatisch, um sie für politische Machtspiele auszunutzen".

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