Kommunalwahl im Landkreis:Häufelkönige und Wählers Lieblinge

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Wer rechnet schon damit, dass die Wähler den Stift so weit unten auf dem Wahlzettel ansetzen?

(Foto: Imago/Panthermedia)

Ob Alt-Bürgermeister, Bäcker oder Frau Zwiefelhofer - bei der Kommunalwahl haben es wieder Kandidaten von ganz hinten nach weit vorne geschafft

Von K. Bachhuber, D. Bode, I. Hilberth, M. Mühlfenzl, M. Morosow, G. Passarge, U. Watter und S. Wejsada

Platz 24 klingt wenig erfolgversprechend. Und für Kandidaten, die ihrer Partei nur einen Gefallen tun wollen, aber nicht unbedingt ein Mandat im Gemeinderat anstreben, auch ziemlich ungefährlich. Wer rechnet schon damit, dass die Wähler den Stift so weit unten auf dem Wahlzettel ansetzen? Peter Paul Gantzer, der ehemalige Landtagsabgeordnete der SPD, nach eigenen Worten nicht. Da hatte er bei der Kommunalwahl allerdings die Rechnung ohne die Haarer gemacht. Die entdeckten den prominenten Namen am Ende der SPD-Liste und machten kräftig von ihrer Möglichkeit des Kumulierens Gebrauch. Gantzer bekam 2557 Stimmen, landete damit auf Rang zehn und damit im 30-köpfigen Gemeinderat - mit 81 Jahren. Häufelkönige wie Ganzer gibt es einige im Landkreis und auch Stimmen-Queens, die die Listen der Parteien auf den Kopf stellen.

Was hatten manche Parteifunktionäre gerungen, um die Reihung der Kandidaten auszutarieren: Männer und Frauen abwechselnd, Junge nach vorne, bekannte Namen nicht ganz verstecken. In Unterhaching hatte die CSU sogar noch einmal nachgebessert und dadurch einen handfesten internen Streit ausgelöst. Doch auch hier hat sich letztlich gezeigt: Der Wähler bleibt ein unberechenbares Wesen, er machte auch bei dieser Kommunalwahl von seinem Recht, Stimmen zu kumulieren und zu panaschieren, das heißt einzelnen Kandidaten quer über die Listen bis zu drei Stimmen zu geben, rege Gebrauch. Richard Raiser, auf der ursprünglichen CSU-Liste auf Platz neun, bei der endgültigen Aufstellung auf Platz fünf, wurde schließlich Stimmenkönig der CSU - noch vor Bürgermeisterkandidatin Renate Fichtinger. Hier - sortiert nach Gemeinden - die Hitliste der Wähler-Lieblinge.

Baierbrunn

In Baierbrunn zeigt sich gleich an zwei Persönlichkeiten, dass man als "Grande Dame" der Lokalpolitik das Feld von hinten aufrollen kann. Die langjährige Bürgermeisterin Christine Kammermeier, die von 1987 bis 2008 Rathauschefin war, schaffte es, von Platz zwölf der SPD-Liste auf Rang drei. Und da die Baierbrunner Sozialdemokraten insgesamt drei Sitze errangen, reichte es zum Einzug in den neuen Gemeinderat. Kammermeier, die zwischendurch in München lebte, ist vergangenes Jahr wieder nach Baierbrunn gezogen und will sich jetzt mit ihrer kommunalpolitischen Erfahrung erneut im Ort engagieren. Noch beeindruckender war das Ergebnis von Christine Zwiefelhofer von der Überparteiliche Wählergruppe. Auf Platz 16, dem letzten Platz der ÜWG gelistet, erhielt Zwiefelhofer, die auch aktuell im Gemeinderat sitzt und sich dort mit ihrer pfeilgraden, rührigen Art einbringt, die drittmeisten Stimmen (819) ihrer Fraktion. "Sie hat anderen großzügig den Vortritt gelassen, aber insgeheim schon gehofft, dass sie es wieder schafft", erklärt der amtierende Bürgermeister Wolfgang Jirschik, ebenfalls von der ÜWG.

Garching

Eindeutiger Häufelkönig in der Universitätsstadt ist Alfons Kraft von den Bürgern für Garching. Der 81-Jährige ist von Platz neun auf Platz eins vorgewählt worden und hat damit sogar mehr Stimmen bekommen als Listenführer und Bürgermeisterkandidat Norbert Fröhler. Kraft, ein gebürtiger Garchinger, der von 1964 bis 2002 als technischer Leiter im Bauamt gearbeitet hat und seit 2014 Zweiter Bürgermeister ist, ließ sich bewusst hinten aufstellen, um den Jüngeren den Vortritt zu lassen. Er habe es mit dem Neuen Testament gehalten, wonach Jesus bei einer Hochzeitsgesellschaft gesagt habe, man solle sich nicht gleich auf den Ehrenplatz setzen. Es könne ja sein, dass eine vornehmere Person komme. "Wenn dann der Gastgeber kommt, wird er zu dir sagen: ,Lieber Freund, komm, nimm weiter oben Platz!' So wirst du vor allen geehrt, die mit dir eingeladen sind."

