Kampf gegen Corona:150 000 Euro pro Gesundheitsamt

Jens Spahn will den öffentlichen Gesundheitsdienst modernisieren und nimmt dafür Geld in die Hand. Mobile Teams sollen eingesetzt werden, um Infektionsketten wieder besser nachverfolgen zu können.

Von Rainer Stadler

MünchenOb sich Jens Spahn (CDU) auch ohne Coronakrise mit den Gesundheitsämtern beschäftigt hätte? Jene Orte, wo Kinder früher Würfelzucker mit Impflösung schluckten, gegen Kinderlähmung. Und Erwachsenen riesige Spritzen in die Oberarme gebohrt wurden, die vorübergehend auf den doppelten Umfang anschwollen - was angeblich vor Grippe schützte. Das erledigen heute alles und viel schonender die Kinder- oder Hausärzte. Hört sich nicht schon der Name verstaubt an - Gesundheitsamt? Selbst das Arbeitsamt nennt sich inzwischen Agentur und Jobcenter.

Das scheint auch dem Bundesgesundheitsminister Spahn bewusst zu sein, als er am Montag in Berlin bekundet, der öffentliche Gesundheitsdienst habe in den vergangenen Jahren "nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die er verdient hätte". Aus den Ämtern selbst ist zwar eher zu hören, dass es an der Ausstattung hapere. Aber Spahn ist ohnehin angetreten, um beides zu ändern. Im Kampf gegen Corona hätten die Mitarbeiter der kommunalen Einrichtungen "einen großartigen Job unter stressigen Bedingungen gemacht", lobt er. Dieser Job werde weiter "von großer Bedeutung" bleiben. Etwa, wenn es darum geht, ausfindig zu machen, wer sich mit Covid-19 angesteckt hat. Sowie Kontaktpersonen zu ermitteln, um Infektionsketten zu durchbrechen. Weitere Lockerungen im Alltag der Deutschen seien nämlich nur möglich, wenn die Fallzahlen nicht wieder steigen.

Spahn bietet deshalb "ein personelles und digitales Update" an. Mit Medizinstudenten und Personal aus anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung sollen die Ämter aufgestockt werden, so dass pro 20 000 Einwohner fünf Mitarbeiter nach Kontaktpersonen von Infizierten fahnden könnten. Natürlich nutzt der zur Digitalisierung neigende Minister die Gunst der Stunde, um die Behörden mit Hard- und Software aufzumöbeln. Bis zu 150 000 Euro könne jedes Amt dafür kurzfristig und unbürokratisch abrufen.

Spahn hat vor allem eine Quarantäne-App im Sinn, die es den Mitarbeitern ermöglichen soll, den Zustand von Infizierten zu verfolgen, ohne dafür zum Telefonhörer greifen oder gar mit dem Auto zu deren Wohnung fahren zu müssen. Auch die Tracing-App sollten die Ämter mehr für ihre Arbeit nutzen. Und Meldungen, etwa von Fallzahlen, könnten künftig digital erfolgen statt mit Papier und Fax. Ziel sei es, den öffentlichen Gesundheitsdienst "technisch in die 2020er-Jahre zu bringen", sagt Spahn. Womit er wieder bei dem Thema angelangt ist, über das er schon vor Corona sehr gern geredet hat.

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