La Brass Banda:Die Energie will raus!

Fünf Burschen aus dem Chiemgau verblüffen die Musikwelt und bringen das Publikum mit Blechbläsern zur Raserei: "La Brass Banda" kommt.

Thomas Hummel

Draußen, sagt Stefan Dettl, da hängen Bilder von den Beatles und den Rolling Stones und den anderen Legenden der Musik, die hier im Münchner Circus Krone schon gespielt haben. Und da fragt er sich: "Wos dean mia da?" Ja, was machen sie eigentlich da, die fünf Burschen aus dem Chiemgau? Sie sind gerade eingezogen, von hinten mitten durch die Zuschauer, begleitet von einer waschechten Blaskapelle. Es ist eine Mischung aus Oktoberfest-Einmarsch und brasilianischem Samba-Umzug. Und die Zuschauer springen schon jetzt aus ihren Sitzen und jubeln als würde hier der Welt neuer Musikstern aufgehen. La Brass Banda kommt.

La Brass Banda: Stillhalten untersagt: La Brass Banda vom Chiemsee.

Stillhalten untersagt: La Brass Banda vom Chiemsee.

(Foto: Foto: oh)

Vor zwei Jahren, sagt der Frontmann Dettl, da haben sie noch geübt drüben in Kirchanschöring im Jugendheim, und jetzt tanzen, springen 5000 Zuschauer in München bisweilen bis zur Raserei zu dieser Musik, die es so noch nie gegeben hat. Und sie machen sich einen Spaß daraus, die nach Kategorien suchende Fachwelt darüber im Unklaren zu lassen, was das eigentlich sein soll, diese mit drei Blechbläsern, einem Bass und einem Schlagzeug vollbrachten Rhythmen, die selbst das kühlste Blut irgendwann heiß laufen lässt.

"Für manche ist es Bayerischer Gypsy Brass, für andere wiederum Balkan Funk Brass oder noch viel besser Alpen Jazz Techno", zitiert die Band schelmisch auf ihrer Internetseite. Doch für sie "ist es einfach die Musik, die aus uns raus will". Sie gehe den Leuten direkt in die Beine und mache es ihnen schwer stillzuhalten.

Stillhalten fällt tatsächlich schwer. Wohl noch nie ist eine Menge vornehmlich Jugendlicher so zu Blechbläser-Musik mitgegangen wie bei La Brass Banda. Stefan Dettl beschrieb die Idee der Band einmal mit dem Versuch, bayerische Volksmusik als Clubmusik zu präsentieren. In New York hat er die Band Youngblood Brass Band mit eben dieser Idee erlebt, und war davon so begeistert, dass er daheim im Chiemgau vier befreundete Musikstudenten dazu überreden konnte. Der Versuch mündete in einer spektakulären Weltneuheit, weil die Fünf erstens ihre Instrumente perfekt beherrschen. Und weil sie sich, zweitens, was trauen. Oder wie man im Chiemgau sagt: Sie scheißn sich nix.

Tecno-Beat mit der Tuba

Und so traut sich Andreas Hofmeir, auf seiner Tuba einen Tecno-Beat hinzulegen, den keine Maschine schöner in die Halle hämmern könnte. Oliver Warge stimmt auf dem Bass mit ein, es folgen Posaunist Manuel Winbeck und Trompeter Dettl mit einem wilden Staccatissimo, der den Saal zum Vibrieren bringt. Doch die Palette ist reich an weiteren Einflüssen aus allen möglichen Genres: Vom perfekten Reggae-Off-Beat über eine Art Paso Doble oder Ska. Die Variationen scheinen unbegrenzt, doch das beeindruckendste ist die Energie, die von der Bühne direkt auf das Publikum übergeht.

Die Jungs von Brass Banda sind Teil einer sehr erfolgreichen Phalanx junger voralpenländischer Kultur. Wenig überraschend, dass Regisseur Marcus H. Rosenmüller dieses erste von drei Konzerten in München dazu nutzt, einen Film über seine Artverwandten zu drehen. Rosenmüller, der Schauspieler Maximilian Brückner oder nun Brass Banda strahlen dieses geerdete Selbstbewusstsein südbayerischen Landlebens aus. Die gute Luft scheint sie zudem bis zum Bersten mit Kraft und Lebenslust auszustatten. Sie sprechen ungeschminkten Dialekt ("kheamgauerisch"), den selbst gebürtige Münchner bisweilen schwerlich folgen können, sie stehen zu ihrer Herkunft. Doch davon ausgehend führen die ihre heimischen Traditionen in alle kulturellen Richtungen weiter.

La Brass Banda spielt also Tecno, Reggae, Ska und Paso Doble und steht dabei barfuß, in Lederhosen und T-Shirt auf der Bühne. Das alles gäbe den Kritikern bayerischer Provinzialität frische Nahrung, wenn dahinter nicht diese Musik stecken würde, die auch den letzten Skeptiker irgendwann zum Darniederliegen bringt. Zu sehen im Circus Krone, als die Band das Publikum zum Yoga-Kurs auffordert, und sich nach einigen ganz und gar unyogahaften Bewegungen auf den Boden legt. Viele im Publikum machen es artig nach.

Auch noch Schauspieler

Die erste CD "Habidiehre" war bereits der Durchbruch für die Band, jetzt folgt "Übersee" - ein Wortspiel, dass sowohl auf ihren Heimatort am Chiemsee wie auch auf das große Amerika verweist. "Unsere Musik", sagte Dettl einmal der Zeit, "zielt in erster Linie auf die Bühnenwirkung, Wir entwickeln unsere Stücke ausschließlich live." Es hilft der Band dabei, dass Dettl ein natürliches Talent zur Rampensau mitbringt und reden kann wie ein Wasserfall, dazu Hofmeir an der Tuba allein mit seinen weit aufgerissenen Augen und seiner Mimik die ganze Halle in seinen Bann ziehen kann. Schauspieler sind sie also auch noch.

Die Band wird vielleicht nicht so schnell mit den Beatles oder den Rolling Stones in einem Atemzug genannt werden, auch wenn sie ihre Tournee diesmal bis nach London und Liverpool trägt. Doch dass das Circus Krone diesmal in Windeseile dreimal ausverkauft war, daran müssen sich La Brass Banda wohl gewöhnen. Und nicht weit von hier, in der Olympiahalle, haben sich die Stones dann auch bald feiern lassen.

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