Haar

Für Peter Paul Ganzer, 81, hielt diese Kommunalwahl gleich zwei Überraschungen bereit. Er hatte seine politische Laufbahn eigentlich beendet und war nur auf Bitten von SPD-Bürgermeisterin Gabriele Müller, mit deren Wiederwahl er fest rechnete, auf die Liste gegangen. Am Ende war Müller abgewählt und Gantzer im Gemeinderat. Übrigens ein Gremium, in dem er noch nie saß, im Kreistag und Landtag hingegen sehr lange. Er habe noch überlegt, ob er das Mandat annehmen solle, habe sich nach der Niederlage in der Bürgermeisterstichwahl aber dafür entschieden und sagt: "Die SPD braucht mich jetzt."

Ismaning

Nur Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) hat mehr Stimmen bekommen als seine Parteifreundin Luise Stangl. Die 68-Jährige, die in der zu Ende gehenden Wahlperiode das Amt der Dritten Bürgermeisterin bekleidet, kann sich mit 5662 Stimmen über einen großen Zuspruch in Ismaning freuen. Die Mutter von zwei Kindern und Bildungsbeauftragte bei der Katholischen Arbeitnehmerbewegung ist damit den in sie gesetzten Erwartungen gerecht geworden. Dagegen musste die Ismaninger CSU-Bürgermeisterkandidatin Annette Reiter-Schumann Fraktionssprecher Peter Aurnhammer und den zweiten Bürgermeister Johann Zettl an sich vorbeiziehen lassen. Gewohnt viele Stimmen erreichte der FW-Landtagsabgeordnete Nikolaus Kraus.

Neubiberg

Dass die Wähler in Neubiberg Norbert Strama von Platz zwölf auf Platz vier vorgehäufelt haben, ist eigentlich kein Wunder. Am Ort kennt man den Schuhmachermeister, der seit 2008 für die Freien Wähler im Gemeinderat sitzt. Dabei wollte Strama gar nicht unbedingt. "Ich war nicht erpicht darauf, noch einmal gewählt zu werden", sagt er. Seine Frau sei krank, er müsse sich um sie kümmern. Strama ließ sich auf einem hinteren Platz aufstellen, damit Bürgermeisterkandidat Reiner Höcherl jene vorne platzieren konnte, die ihm im Wahlkampf halfen. Nun freut er sich aber dennoch. "Es ist ja ein Vertrauensbeweis", sagt der 64-Jährige, der seinen Weg im Gemeinderat weitergehen will. "Ich bin immer meine Linie gefahren, die ich für die Gemeinde für richtig gehalten habe."

Oberhaching

Die SPD in Oberhaching wollte ihre Fraktion im Gemeinderat eigentlich verjüngen, deshalb setzte sie den 30-jährigen Simon Schick hinter ihre 60 Jahre alte Bürgermeisterkandidatin Margit Markl auf Rang zwei. Doch es kommen nur zwei Sozialdemokraten hinter Markl in den Gemeinderat: Leopold Reiter, 74, und Erwin Knapek, 77 - sie zogen an Schick vorbei. Beide sind bekannt, Knapek war einst Bürgermeister von Unterhaching, Reiter ist Fuhrunternehmer. "Eigentlich wollte ich den Jüngeren mal den Vortritt lassen", sagt Knapek. Natürlich freut er sich, dass die Wähler ihm noch einmal das Vertrauen geschenkt haben, und so nimmt er sein Mandat auch an. Ob er die ganzen sechs Jahre im Gremium bliebt, lässt er offen. Erster Nachrücker wäre Simon Schick.

Oberschleißheim

Exakt vor 50 Jahren, 1970, zog Peter Benthues (CSU) zum ersten Mal in ein kommunalpolitisches Gremium ein: den Münchner Bezirksausschuss für Laim. Seit 1990 sitzt er im Oberschleißheimer Gemeinderat und darf dort nun bei der konstituierenden Sitzung im Mai schon zum zweiten Mal als ältester Gemeinderat einen neuen Bürgermeister vereidigen. Der 82-Jährige ist für weitere sechs Jahre gewählt. "Wenn die Partei ihn ruft", werde er noch einmal kandidieren, hatte Benthues vor der Kommunalwahlen signalisiert. Sechsmal wurde der gebürtige Schlesier gewählt, der 1981 mit seiner Familie in die Gemeinde zog, seit 30 Jahren gehört er dem Gemeinderat an.

