Flüchtlinge:Die Vergessenen

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Griechenland

Auf dem Weg nach Deutschland oder Luxemburg: unbegleitete Flüchtlingskinder in einem griechischen Bus.

(Foto: Angelos Tzortzinis/dpa)

Auf dem Mittelmeer und in Griechenland verschärfen sich die Probleme. Doch Rettung ist für die allermeisten der Flüchtenden ferner denn je.

Von Andrea Bachstein und Nina Hardenberg

Müll in den Gassen zwischen Zelten und Containern, Hunderte, die sich eine Toilette teilen. Dass die Lage im Elendslager Moria, dem größten Flüchtlingscamp der griechischen Ägäis-Inseln, für Kranke und besonders Schutzbedürftige untragbar ist, hat nun auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) klargestellt. In einer von den Hilfsorganisationen Pro Asyl und Refugee Support Aegean erstrittenen Entscheidung verpflichten die Richter Griechenland, einen schwerkranken Afghanen mit Familie, ein Folteropfer aus Syrien sowie ein Kleinkind und dessen Eltern aus Afghanistan aus dem Lager zu holen. Sie müssen menschenwürdig untergebracht und medizinisch betreut werden. Laut Pro Asyl ist es das erste Urteil in jüngerer Zeit, in dem der EGMR Griechenland für die Unterbringung der Flüchtlinge verurteilt. In dem einstigen Militärgefängnis auf der Insel Lesbos leben 20 000 Menschen, konzipiert war es für 3000. Auf den Ägäis-Inseln halten sich etwa 38 500 Migranten und Flüchtlinge auf. Zuletzt wurden etwa 11 000 Menschen aufs Festland gebracht - vor allem Kranke und Menschen, die gute Chancen auf Asyl oder Flüchtlingsschutz haben. Dass nun auch Flüchtlinge mit dem Coronavirus infiziert sind, erschwert die Lage weiter.

Besonders schutzbedürftigen Flüchtigen zu helfen, hatte sich Deutschland vorgenommen. Man werde auf den griechischen Inseln gestrandete Kinder und Jugendliche aufnehmen, hatte Innenminister Horst Seehofer (CSU) im Winter angekündigt. Vergangenen Samstag trafen die ersten 42 Kinder und fünf Jugendliche in Hannover ein.

Griechenland bleibt laut UNHCR das EU-Mittelmeerland mit dem größten Zustrom an Flüchtlingen. 9650 kamen seit Januar, in Spanien waren es 6140 und in Italien 3330. Letztere sind den wohl größten Gefahren entkommen: aus Libyen über die zentrale Mittelmeerroute. Von den 253 Menschen, die dieses Jahr auf der Flucht im Mittelmeer umgekommen sind, verloren 146 hier ihr Leben. Der Bürgerkrieg in Libyen hat die Lage der Migranten weiter verschärft. In Internierungscamps mit 1500 bis 2000 Menschen im Raum Tripolis drohen dazu Coronainfektionen, die Behörden erklären sich machtlos, das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR stellte die Arbeit ein. Es mangelt an Essen, Wasser, Medizin, wegen Virus-Auflagen können Migranten nicht mehr arbeiten. All das erhöht den Druck, nach Europa zu fliehen. 650 000 Menschen, schrieb Maltas Außenminister Evarist Bartolo der EU, warteten an Libyens Küste. Das mag hoch gegriffen sein, aber es dürften jedenfalls mehr sein als die 43 000 vom UNHCR registrierten Flüchtlinge. Wer sich in Schlepperboote wagt, kann kaum auf Rettung hoffen. Wegen Corona sind keine Retter im Einsatz, Malta, Italien und Libyen haben die Häfen geschlossen. Seenotrufe blieben oft unbeantwortet, berichtet die Organisation Watch the Med Alarmphone. Die Migrationsorganisation IOM ist alarmiert, da Hunderte der 3200 Menschen, die Libyens Küstenwache seit Januar abfing, verschwunden sind.

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