Buchhandel:Videobotschaft vom "Quarantänekonsul"

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"Ihr wollt den kleinen Laden, ihr wollt ihn nah und gut, d'rum lasst uns drüber reden, was man jetzt Gutes tut": Buchhändler und Musiker Anton Gruber appelliert im Internet an das Lokalbewusstsein der Kunden und wirbt für Bestellungen. (Foto: Colibri)

Mit einem originellen Lied im Internet gelingt es Anton Gruber in der Coronakrise, neue Kunden für seinen Laden in Dießen zu gewinnen.

Von Armin Greune, Dießen

Nach einer kurzen Phase der Enttäuschung am Donnerstag folgt die Aufbruchstimmung: Zwar darf der Buchhandel nicht, wie zunächst erhofft, schon am kommenden Montag wieder die Ladentüren öffnen. Doch vom 27. April an wollen die meisten Händler und Händlerinnen im Fünfseenland wieder ihre Kunden empfangen. Stellvertretend für alle Kollegen verspricht etwa eine Mitarbeiterin von Kirchheim in Gauting, am übernächsten Montag "voll wieder da" zu sein.

"Natürlich öffnen wir so bald wie möglich", sagt auch Susanna Held aus Tutzing. Bis dahin seien aber auch noch viele Vorbereitungen zu treffen - und etwa Spuckwände, Klebeband für den Fußboden und Desinfektionsmittel zu besorgen. Die Coronakrise sei für das Geschäft ihres Buchladens an der Tutzinger Hauptstraße "so weit ganz gut gegangen", sagt Held, wenn man die beträchtliche Mehrarbeit im Bestell- und Lieferservice außer acht lasse: "Dennoch fehlt uns natürlich Umsatz".

Ähnlich ist die Lage im "Colibri": Im kleinen Laden am Dießener Bahnhof sei es "in dieser Woche schon viel ruhiger geworden", sagt Inhaberin Ulrike Kreutzer. Aber umso mehr war vor Ostern los: "Da waren wir beide die ganze Zeit voll beschäftigt." Was auch nicht unwesentlich einer Videobotschaft zu verdanken sei, die ihr Geschäfts- und Lebenspartner Anton Gruber ins Netz gestellt hat. Der steckte als Ensemblemitglied von Cafe Unterzucker in den finalen Proben des Nockherberg-Singspiels, als der Lockdown kam. Statt beim Politikerderblecken mitzuwirken, trällert Gruber nun auf der Facebook-Seite von "CoLibri - Buch, Kultur und Co." zur Melodie von "Go tell it to the Mountain": "Komm sag es allen weiter, ruft es in jedes Haus hinein: Kauft bitte regional ein."

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Begleitet wird Anton via Laptop von seinem Bruder Miene: Der Musiker, Künstler und Betreiber des Kiosks "Bayrische Brandung" in Herrsching spielt als "Quarantänekonsul aus dem Bücherregal" im bühnenerprobten Bademantel Gitarre. Das muntere Musikvideo wurde inzwischen schon Zehntausendmal aufgerufen. "Ihr bestellt das Buch am Telefon oder schickt 'ne E-Mail 'raus. Wir schwingen uns auf's Fahrrad, oder die Post bringt's euch ins Haus," lässt Anton Gruber seine professionelle Gesangsstimme tönen.

Obwohl der Laden erst vor gut einem Jahr eröffnete, habe man von der Kundschaft viel Solidarität erfahren, schwärmt Ulrike Kreutzer: "Die Leute haben uns echt nett die Stange gehalten und teilweise sogar ihre Weihnachtsgeschenke vorgezogen". Ihrerseits habe sie auch an der Auslieferung Spaß gefunden: Anstatt nur immer im Laden zu arbeiten, sei es zur Abwechslung "ganz schön, die Leser von der anderen Seite her kennenzulernen. Jetzt wissen wir auch, wo die Leute wohnen."

Selbstverständlich habe man wegen Corona auch Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Kreutzer kann sie finanziell noch nicht beziffern, aber in der Zeit, in der im Laden vielleicht vier Kunden acht Bücher kauften, seien nun ein oder zwei Bestellungen mit fünf Artikeln bearbeitet worden. Vergeblich habe sie sich um eine Sondergenehmigung bemüht, weil im Buchladen ja unter anderem Lernmittel für den Schulunterricht verkauft werden. Versuchsweise wollten Kreutzer und Gruber auch eine "Bücherschleuse" durch die Ladentür anbieten, aber auch dies wurde von den Behörden nicht gestattet.

So blieb also nur fernmündliche Auftragsannahme und Auslieferung - was bei gleichzeitiger Betreuung von zwei eigentlich schulpflichtigen Kindern teilweise eine ziemliche Belastungsprobe war, sagt Kreutzer. Doch sie hofft, der Service in der Corona-Krise könnte sich langfristig als lohnend erweisen: "Unterm Strich haben wir wohl eher neue Kunden gefunden als alte verloren." Wie heißt es im Song augenzwinkernd: "Komm lass es uns verbreiten, der Virus kann ein Vorbild sein, kauft Bücher bei uns ein. Und Amazon lasst sein."

© SZ vom 18.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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