Medizinische Versorgung:Das Virus auf der Wiese

Arbeit der Ärztin Alice Zöllner (im roten Schutzanzug) in der Corona-Ambulanz auf der Theresienwiese unterhalb der Bavaria.

Mit Anzug und Maske geschützt nimmt eine Ärztin einen Rachenabstrich in der neuen Corona-Ambulanz auf der Theresienwiese.

(Foto: Florian Peljak)

Zu Füßen der Bavaria hat sich eine Art Zentrum der Corona-Bekämpfung etabliert. Zusätzlich zur Teststation wurde dort eine neue Ambulanz in Betrieb genommen - sie soll Praxen und Kliniken entlasten.

Von Ekaterina Kel

Die Theresienwiese, eigentlich ein Ort zum Feiern, wird mehr und mehr zum Sinnbild der Pandemie. Nicht nur, dass es in diesem Jahr kein Oktoberfest geben wird - der ovale Platz wird auch zunehmend genutzt, um gegen das Coronavirus anzukämpfen. Zunächst hatte die Stadt dort eine Drive-through-Teststation aufgebaut, nun ist auch eine Ambulanz für Covid-19-Patienten errichtet worden. Seitdem stehen Ärzte auf der Theresienwiese bereit, um Menschen mit der Viruserkrankung - oder mit einem Verdacht darauf - zu versorgen.

Die neue Ambulanz soll niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser entlasten. Zunächst wurde sie für das lange Osterwochenende kurzfristig installiert, als es akuten Bedarf gab und viele Ärzte über die Feiertage geschlossen hatten, sagt Florian Vorderwülbecke. Der Allgemeinmediziner ist der sogenannte Versorgungsarzt für München und damit laut bayerischem "Notfallplan Corona-Pandemie" dafür verantwortlich, dass die niedergelassenen Ärzte mit der außergewöhnlichen Situation möglichst gut zurechtkommen und gleichzeitig die Patienten nicht auf der Strecke bleiben - unabhängig davon, ob sie mit Corona-Fieber zu Hause im Bett liegen und der Hausarzt sie wegen der Ansteckungsgefahr nicht behandeln will, oder ob sie ein ganz anderes Leiden haben und sich beispielsweise nicht mehr trauen, in die Praxis zu gehen.

Florian Vorderwülbecke, Versorgungsarzt der Stadt München

Florian Vorderwülbecke, 52, ist Versorgungsarzt der Stadt München. Er und sein Team achten darauf, dass während der Corona-Pandemie die ärztliche Versorgung gewährleistet ist.

(Foto: Privat)

Die neue Ambulanz, auch Schwerpunktpraxis genannt, soll nun also Entlastung bringen. Vorderwülbecke bezeichnet sie als "eine Art Überlaufbecken, wenn normale Praxen Schwierigkeiten mit Infektpatienten haben".

Was zunächst probeweise über Ostern organisiert und von der Aicher Ambulanz, die auch schon die Drive-through-Station betreibt, umgesetzt wurde, hat sich bewährt. Innerhalb der ersten vier Tage habe ein Arzt dort 158 Patienten gesehen, berichtet Vorderwülbecke. Das klinge erst einmal nach wenig, man müsse sich aber vor Augen halten, dass dies Infektsprechstunden gewesen seien. Dabei rechne man mit etwa 15 Minuten pro Patient, davor und danach müsse man die komplette Schutzkleidung an- und ausziehen. Außerdem gebe es bei Covid-19 noch längst keine Routine. Eine Untersuchung dauere entsprechend.

Wenige Tage nach dem Start beschloss Vorderwülbecke, aus dem Probebetrieb eine reguläre Bereitschaftspraxis zu machen. Diese sei nun jeden Tag von acht bis 21 Uhr in Betrieb, man habe einen zweiten Arzt angestellt und könne, wenn nötig, noch einen dritten dazu holen.

Wer in die Ambulanz möchte, braucht einen Termin. Man solle nicht einfach selbständig hinfahren, diese Bitte hört man vom Versorgungsarzt, von der Stadt und von der Aicher Ambulanz unisono. Wer befürchtet, an Covid-19 erkrankt zu sein, soll sich an die Nummer 116 117 wenden, dort werde man weitergeleitet. Auch der Hausarzt könne den Patienten dorthin verweisen. Man solle "auf keinen Fall" mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen, betont Vorderwülbecke, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. "Wir müssen unnötige Begegnungen zwischen den Patienten vermeiden, deshalb ist die Terminvergabe nötig." Mit einem Newsletter wandte sich Vorderwülbecke schon vergangene Woche an die etwa 4500 Ärzte in München, um ihnen die Neuerungen mitzuteilen.

Auch für die Krankenhäuser stellt die neue Ambulanz eine Entlastung dar - ein Netz, um all jene aufzufangen, die sonst die Notaufnahmen der Kliniken aufsuchen würden. Nur vier der 158 Patienten, die über Ostern in der Ambulanz behandelt worden sind, mussten laut Voderwülbecke wegen ihres Zustands an ein Krankenhaus verwiesen werden.

Der Versorgungsarzt arbeitet mit einem siebenköpfigen Team von Katastrophenmanagern zusammen, alle von der Berufsfeuerwehr. Laufend bewerten sie die Lage neu, schauen sich Infektionsraten, Bettenzahlen, Anfragen für Schutzausrüstung an und koordinieren die Verteilung von Material und Arbeitskraft.

"Wir haben 500 Bestellungen für Schutzmaterial von Praxen bekommen", sagt Vorderwülbecke. Alle hätten ein erstes "Carepaket" mit Masken, Brillen, Handschuhen und ähnlichem bekommen. Ziel sei es, dass etwa 70 Prozent aller Hausärzte eine Infektsprechstunde anbieten können, die räumlich und zeitlich von den üblichen Patienten getrennt ist. "Wir bauen auf die Leistungsfähigkeit und Kooperation der Ärzte." Notfalls müsse man weitere Strukturen aufbauen. Vorderwülbecke warnt davor, wegen der Lockerungen unvorsichtig zu werden. Erst nach etwa zwei Wochen "werden wir wissen, wie sich die Lockerungen auf die Fallzahlen auswirken".

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