Agnetha Fältskog zum 70.:Diese robuste Verletzlichkeit

Abba In The Hague

Ihr Sopran besaß früh eine Festigkeit, die dem Alter vorauszugreifen schien: Agnetha Fältskog 1976.

(Foto: Redferns)

Mit Abba wurde die schwedische Sängerin, Komponistin und Produzentin Agnetha Fältskog weltberühmt. Jetzt wird sie 70 - und zeigt noch immer eine wohltuende Distanz zu sich selbst.

Von Thomas Steinfeld

Im März 1970 veröffentlichte Agnetha Fältskog, damals 19 Jahre alt und Telefonistin in einem Autohaus in der schwedischen Provinz, einen Schlager mit dem Titel "Om tårar vore guld" ("Wenn Tränen Gold wären"). Die muntere Melodie floss im Dreivierteltakt dahin, der Text war von erschütternder Schlichtheit: "Die Vögel singen, die Blumen blühen auf, / Alles ist, wie es vorher war, / Aber du bist nicht da ..." Die Sopran-Stimme allerdings, die da sang, besaß eine Festigkeit, die dem Alter vorauszugreifen schien. Bis auf den dritten Platz der schwedischen Hitparade gelangte Agnetha Fältskog mit dem Lied.

Wenn sich ältere Schweden heute an die frühen Schlager erinnern von der Agnetha, die später zu einem der größten Popstars der Welt wurde, fällt ihnen meist ein Bild von Reinheit ein, und selbst Kritiker kommen beim Hören dieses Lieds mit Vergleichen wie "Sommerwiese" oder "Gebirgsbach". Dabei muss schon in diesen Anfängen offensichtlich gewesen sein, dass dieses vermeintlich zarte Wesen von einiger Robustheit war.

Als Abba im Herbst 1979 im Wembley-Stadion auftrat - sechsmal, an sechs Abenden hintereinander -, wurde Agnetha Fältskog von Björn Ulvaeus als "a good old friend of mine" vorgestellt, "the blonde one". Zu diesem Satz haben Abba-Philologen viel zu sagen: Es kündigt sich darin nicht nur das Ende des Quartetts an, nach sieben Jahren, sondern auch das Ende der Ehe mit Björn Ulvaeus. Zudem klingt in den wenig taktvollen Worten "die Blonde" auch die feste Verteilung der Rollen in dieser Gruppe an, in denen die Männer die Komponisten waren, die sich im Hintergrund hielten, während die beiden Frauen, der Sopran und der Mezzo, die strahlende Unschuld und das dunkle Wesen, an die Rampe traten.

Und der Satz klingt, als wäre mehr dazu nicht zu sagen. Dabei hatte Agnetha Fältskog ein Künstlerleben vor Abba gehabt, nicht nur als Sängerin, sondern auch als Komponistin und Produzentin. Und sie hatte auch ein Leben nach Abba, in dem es einige Soloalben gab, vor allem aber ein zurückgezogenes Dasein, das sie erkennbar nicht als Einschränkung, sondern als Befreiung erfährt und worin sie in Würde zu altern scheint.

Dem Schlager gilt ein Missverständnis: dass Leichtigkeit nicht nur mit Harmlosigkeit zusammenfällt, sondern auch mit Affirmation, womöglich von allem und jedem, aufbereitet für den schnellen Konsum, auf der Höhe aller Möglichkeiten zur kommerziellen Verwertung.

Dabei muss man nur genau hinsehen und hinhören, beim auch gesanglich eher anspruchsvollen Lied "Lay All Your Love On Me" aus dem Jahr 1981 zum Beispiel: Agnetha Fältskog offenbart darin eine Verletzlichkeit, die ohne den stampfenden Beat und den breiten Klang der Synthesizer kaum zur Geltung gekommen wäre. Sie gewinnt durch die Form des Schlagers, so wie das Pathos des Verses "a grown up woman should never fall so easily" ("Eine erwachsene Frau sollte sich nicht so einfach hingeben") gesteigert wirkt durch den Umstand, dass der Refrain einem protestantischen Choral nachgebildet ist. In solchen Brechungen verbirgt sich eine nicht nur in der Musikindustrie erstaunliche Distanz zu sich selbst. Am kommenden Sonntag wird Agnetha Fältskog, der zurückhaltende Star, 70 Jahre alt.

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