Corona-Krise:Der IWF muss ran

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102 Länder haben beim IWF schon um Hilfe gerufen. Die Weltgemeinde muss dringend die Finanzmittel des IWF erhöhen - damit er den Staaten helfen kann.

Kommentar von Bastian Brinkmann

Die 20 führenden Volkswirtschaften, die G 20, haben diese Woche beschlossen, den ärmsten Ländern der Welt zu helfen. Mehr als 70 Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika müssen ihre Schulden bei den G 20 vorerst nicht weiter bedienen. Das Schuldenmoratorium greift sofort, das ist gut. Und es ist trotzdem zu wenig in dieser einzigartigen Krise. Es braucht ein stärkeres Signal, dass die ärmsten Länder in der Corona-Krise nicht alleingelassen werden.

Die Pandemie und ihre Folgen treffen die ärmsten Staaten und viele Schwellenländer besonders hart. Die Zahl der Intensivbetten je Einwohner sind dort im Vergleich zu Westeuropa bisweilen verschwindend gering. Auch die wirtschaftlichen Konsequenzen des Keims treffen die Staaten mit voller Wucht. Sie fahren ihre Volkswirtschaften quasi ohne Airbag. Deutschland wiederum hat zügig ein milliardenschweres Rettungspaket aufgeblasen, das den Aufprall mildert. In vielen anderen Ländern außerhalb Europas wird das nicht möglich sein.

Alle wirtschaftlichen Folgen der Krise laufen gegen die Entwicklungs- und Schwellenländer - und die Effekte verstärken sich auch noch gegenseitig. Währungen verlieren an Wert, das erschwert es, Auslandsschulden zu bedienen und Importe zu bezahlen. Für Exporte gibt es weniger Geld, oder sie werden gar nicht mehr nachgefragt, besonders Öl und andere Rohstoffe, was für viele Länder sonst eine Haupteinnahmequelle ist. Und Touristen reisen auch nicht mehr ein.

Die meisten Schwellen- und Entwicklungsländer können nicht aus eigener Kraft den internationalen Kapitalmärkten deutlich machen, dass sie die Krise überstehen werden. Sie haben keine Christine Lagarde als Zentralbankspräsidentin; sie haben oft keinen starken Mittelstand, der viele gut bezahlte Industriearbeitsplätze schafft. Ohne solche Aussichten könnten die internationalen Kapitalmärkte die Entwicklungs- und Schwellenländer fallenlassen, was die Krise noch verschärfen würde. Schon jetzt fließen Milliarden aus den Regionen ab.

Die Länder brauchen einen finanziellen Schutzschirm. Der muss vom Internationalen Währungsfonds (IWF) kommen. Es ist richtig, dass Ökonomen wie der Schuldenforscher Christoph Trebesch fordern, die IWF-Mittel enorm zu erhöhen. Derzeit umfassen sie maximal eine Billion Dollar, das entspricht rund einem Prozent der Wirtschaftsleistung - viel zu wenig im Verhältnis zum Einbruch der Wirtschaft durch die Corona-Krise. Trebesch und Kollegen fordern, die Summe rasch auf zwei Billionen Dollar zu erhöhen. Schon jetzt haben 102 Länder beim IWF wegen eines Kredits angefragt.

Die Corona-Krise ist auch deswegen anders, weil vielerorts mittlerweile China zum enorm wichtigen Gläubiger geworden ist. Der Staat trägt die G 20-Resolution für das Schuldenmoratorium mit, was ein guter erster Schritt ist. Doch die Kreditvergabe von China ist intransparent. In offiziellen Statistiken taucht nur die Hälfte der chinesischen Kapitalvergabe auf, haben Forscher herausgefunden. Der Einfluss Pekings ist damit noch größer als gedacht. Die chinesischen Banken folgen den geostrategischen Vorgaben der Kommunistischen Partei und investieren in rohstoffreiche Länder, die nun Schwierigkeiten haben, diese Kredite zurückzuzahlen. Für manche Entwicklungsländer wird sich in Peking entscheiden, wie heftig die Krise sie trifft.

Angesichts der dramatischen Lage wird nun häufig gefordert, den ärmsten Ländern einfach alle Schulden zu erlassen. Das wäre allerdings nicht einfach und würde lange dauern. Die Auslandsschulden vieler Staaten sind in den vorigen Jahren deutlich gestiegen. Dieser Boom wird jetzt mitunter zum Problem. Denn unter den Investoren sind Anleger, die nicht auf ihr Geld verzichten werden. Ein, zwei Hedgefonds können sich vor Gerichten in London und New York durchsetzen und weiterhin ihr Geld bekommen, das hat sich in den Schuldenverhandlungen zu Griechenland und Ukraine gezeigt. Mitunter torpedieren diese Gerichtsprozesse die ganzen Verhandlungen. Und was die westlichen Staaten an Schulden erlassen, fließt dann indirekt an diese Anleger. Abhilfe schaffen könnte eine UN-Resolution, wie sie der Irak 2003 bekommen hat - damals wurde ein großer Schuldenerlass kombiniert mit einem Schutz vor Klagen durch private Gläubiger. Das erfordert allerdings ein einstimmiges Votum im UN-Sicherheitsrat, das auch nicht einfach zu bekommen ist. Umso wichtiger ist es daher, dass der IWF als Notkreditgeber mit vergrößerter Finanzmacht erkennbar ist. Und zwar schnell.

© SZ vom 17.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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