Bundestag:Streit ums Wahlrecht geht in neue Runde

Ein Unions-Vorschlag zur Verkleinerung des Bundestags erzürnt Grüne und FDP. Aber auch die CSU will nicht, dass Wahlkreise wegfallen und auf den Ausgleich von Überhangmandaten verzichtet wird.

Eigentlich sind sich alle einig: Der Bundestag ist zu groß und muss kleiner werden. Nicht irgendwann, sondern schon nach der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021. Doch um die Frage, wie dieses Ziel zu erreichen wäre, wird seit Langem erbittert gestritten. Nun tritt der Konflikt um die Wahlrechtsreform, die zur Verkleinerung des Bundestags nötig ist, in eine neue Runde: Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hat für die Reform einen Vorschlag gemacht, den FDP und Grüne rundweg ablehnen.

"Ralph Brinkhaus macht erneut einen Vorschlag, der die Union einseitig bevorzugt", sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, in Berlin. Brinkhaus' Vorstoß nutze vor allem der Union, kritisierte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stefan Ruppert. "Ein Kompromiss, der jetzt überfällig ist, sieht anders aus", kritisierte er. Brinkhaus schlägt im aktuellen Spiegel eine "moderate Reduzierung der Wahlkreise" vor, ohne eine konkrete Zahl zu nennen, und einen Verzicht auf den Ausgleich von 15 Überhangmandaten. Der CDU-Politiker verknüpft dies mit Kritik an der Schwesterpartei CSU, die sich beharrlich weigert, die Zahl der Wahlkreise zu verringern. Die CSU hatte 2017 alle Bundestagssitze über Direktmandate in den Wahlkreisen geholt. Sie hat daher kein Interesse daran, dass es weniger Wahlkreise gibt. Aber auch 185 der 200 CDU-Abgeordneten zogen per Direktmandat in den Bundestag ein.

Der Brinkhaus-Vorstoß entspricht weitgehend einem Konzept des CDU-Wahlrechtsexperten Ansgar Heveling. Dieser hatte schon früher vorgeschlagen, die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 270 zu reduzieren und bis zu 15 Überhangmandate nicht auszugleichen. Die Grünen-Politikerin Haßelmann monierte nun: "Wir können doch jetzt nicht wieder hinter das bestehende Wahlrecht zurückfallen und 15 Überhangmandate einfach unausgeglichen stehen lassen. Damit würde sich das Zweitstimmenergebnis nicht mehr im Bundestag widerspiegeln und die Zusammensetzung wäre verzerrt." Haßelmann sieht die Union in der Verantwortung: "Uns läuft die Zeit für eine Wahlrechtsreform davon. Die Union muss jetzt endlich ihre internen Streitereien klären und diesen Vielstimmenchor beenden." Die Grünen seien bereit, mit den anderen Fraktionen nach Lösungen zu suchen. "Aber Grundlage ist das personalisierte Verhältniswahlrecht. Und der Grundsatz, jede Stimme ist uns gleich viel wert, darf seine Gültigkeit nicht verlieren."

Auch der FDP-Politiker Ruppert sieht beim Brinkhaus-Vorschlag den Zweitstimmenproporz zugunsten der Union verzerrt. Er erinnerte daran, dass an diesem Vorschlag schon die von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble einberufene Wahlrechtskommission im vergangenen Jahr gescheitert sei. "Nur der kleinen Schwester den ,Schwarzen Peter' zuzuschieben und Vorschläge des Koalitionspartners abzulehnen, reicht nicht", sagte Ruppert. Er spielte damit auf ein SPD-Konzept an, das eine Deckelung bei 690 Mandaten vorsieht. Die CDU hatte es abgelehnt. Wie Haßelmann betonte auch Ruppert: "Es muss gelten: Jede Stimme muss gleich viel wert sein." Der FDP-Politiker ergänzte: "Und alle müssen entsprechend ihrem Stärkeverhältnis Sitze abgeben. Auf dieser Basis sind wir zu fairen Kompromissen bereit."

Hintergrund der Debatte ist die Befürchtung, dass der Bundestag bei der Wahl 2021 auf mehr als 800 Abgeordnete anwachsen könnte. Schon jetzt ist das Parlament mit 709 Abgeordneten so groß wie nie zuvor. Die Normgröße sind eigentlich 598 Mandate. Allerdings wird es von Tag zu Tag schwieriger, zu verhindern, dass aus dem derzeitigen XL-Parlament ein XXL-Parlament wird. Bis zur Bundestagswahl sind es noch eineinhalb Jahre. Die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren, ist bis dahin kaum noch möglich - was ein Politfuchs wie Brinkhaus natürlich weiß.

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