Ottobrunn

Matthias Klebel hat der Seitenwechsel ganz offensichtlich nicht geschadet. Wenige Wochen vor der Kommunalwahl war der Gemeinderat aus Unzufriedenheit mit der Amtsführung von Bürgermeister Thomas Loderer von der CSU zur Bürgervereinigung Ottobrunn (BVO) gewechselt. Der Leiter einer Firma für Garten- und Landschaftsbau war eigentlich wenig aussichtsreich auf Platz acht der BVO-Liste gesetzt - im alten Gremium hat die Gruppierung vier Sitze, im neuen nur noch drei; dennoch wird Klebel auch diesem angehören. Er wurde auf Platz zwei vorgewählt. Mehr Stimmen holte nur BVO-Fraktionsvorsitzende Erika Aulenbach.

Pullach

Für Arnulf Mallach (SPD) war sein persönliches Ergebnis bei der Wahl in Pullach eine Punktlandung. Auf Platz 19 angetreten, wurde er von den Wählern auf den dritten Platz vorgehäufelt. Ein Traumergebnis, weil seiner Meinung nach der Wähler seine bisherige Arbeit im Gemeinderat honoriert hat. Ein Wunschergebnis aber auch, weil der dritte Platz bei nur noch zwei Sitzen für die SPD nicht reicht für ein weiteres Mandat - was in seinem Sinne ist. Mallach will für seine Familie politisch kürzer treten. Jetzt ist er erster Nachrücker, für den Fall, dass ein SPD-Kollege ausscheidet. Ganz anders verhält es sich mit dem Häufelkönig der Pullacher CSU, Uwe Eisenmann, Ehemann der in der Stichwahl gegen Susanna Tausendfreund (Grüne) gescheiterten Bürgermeisterkandidatin. Er schnellte vom letzten Platz 20 auf sechs vor. Dass er jetzt im Gemeinderat sitzen wird, hat nicht unwesentlich damit zu tun, dass seine Frau das ihr zustehende Mandat ablehnte - sie hätte sonst ihren Job im Bauamt niederlegen müssen.

Sauerlach

Von der CSU auf Listenplatz elf gesetzt, bis auf den dritten Platz nach vorne gehäufelt und jetzt Mitglied des Gemeinderates - Roman Richter aus Sauerlach freut sich über diesen Coup, hat er doch tatsächlich Lust auf Kommunalpolitik und wollte nicht nur die Liste komplettieren. Ein wenig gerechnet habe er schon damit, dass er nach vorne rücken würde, weil er durch seinen Elektro-Meisterbetrieb recht bekannt sei. "Dass es so extrem wird, habe ich aber nicht geglaubt", sagt der 31-Jährige.

Taufkirchen

Als Bäckermeister Christoph Götz 2008 erstmals für den Gemeinderat kandidierte, weil die CSU ihn überredet hatte, sorgte er bereits landkreisweit für eine Sensation: vom vorletzten Platz häufelten ihn die Wähler auf Rang sechs vor und direkt in das Gremium. Manche habe das damals geärgert, sagt Götz, zumal er gar keine Werbung für sich gemacht hatte. Seither gilt der Taufkirchner Bäcker als lokaler Häufelkönig. Auch dieses Mal schaffte er es von Rang 14 auf Position zwei direkt hinter Bürgermeister Ullrich Sander. Eine Riesenüberraschung war das nicht mehr, "man kennt mich eben im Ort", sagt der 73-Jährige, der sein Mandat auch verteidigen wollte, weshalb er froh war, bei der Aufstellung Fürsprecher gehabt zu haben, ihn nicht ganz hinten auf die Liste, sondern wenigstens in der Mitte zu platzieren.

Unterföhring

Aus dem Stand gleich in den Gemeinderat: In Unterföhring haben das Saran Diané, 18, für die Grünen und Claudia Leitner, 46, für die CSU geschafft. Letztere wurde von Platz 19 auf vier vorgehäufelt und hat damit die amtierende Gemeinderätin Marianne Rader, 56, aus dem Gremium gekegelt. Leitner ist kommunalpolitisch ein unbeschriebenes Blatt, hat als stellvertretende Kreisbäuerin aber, was landwirtschaftliche Themen anbelangt, Erfahrung. Dies soll auch ihr Schwerpunkt im Gemeinderat werden. Die 18-jährige Abiturientin Saran Diané, die im Pfarrgemeinderat und der Blaskapelle engagiert ist, schaffte es von Platz neun in die neue vierköpfige Grünen-Fraktion.

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