Coronavirus und Alltag:Später duschen dank Corona

Corona und Alltag

Ach, duschen kann so herrlich sein - vor allem, wenn man dafür nicht um sechs Uhr aufstehen muss.

(Foto: Florian Peljak)

Die Krise ändert vieles - auch den Wasserverbrauch der Menschen in Berlin. Sie wollen mit ihrem neuen Duschverhalten vermutlich eine Botschaft aussenden.

Von Martin Zips

Es ist ein paar Jahre her, da gab es eine total interaktive Fernsehsendung, die "Wünsch Dir was" hieß. Da wurden Familien in ein Auto gesetzt und in einem Swimmingpool versenkt oder mussten sich darüber austauschen, was von der durchsichtigen Bluse der Tochter moralisch zu halten sei, und am Ende durften die TV-Zuschauer darüber abstimmen, wer gewonnen hat.

Weil es damals noch kein Internet gab, hatten sich die Macher der Fernsehsendung das hier überlegt: Die Bürger einer ausgewählten Stadt sollten ins Badezimmer gehen und für die Familie ihrer Wahl die Toilettenspülung betätigen. Anschließend informierte ein Mitarbeiter der Wasserwerke die Moderatoren Dietmar Schönherr und Vivi Bach darüber, bei welchen Kandidaten der Wasserverbrauch am höchsten war. Und die gewannen dann.

Gut, das war echt lange vor Greta Thunberg und glücklicherweise gab es schon in den 1980ern bei "Wetten, dass..?" mit TED ein deutlich ressourcenfreundlicheres Voting-Verfahren. Und doch musste man jetzt noch einmal an "Wünsch Dir was" denken, als die Berliner Wasserbetriebe ihre ganz eigene Corona-Kurve twitterten. Auch dort spielte der Wasserverbrauch eine Rolle, allerdings der Wasserverbrauch in Zeiten des Home-Office.

Und siehe da: Die Berliner duschen morgens weiterhin (wie beruhigend in Zeiten von Mundschutz und Mindestabstand). Allerdings duschen sie anderthalb Stunden später als früher, oder, um mit den Berliner Wasserbetrieben zu sprechen: "Hunderttausende Homies verschieben morgendliche Wasserspitze".

Gar nicht so übel

Könnte es sich dabei vielleicht um ein Abstimmungsverhalten handeln? Möchten die Berliner damit sagen, dass sie es bei aller pandemischer Tragik und finanzieller Unsicherheit gar nicht so übel finden, ihre Kinder nicht schon um halb sieben Uhr morgens in die Schule prügeln zu müssen?

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Heißt das, dass den Menschen ihre morgendliche Reise in überfüllten Verkehrsmitteln gar nicht so sehr abgeht? Dass sie gerne auch in Nach-Corona-Zeiten schlafend ihr Immunsystem stärken oder (gemütlich bei einer Zeitung) ihren Kaffee trinken würden, bevor sie das Einzige tun, was sie tatsächlich vom Tierreich abhebt? Mit Duschgel und "Sanfte Hafermilch"-Shampoo unter die Baumarkt-Erlebnisdusche zu steigen?

Ja, das könnte sein. Und so gibt es am Ende doch noch Hoffnung für den von Zivilisation und Kapitalismus restlos degenerierten Menschen.

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