Masters-Erfolg vor 35 Jahren:"Laanger oder Läänger?"

bernhard langer wins 'green jacket'

Grünes Jackett für den Sieger: Bernhard Langer nach seinem ersten Masters-Erfolg.

(Foto: AP)

Am 14. April 1985 entführte ein Außenseiter aus Anhausen das Grüne Jackett aus Augusta: Golfer Bernhard Langer gewann als erster Deutscher das Masters-Turnier. Und legte hierzulande den Grundstein für die Popularität des Sports .

Von Barbara Klimke

Zugegeben, der Schnitt des Einreihers mit den Goldknöpfen ist stockbieder. Und den Farbton würden nur die modisch Mutigsten zu ihrer Grundgarderobe kombinieren. Aber der Reiz des guten Stücks liegt darin, dass es nur für einen elitären Kreis geschneidert wird - in streng limitierter Zahl. Erst als Bernhard Langer am 14. April 1985 in Augusta im US-Staat Georgia in dieses froschgrüne Sakko schlüpfte, unter dem Applaus der Kollegen, hat sich auch hierzulande einem breiten Publikum erschlossen, worin im Golfsport der Stoff der Träume besteht: im Klub-Blazer des Augusta National Golf Clubs, dem wohl begehrtesten Herrenoberbekleidungsstück in der Welt des Sports.

Bernhard Langer war 27 Jahre alt, als er das traditionsreiche Masters-Turnier in Augusta für sich entschied, was ihm das besagte Grüne Jackett eintrug. Der Triumph kam so unverhofft und unerwartet, dass er es mit der Sportart Golf, damals in Deutschland tatsächlich noch ein Orchideenfach, bis in die Tagesschau brachte. Bis zu jenem Sonntag im April hatte Langer noch nie ein Turnier auf der amerikanischen Golf-Tour gewonnen.

Überhaupt war er erst der dritte internationale Profi nach dem Südafrikaner Gary Player und Severiano Ballesteros aus Spanien, der sich in der Liste der Champions des nach Meinung der Amerikaner wichtigsten aller Turniere verewigte. Nichts kann diesen Überraschungserfolg besser verdeutlichen als die erste Frage, die der Klubpräsident des Augusta National beim Kamininterview unmittelbar nach dem Sieg an den schmalen, blond gelockten jungen Mann aus Germany richtete, der ihm da gegenübersaß. Wie man dessen Namen ausspreche, erkundigte er sich: "Laanger oder Läänger?"

Ein Masters-Sieger aus Anhausen im Landkreis Augsburg, das klang vor 35 Jahren für viele ungefähr so realistisch wie ein Eiskunstlauf-Weltmeister aus Ghana oder Dressur-Olympiasieger aus Fidschi, hat der Golf-Autor Ulrich Kaiser einst geschrieben. Zwar war Langer einem interessierten Publikum bereits durch seinen kuriosen Baum-Schlag bekanntgeworden: Bei einem Turnier in Yorkshire 1981 hatte er den Ball in die Blätter geknüppelt und einen Strafschlag dadurch vermieden, dass er den Stamm hochkraxelte und den Ball aus der Astgabel schlug. Die Bilder des spitzbübisch lachenden Golfers zwischen den Zweigen gingen um die Welt.

Auch gehörte er längst zu Europas Elite: Er war der erste Deutsche, der die 1911 erstmals ausgetragenen German Open für sich entscheiden konnte. Allein 1984 hatte er vier Offene Meisterschaften gewonnen, in Frankreich, Holland, Irland und Spanien. Bei der British Open, einem der vier Major-Turniere, zu denen auch das US-Masters gehört, kam er zweimal auf Rang zwei. Doch er wollte systematisch vorgehen: Für einen Sieg bei einem so wichtigen Wettkampf gab er sich damals noch drei Jahre Zeit.

Am Finaltag fiel Langer zunächst noch weiter zurück

Und so wies im Blumengarten von Augusta anfangs auch wenig darauf hin, dass ein Außenseiter bei dem jährlichen Einladungsturnier den grünen Zwirn entführen sollte. Nach zwei Tagen, Runden von 72 und 74, betrug Langers Rückstand sechs Schläge. Am dritten Tag arbeitete er sich mit einer strategisch gewagten 68er-Runde auf Platz drei vor. Den Finaltag am Sonntag nahm er dann, ganz in Rot gekleidet, an der Seite seines europäischen Rivalen Ballesteros in Angriff und fiel zunächst sogar noch weiter zurück.

