Internationaler Fußball:Drohung an Europas Ligen

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Uefa-Präsident Aleskander Ceferin ist von den Vorgängen in Belgien nicht begeistert. (Foto: Peter Dejong/AP)
  • Die belgische Liga will die Saison abbrechen und den FC Brügge zum Meister erklären.
  • Der Vorschlag schreckt die Uefa auf. Der Verband fürchtet, dass andere Länder nachziehen könnten - und droht.

Von Javier Cáceres, Berlin

Was auch immer noch passieren mag, eines werden sie Bernd Storck, dem Trainer von Cercle Brügge, nicht nehmen können. Die Feier eines Erfolgs, den man ein "Wunder" nennen kann, wie sie es in Belgien taten. Am 7. März gastierte Storcks Elf beim Lokalrivalen FC Brügge, und auch wenn sie dort 1:2 verlor, gelang der Klassenerhalt - und damit die Grundlage für eine Cercle-Feier, bei der viel Bier geflossen sein soll. Eigentlich war es der vorletzte Spieltag der Saison. Doch dass der 30. und letzte Spieltag noch gespielt wird, ist unwahrscheinlich. Denn am Donnerstag schlug der Verwaltungsrat der Liga vor, die Saison sofort abzupfeifen. Und den FC Brügge, der 15 Punkte Vorsprung auf den vom Deutschen Hannes Wolf trainierten Vorjahressieger KRC Genk hat, zum Meister auszurufen.

Der Zeitung De Standaard war die Neuigkeit kaum mehr als eine halbe Zeitungsspalte wert - was unter anderem daran lag, dass die Entscheidung am 15. April durch die Generalversammlung der Liga erst formell gefasst werden muss. Die Nachrangigkeit, die dem Abpfiff in Belgien eingeräumt wurde, stand jedoch in krassem Missverhältnis zur Reaktion der Fußballindustrie. Dort setzten die Verantwortlichen sofort einen Brandbrief auf. Aus Angst davor, dass die belgische Entscheidung Schule machen könnte. Das Dokument, das von den Vorsitzenden der europäischen Fußball-Union Uefa, der Klubvereinigung ECA und der europäischen Ligaverbände EL unterzeichnet wurde, pocht auf die reguläre Beendigung der aktuellen, allerorts wegen der Corona-Krise unterbrochenen nationalen Meisterschaften.

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"Es ist von größter Bedeutung, dass ein disruptives Ereignis wie diese Pandemie unsere Wettbewerbe nicht daran hindert, auf dem Feld entschieden zu werden", heißt es in dem von Alexander Ceferin (Uefa), Andrea Agnelli (ECA) und Lars-Christer Olsson (EL) unterschriebenen Papier. Es gipfelt in einer Drohung: "Die Uefa behält sich das Recht vor, die Zulassung von Klubs zu den Uefa-Vereinswettbewerben 2020/21 (...) zu prüfen." Ceferin übersetzte dies im ZDF: "Die Belgier und andere, die jetzt vielleicht darüber nachdenken, riskieren ihre Teilnahme am Europapokal in der nächsten Saison." Wie real die Angst vor weiteren Saisonabbrüchen ist, zeigt das Beispiel der Niederlande. Vertreter von Ajax Amsterdam, Feyenoord Rotterdam, AZ Alkmaar und PSV Eindhoven plädieren dort bereits für einen Abbruch der Eredivisie.

Es bleibt das Gefühl, eine unmögliche Mission erfüllt zu haben

Eigentlich sind in Belgien sogar noch Playoff-Spiele angesetzt. Die aber wären finanziell vergleichsweise unattraktiv, Fernsehgelder spielen eine weitaus geringere Rolle als zum Beispiel in Deutschland. Da die Abstiegs-Playoffs - in denen Storcks Cercle Brügge kaum Gefahr liefe, die Erstligazugehörigkeit zu verlieren - wenig Publikum anziehen, wäre ein Abbruch auch am Tabellenende nicht allzu schmerzhaft. Allerdings hätten noch einige Klubs die Chance, sich für den Europacup zu qualifizieren, diese könnten sich gegen den Abbruch sperren. Wie der Abstieg geregelt wird, muss besprochen werden, gleiches gilt für den Aufstieg. Im Gespräch ist eine Aufstockung der Liga von zurzeit 16 auf dann 18 oder 20 Teams.

Begründet wird der Abbruch mit den Risiken durch Corona. Doch Saisonabbrüche werden von Uefa, ECA und EL als "verfrüht und nicht gerechtfertigt" bezeichnet - als "letztes Mittel". Es seien Arbeitsgruppen eingesetzt worden, "um die legalen, regulatorischen und finanziellen Konsequenzen einer potenziellen Ausdehnung des Kalenders über den 30.6. hinaus" zu prüfen. Man sei allerdings "optimistisch, dass der Fußball in den kommenden Monaten wieder beginnen kann - unter den Bedingungen, die von den Behörden diktiert werden müssen".

Dass die Spielzeit so abrupt ende, "fühlt sich seltsam an", sagt Trainer Storck am Telefon, man ist "so machtlos". Es bleibt aber das Gefühl, eine unmögliche Mission erfüllt zu haben, nach vier Siegen aus den letzten fünf Spielen. Schon im Vorjahr hatte Storck ein ähnliches Mirakel vollbracht. Nachdem er Royal Excel Mouscron mit null Punkten im Oktober übernahm, hielt der Klub die Klasse. Dies war die Empfehlung für Cercle, eine Filiale des AS Monaco. Der Klub aus dem Fürstentum stellte eine Reihe von Leihspielern zur Verfügung - und Storck, 57, der mit Ungarn bei der EM 2016 in Frankreich aufhorchen ließ, lässt wieder guten Fußball spielen. Sein Vertrag läuft aus. Eigentlich sollten jetzt Gespräche über die Zukunft beginnen.

© SZ vom 04.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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