Profil:Manuela Schwesig

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(Foto: Jens Büttner/dpa)

Risikopatientin im Einsatz für harte Corona-Regeln.

Von Peter Burghardt

Manuela Schwesig musste schon auf Abstand gehen, als Corona noch kein Thema war. "Knuddelverbot", nennt es die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern - sie wird seit einem guten halben Jahr wegen ihrer Brustkrebserkrankung behandelt. Nun, in Zeiten von Covid-19, verlangt die SPD-Politikerin auch von ihren Landsleuten so entschiedene Distanz, dass es manchem Kritiker zu viel wird. "Schaut euch diese krassen Fotos an!", twitterte Schwesig vor ein paar Tagen und riet das vor allem jenen, "die sich fragen, ob unsere Maßnahmen übertrieben sind". Es waren Fotos aus einer überfüllten Intensivstation in der norditalienischen Stadt Bergamo.

Dennoch fragt sich der eine oder andere Betroffene und Beobachter, ob das dünn besiedelte Bundesland im deutschen Nordosten mit seinem Reglement nicht über das Ziel hinausschießt. Für den Tourismus ist Deutschlands beliebteste Ferienregion wegen der Pandemie gesperrt, die Polizei kontrolliert. Auch Zweitwohnungsbesitzer aus der Fremde mussten vorübergehend abziehen. Über die Osterfeiertage sind sogar Einheimischen Ausflüge an die Ostsee oder die Seenplatte verboten. "Niemand muss auf den Osterspaziergang verzichten", sagt Schwesig, doch möge man diesen bitte nahe der eigenen Wohnung machen.

Die meisten Leute hielten sich doch an die Regeln, entgegnet die Grünen-Landesvorsitzende Ulrike Berger. Deshalb müsse man den Menschen doch jetzt nicht noch vorschreiben, wo sie allein durch den Wald oder am Strand spazieren gehen dürften. Mecklenburg-Vorpommern mit seinen 1,6 Millionen Bewohnern verzeichnet, Stand Sonntag, laut Robert-Koch-Institut 523 gemeldete Fälle von Covid-19. Das sind 32 pro 100 000 Einwohner, die niedrigste Quote aller Bundesländer.

Dass die Lage schlimmer wird, will Schwesigs rot-schwarzes Kabinett verhindern, unter Androhung von Bußgeldern und mit dem Angebot von Hilfe für jene, die unter den rigiden Vorschriften leiden. Die Ministerpräsidentin kennt den Preis. Sie weiß, dass ihr Bundesland von Urlaubern lebt, 34 Millionen Übernachtungen waren es 2019. Ein Milliardengeschäft mit derzeit enormen Verlusten. Aber Schwesig kennt auch besonders genau den Wert von Gesundheit.

Regierungschefin wurde Schwesig im Juli 2017, nachdem ihr Vorgänger Erwin Sellering den Posten wegen eines Tumors aufgegeben hatte. Sie räumte ihr Büro als Bundesfamilienministerin in Berlin und kehrte zurück nach Schwerin, wo sie schon Stadtvertreterin und Landesministerin gewesen war. Schwesig zählte zum engsten Führungskreis der kriselnden Sozialdemokratie, als SPD-Vize und zwischenzeitlich gemeinsam mit Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel als kommissarische SPD-Vorsitzende. Dann machte sie im September 2019 öffentlich, an Brustkrebs erkrankt zu sein. Ihre Bundesparteiämter legte sie nieder, Mecklenburg-Vorpommern und die Landes-SPD führt sie weiter an. Nun kämpft sie gegen die Ausbreitung von Corona - und ist, obwohl erst 45, selbst Risikopatientin.

Sie halte sich bereits seit einem halben Jahr an die Regeln, die jetzt für alle gelten, sagt Schwesig. Den Großteil ihrer Krebstherapie habe sie hinter sich, ihr Immunsystem sei "schon wieder wesentlich fitter." Klar, es bleibe ein Restrisiko, aber Schwestern, Ärzte oder Verkäufer hielten den Laden am Laufen, da müsse natürlich auch sie als Ministerpräsidentin präsent sein.

Ihr "Knuddelverbot" wurde also sozusagen landesweit eingeführt und verlängert. Quer durch das Touristenland Mecklenburg-Vorpommern, derzeit weitgehend ohne Urlauber. Mit Reden und Tweets schwört Schwesig ihre Landsleute auf den Ernst der Lage ein. Via Twitter empfiehlt sie mal ein Konzert des Mecklenburgischen Staatsorchesters im Netz und mal einen Videogruß von der Ostsee. Ostsee? "Hoffentlich", schreibt sie, "im Sommer wieder".

© SZ vom 06.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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