Der US-Amerikaner Curtis Strange schritt derweil souverän voran, und als noch sechs Löcher zu spielen waren, lag er drei Schläge vorn. Doch dann, an Loch 13, versenkte Strange einen Abschlag im Bach, zog sich die Gummihosen über, stiefelte ins Wasser, bugsierte den Ball auf die Böschung, wo er erneut hinab rollte. Erst dann drosch er ihn aufs Grün. Auf der 15. Bahn ploppte der Ball das nächste Mal ins Wasser. Langer dagegen brillierte auf dem Schlussabschnitt, er brauchte an vier der letzten sieben Löcher weniger Schläge als vorgeschrieben, und beim Birdie am Loch 17 klopfte ihm Ballersteros gratulierend auf den Rücken: "Du hast's geschafft!"

Langer hat seinem Sport in Deutschland zu Bedeutung und Breitenwirkung verholfen

Jack Nicklaus, den Rekordchampion des Masters mit sechs Siegen, verblüffte vor allem, dass Langer "aus einem Land kommt, das noch nie einen Golfer hervorgebracht hat". In der Tat gerät heute leicht aus dem Blick, wie sehr Langer seinem Sport zu Bedeutung und zu Breitenwirkung verholfen hat - ähnlich wie nur wenige Monate später, im Juli 1985, ein gewisser Boris Becker das Tennis popularisierte mit seinem ersten Wimbledonsieg.

In den USA golften damals 15 Millionen Menschen. Der deutsche Verband verzeichnete bescheidene 67 000 Aktive. Zwar lag das Spiel mit dem kleinen Ball seit Langers ersten Erfolgen bereits im Trend, doch wegen begrenzter Klubkapazitäten, langer Wartezeiten und horrender Aufnahmegebühren stagnierte es "im Stadium der Exklusivität", wie die SZ damals notierte: "Zutritt hat nur der Betuchte."

War es Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Langer, dem Maurersohn, der sich als Kind auf dem nahe gelegenen Platz als Caddie ein Taschengeld verdiente, der Aufstieg vom Schlägerträger zum Spitzensportler gelang? Eher waren es Beharrlichkeit, Sorgfalt und immenser Fleiß. Er absolvierte eine Lehre für den Golflehrerberuf, arbeitete akribisch an seinem Schwung. Und überstand, ehe er nach Augusta kam, das seltsame Händezittern beim Putten, genannt "Yips": Mit seinem Trainer Willi Hofmann ertüftelte er eine neue Griffhaltung gegen diese Blockade.

Acht Jahre später, 1993, gewann er das Masters ein zweites Mal. Er hat dort bis heute keinen deutschen Nachfolger gefunden. Dass er seine beiden Major-Titel auf dem Kurs eroberte, sei kein Zufall, schreibt er im Masters-Buch von Petra Himmel: "Augusta National ist ein Platz für Strategen - und das Festhalten an einer bestimmten Taktik, dem überlegten Herangehen an die Löcher, ist immer meine Stärke gewesen." Langer gehört weiter zu den weltbesten Golfern, mit 62 Jahren spielt er nun vorwiegend auf der Champions Tour, die mitunter als Altherrenserie belächelt wird, aber die er wie kein Zweiter dominiert. Gern würde er bei den Olympischen Spielen antreten, sagte er kürzlich dem Kicker, und kritisierte die Teilnahmebedingungen für Tokio 2021, die ihm eine Qualifikation bei der Senior-Tour unmöglich machen.

Das diesjährige Masters ist wegen der Corona-Epidemie in den November verschoben. Sein Grünes Jackett hat Langer nach den Siegen kurz mit nach Hause nehmen dürfen. Aber nach einem Jahr, so wollen es die Regeln, wurde das gute Stück im Clubhaus auf einen Bügel gehängt. Wenn er zurückkommt, darf er es wieder überstreifen: Denn wer beim Masters siegt, hat lebenslanges Mitspielrecht. 2019 hat Bernhard Langer Platz 62 belegt.

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