Arbeiten in Corona-Zeiten: SZ-Serie, Folge 17:Es fehlt die Interaktion

Lehrer Thomas Rau, Graf-Rasso Gymnasium

Im Klassenzimmer fühlt sich der Informatik-, Englisch- und Deutschlehrer Thomas Rau am wohlsten. Trotz sozialer Trennung versucht er, mit seinen Schülern in Kontakt zu bleiben.

(Foto: Olaf Schaefer/oh)

Thomas Rau ist Lehrer am Graf-Rasso-Gymnasium. Aktuell kann er seine Schüler nur digital unterrichten. Als Informatiker hat er damit keine technischen Probleme, menschlich allerdings ist die Situation schwierig

Von Olaf Schaeffer, Fürstenfeldbruck

Eigentlich würden die Lehrer des Graf-Rasso-Gymnasiums in Fürstenfeldbruck ihre Abiturienten inzwischen auf die bevorstehenden Prüfungen vorbereiten oder zumindest darauf warten, alle Schüler nach den Osterferien wieder in den Klassenräumen empfangen zu können. Doch mit dem Ausbruch der Corona-Krise und den landesweiten Schulschließungen sind auch die Lehrer vor große Veränderungen gestellt. Als systemrelevante Beamte sind sie derzeit nicht beurlaubt, sondern unterrichten ihre Klassen per Fernunterricht aus den eigenen vier Wänden.

Für Thomas Rau, Informatik-, Deutsch- und Englischlehrer des Rasso-Gymnasiums hat sich der Alltag in vielerlei Hinsicht verändert. "Ich bleibe gerade zuhause und meide die Öffentlichkeit". Die Unterschiede zwischen den Wochentagen und dem Wochenende seien bei ihm völlig verschwunden, die Tage gleichförmig geworden. Die Arbeit habe sich tiefgreifend verändert, sagt Rau, besonders, weil der direkte Kontakt zu den Schülern im Klassenraum nicht mehr vorhanden sei. Dennoch versuche er täglich mit seinen Schülern Unterricht zu "spielen" und schulische Struktur aufzubauen. Pro Woche und Klasse gebe es einen Arbeitsauftrag, um die Schüler nicht zu überfordern. Das wichtigste sei jedoch nicht der Unterricht, sondern das Feedback der Schüler. "Insofern verteile ich großzügig Telefonnummern an meine Schüler und hoffe, dass die sich dann zurückmelden. Ich werde gerne gefunden", sagt Rau. Bisher habe sich noch niemand gemeldet.

Um den fehlenden Kontakt zwischen Lehrern und Schülern auszugleichen, hat das Graf-Rasso-Gymnasium - wie viele andere Schulen - auf "improvisierten Fernunterricht" umgestellt, heißt es auf der Webseite der Schule. Dabei ist besonders die Kompetenz von Thomas Rau gefragt: der versierte Informatiklehrer, der nebenbei seit über zehn Jahren einen eigenen Blog betreibt und in den sozialen Netzwerken besonders aktiv ist betreut mitunter auch den schulischen Zugang zur Lernplattform "Mebis".

Das Internetportal wurde den bayrischen Schulen vom Kultusministerium für den Einsatz digitaler Medien zur Verfügung gestellt. Schüler haben auf der Plattform Zugriff auf Unterrichtsmaterialien, eine Mediathek mit Video- und Audioinhalten sowie ihre persönlichen Prüfungsergebnisse. In der Krise kommt das Programm wie gerufen für die Lehrkräfte. Dass das Graf-Rasso-Gymnasium frühzeitig in die Nutzung der Plattform investiert habe, zahle sich nun aus, so Rau. "Das technische Know-How für Mebis wird seit Jahren propagiert und läuft an meiner Schule vermutlich etwas besser als an vielen anderen. Weil es da einige interessierte Lehrer gibt und ich kräftig dahinterstehe. Aber kaum eine Schule hat das richtig genutzt. Das ist jetzt schon fast eine zwangsweise Fortbildung für alle Lehrer und Schüler. Da habe ich das Glück, dass ich mich da schon auskenne und da schnell beraten kann."

Der moderne Unterricht sei "definitiv nicht so produktiv wie klassischer Unterricht", sagt Rau, zumal nicht alle Schüler Internet und einen eigenen Computer besäßen. Mittelfristig biete die neue Form jedoch Chancen: "Ich hatte auch schon die erste Mutter, die meinte, das sei ja ganz gut für längerfristig erkrankte Kinder, die bisher ja immer nur ein bisschen Kontakt mit der Schule hatten."

Nina Ostermeier, Chemie- und Biologielehrerin am Graf-Rasso-Gymnasium, habe einige Zeit benötigt, um sich mit der Nutzung von Mebis "einzugrooven", sagt sie. Ihre Arbeitszeiten hätten sich nicht verändert, dennoch sei es aufwendig die Arbeitsmaterialien digital zur Verfügung zu stellen. "Es genügt nicht einen Tafelanschrieb per Mail zu verteilen, den ich normalerweise anschreiben würde, weil ja die Erklär-elemente fehlen und die Schüler auch nicht wissen in welcher Reihenfolge die das bearbeiten sollen." Insofern sei es eine Herausforderung gewesen, eine Möglichkeit zu finden, den Unterricht spannend und abwechslungsreich zu gestalten. So hat sich die Lehrerin beispielsweise eine "Bio-Challenge" für die Oberstufe ausgedacht: Jeder Schüler müsse ein selbstgeschossenes biologisches Foto inklusive persönlichem Körperteil hochladen - zum Schutz gegen mögliche Betrugsversuche mithilfe von Internetsuchmaschinen. "Das beste Foto wird dann prämiert, wenn wir uns wiedersehen", sagt Ostermeier. Die fehlende Interaktion ausgleichen könnten solche Spiele jedoch nur kurzfristig. "Ich verbringe meine Arbeitszeit trotz allem immer noch allein im Arbeitszimmer und habe überhaupt kein Feedback. Mir fehlt die Interaktion - der Grund warum man Lehrer wird. Die habe ich jetzt nicht. Und das fällt mir wirklich äußerst schwer."

Um ihre Abiturienten machen sich beide Lehrer hingegen keine großen Sorgen, diese seien bestens vorbereitet. "Die kennen mich auch relativ gut", sagt Ostermeier, "das heißt, ich bekomme von denen auch viel eher Feedback als von Klassen die jünger sind. Da mach ich mir aktuell überhaupt keine Sorgen, weil ich mir denke die sind so groß und selbstständig, dass die viel selber schaffen, und ich denke die bekommen das hin."

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