Schüler in Erding:Abgeschnitten vom Netz

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Schüler sollen derzeit übers Internet lernen. Für viele Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien gibt es da allerdings ein Problem: In den Unterkünften werden Wlan-Router nicht zugelassen

Von Florian Tempel, Erding

Seit die Schulen wegen Corona geschlossen sind, gilt wie selbstverständlich, dass Schülerinnen und Schüler auf digitalem Weg mit Aufgaben und Material zum eigenständigen Lernen versorgt werden. Das Homeschooling via Internet ist zwar ein nur sehr bedingter und rudimentärer Ersatz für richtigen Schulunterricht. Immerhin ist er aber überhaupt ein Ansatz. Für viele Kinder und Jugendliche, die in Asylunterkünften wohnen, gilt auch das nur eingeschränkt. Nach wie vor ist es im Landkreis Erding prinzipiell nicht erlaubt, dass in einer Flüchtlingsunterkunft ein Wlan-Router installiert wird. In den Zeiten von Ausgangssperren und geschlossener Schulen wird dieser schikanöse Umstand als Missstand deutlicher denn je.

In den beengten Gegebenheiten einer Flüchtlingsunterkunft für die Schule zu lernen, war noch nie einfach. Familien wohnen oft besonders eng aufeinander. Fünf Menschen auf weniger als 20 Quadratmeter, das ist kein Einzelfall. In den Unterkünften gebe es zwar oft auch Gemeinschaftsräume, sagt Margot Hoigt, die Vorsitzende der Aktionsgruppe Asyl Erding (AGA), doch da tummeln sich dann eben wirklich alle. In Ruhe Hausaufgaben machen oder für die Schule büffeln, sei so kaum möglich.

Hoigt war gerade daran, für Schüler aus Flüchtlingsfamilien in Erding eine Lösung zu finden. Sie hatte direkt mit Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) verhandelt und vereinbart, dass ein ungenutzter Unterrichtscontainer am Klinikum, in dem früher Krankenpflegeschüler ihre Kurse hatten, zu einem "Studierzimmer" für Flüchtlinge werden sollte. "Es war gerade in trockenen Tüchern", sagt Hoigt, "wir hätte es eigentlich nur noch einrichten müssen." Dann kam das Coronavirus dazwischen. In dem Studierzimmer am Klinikum hätten neben Tischen, Stühlen und Regalen vor allem eben auch Computer, Monitore und Drucker stehen sollen, natürlich mit Internetanschluss. "Damit Flüchtlingskinder, die sich das Equipment nicht leisten können, zum Lernen dahin gehen", sagt Hoigt. Sie geht fest davon aus, dass die Idee des Studierzimmers nur aufgeschoben ist und zu einem späteren Zeitpunkt verwirklicht werden kann.

Da beim Corona-Homeschooling oft erst mal Übungs- und Aufgabenblätter ausgedruckt werden müssen, springen Hoigt und andere ehrenamtliche Helfer mit ihrer privaten Ausrüstung ein. "Die Aufgaben werden von Handy zu Handy gemailt, ich drucke sie bei mir aus und bringe sie rüber in die Unterkunft", sagt Hoigt.

Maria Brand, ehrenamtliche Asylberaterin von Amnesty International, hat schon seit Jahren immer wieder moniert, dass man Flüchtlingen in den Asylunterkünften nicht den Zugang zum Internet in bürokratischer Kleinkrämerei erschweren sollte. Nun hat sich Brand mit einer dringenden Appell an Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (FW) gewandt. Dass viele Kinder von Asylbewerbern und von anerkannten Flüchtlingen keinen Zugang zum Internet haben, "war bereits in der Vergangenheit eine echte Benachteiligung hinsichtlich Chancengleichheit bei der schulischen Bildung", schreibt Brand in ihrem Brief. Doch in den Wochen der Corona-Pandemie sei es ein "nicht hinnehmbarer Zustand, wenn nun diesen Kindern das Erlernen des Unterrichtsstoffes auf digitalem Weg verwehrt wird". Denn die Schulen gingen doch "inzwischen ganz selbstverständlich davon aus, dass die Schüler das Internet nutzen". Brand fordert Kultusminister Piazolo auf, darauf hinzuwirken, dass es grundsätzlich erlaubt wird, wenn sich Flüchtlinge "aus eigener Initiative und auf eigene Kosten" um einen Internetanschluss in ihrer Unterkunft bemühen.

Die Situation zur Internetnutzung in Flüchtlingsunterkünften ist in Bayern wie so vieles in der Asylpolitik von Kreis zu Kreis und Stadt zu Stadt sehr uneinheitlich. Nicht nur im Landkreis Erding wird Wlan in Asylunterkünften nicht zugelassen. So gibt es zum Beispiel auch im Landkreis Aichach-Friedberg "ein kategorisches Verbot durch den Landrat in den Unterkünften Internet zu installieren", hat Brand von dortigen Helfern erfahren. Nur wenige Kilometer nebenan im Landkreis Dachau schüttelt man über solche Verbote den Kopf. "Natürlich können unsere Asylbewerber in Stadt und Kreis Dachau sich den Zugang zum Internet erwerben", schreiben dortige Flüchtlingshelfer.

© SZ vom 04.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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