Online im Museum:Virtueller Blick in die Tiefe

Online im Museum: Ernst Ludwig Kirchners "Akt auf blauem Grund" zählt zu den gut 100 Bildern, die bislang auf der Homepage des Museums erkundet werden können.

Ernst Ludwig Kirchners "Akt auf blauem Grund" zählt zu den gut 100 Bildern, die bislang auf der Homepage des Museums erkundet werden können.

(Foto: Buchheim-Museum/oh (Repro))

Buchheim-Museum lädt zu Entdeckungen ein

Von Katja Sebald, Bernried

Das Buchheim Museum in Bernried ist wie alle anderen Museen in Bayern geschlossen. Mehr als hundert Gemälde und Druckgrafiken aus der Sammlung von Lothar Günther Buchheim kann man jedoch auf der Internetseite des Museums anschauen - und es werden täglich mehr. Schon seit Ende 2019 veröffentlicht das Museum im Zuge der Provenienzforschung Kunstwerke, zu denen bereits Forschungsergebnisse vorliegen. Jetzt sollen auch Bilder online gestellt werden, deren Herkunft noch nicht lückenlos recherchiert werden konnte. "So wollen wir den Besuchern die Vielfalt unserer Sammlung nach Hause bringen", sagt der Museumsdirektor Daniel J. Schreiber.

Der virtuelle Museumsrundgang ermögliche aber auch einen ganz neuen Blick in die Tiefe und das Schwelgen in Inhalten", erklärt er. Unter "Sammlung online" hat man mehrere Möglichkeiten, ein Bild näher zu betrachten: Man kann sich entweder über den Button "Galerie" von einer Zufallsauswahl inspirieren lassen oder unter "Expertensuche" gezielt in einer Liste recherchieren. Auf beiden Wegen gelangt man beispielsweise zu Ernst Ludwig Kirchners Gemälde "Akt auf blauem Grund" aus dem Jahr 1911. Buchheim kaufte es 1956 auf einer Auktion in Stuttgart, es trägt die Inventarnummer 7. Im selben Jahr ließ er sich in seinem damaligen Haus an der Wielinger Straße als stolzer Besitzer vor dem Kirchner-Gemälde fotografieren. Unter der Rubrik "Ausstellungen" erfährt man, dass das Bild um die ganze Welt gereist ist. Es wurde unter anderem in Paris, Madrid, Rom, Athen und Tel Aviv gezeigt, aber auch in Japan, in der Sowjetunion und in den USA.

Zu seinen Lebzeiten hatte Ernst Ludwig Kirchner das Bild nicht aus der Hand gegeben, es gelangte erst über den Nachlass in den Kunsthandel. Kein Wunder, zeigt es doch seine Muse und Geliebte "Dodo", die eigentlich Doris Große hieß. Klickt man auf ihren Namen neben dem Bild, gelangt man zu einem Foto, das die hübsche junge Frau mit einem auffälligen Hut zeigt. Nachlesen kann man nun, dass sie ihren Lebensunterhalt als Putzmacherin verdiente. Etwa seit 1909, so der Forschungsstand, tauchte sie in Kirchners Œuvre auf, nicht nur in Aktdarstellungen, sondern auch in sehr intimen Liebesszenen. 1911 zog Kirchner ohne seine Geliebte nach Berlin, ihre Spur verliert sich um das Jahr 1936.

Natürlich lässt sich auch über Kirchner selbst einiges erfahren. Wenn man auf seinen Namen neben dem Bild klickt, gelangt man zu seiner Biografie. Hier kann man sich über seine Rolle innerhalb der Künstlergemeinschaft "Die Brücke" informieren, über seine Dresdner und Berliner Jahre, seine freiwillige Teilnahme am Ersten Weltkrieg, seine psychische Instabilität, seine Alkohol- und Drogensucht, die zu mehreren Sanatoriumsaufenthalten, zur Übersiedelung nach Davos und schließlich zum Freitod im Jahr 1938 führen. Wer dann immer noch nicht genug hat, findet auch noch eine Liste mit Literatur zu Kirchner, einen Hinweis auf weitere seiner Werke in der Sammlung - und dann vielleicht auch schon das nächste Lieblingsbild oder den nächsten Künstler.

Die Provenienzforscher im Buchheim Museum sehen sich vor besonderen Herausforderungen: Im Unterschied zu öffentlichen Sammlungen verfügen Privatsammlungen selten über Inventarbücher. Zu seinen Lebzeiten war Lothar Günther Buchheim der alleinige Chronist und Interpret seiner Sammlungstätigkeit, viele Informationen wurden streng unter Verschluss gehalten. Erst nach dem Tod von Diethild Buchheim ging auch das Archiv an die Stiftung des Museums, es wurden jedoch kaum Ankaufsunterlagen gefunden.

Die Forschung legt deshalb zunächst den Schwerpunkt darauf, wie und wo das Ehepaar Buchheim die Kunstwerke erworben hat. Für viele Gemälde konnten die Vorbesitzer zwischen 1933 bis 1945 identifiziert werden, sodass ein NS-verfolgungsbedingter Entzug ausgeschlossen werden konnte. Für andere bleiben jedoch Provenienzlücken, sodass sie als "nicht zweifelsfrei unbedenklich" einzustufen sind. In Bernried hat man sich entschlossen, auch solche Ergebnisse zu veröffentlichen: Man hofft, mit Hilfe der Öffentlichkeit Lücken schließen zu können. "Dieser Blick hinter die Kulissen ist eine Pionierleistung, gerade für ein nichtstaatliches Museum", so Schreiber.

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