Experimentelle Archäologie:Duelle wie vor 3000 Jahren

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Durch nachgegossene Schwerter kann nachvollzogen werden, wie Bronzezeitkrieger früher wahrscheinlich gekämpft haben. (Foto: Raphael Hermann und Rachel Crellin)

Archäologen ließen Schwerter aus der Bronzezeit schmieden, dann trugen Mitglieder eines "Fight Clubs" damit Kämpfe aus. Das Experiment liefert Erkenntnisse über historische Kampftechniken.

Von Hubert Filser

In ganz Europa, in Gräbern, Sümpfen und Flüssen haben Archäologen bereits vorgeschichtliche Bronzeschwerter gefunden. Experten hielten sie lange Zeit eher für Statussymbole. Bronze, eine Legierung aus Kupfer und Zinn, ist zwar härter als reines Kupfer, galt aber unter Archäologen als eher zu weich und verformbar für eine Waffe. Nun hat ein Team um den Göttinger Archäologen Raphael Hermann diese Einschätzung mit Experimenten widerlegt.

Die Forscher gossen antike Bronzeschwerter nach, erprobten damit historische Kampftechniken und verglichen die Abnutzungsspuren auf den Schwertern mit denen historischer Funde. Über das Ergebnis berichten die Forscher im Journal of Archaeological Method and Theory.

"Die Schwerter wurden tatsächlich sehr häufig im Kampf verwendet", sagt Hermann. "Wir konnten sogar spezielle Kampftechniken nachweisen." Ein großer Teil der bronzezeitlichen Auseinandersetzungen war von Zweikämpfen Schwert-gegen-Schwert geprägt. Aber häufig gab es auch die Variante Schwert-gegen-Speer.

Mitglieder eines Fightclubs kämpften für das Experiment Mann gegen Mann

Ihn habe ein "persönliches Interesse am Schwertkampf und Spaß an experimenteller Archäologie" zur der umfangreichen Studie bewogen, berichtet Hermann. Anders als Speere, Äxte oder Pfeile seien Schwerter "die ersten Gegenstände, die erfunden wurden, um einen anderen Menschen zu töten", sagt der Göttinger. Für ihre Studie wählten die Altertumsforscher zunächst fünf, in der Bronzezeit zwischen 1600 und 600 vor Christus typische europäische Schwerttypen aus, zum Beispiel Ewart Park, das sehr häufig in Großbritannien vorkam, oder Wilburton, ein eher kontinentales Vollgriffschwert.

Ein Duell mit nachgebauten Schwertern (Foto: Journal of Archaeological Method and Theory)

Die Forscher ließen die Waffen von einem der erfahrensten Bronzegießer der Welt nachgießen. Neil Burridge verwendete eine Legierung aus 88 Prozent Kupfer und zwölf Prozent Zinn, bearbeitete nach dem Guss die Klinge mit Hammer und Amboss, und kühlte das Schwert blitzschnell im Wasserbad ab, wieder und wieder. Mit diesen Nachbauten führten die Forscher ihre Experimente aus. Nach dem Studium mittelalterlicher Quellen entwarf er mit Kampfsportlehrern ein festes Testprotokoll. Dieses setzten dann Mitglieder eines Fightclubs aus Newcastle in die Praxis um. Die Männer kämpften nach durchchoreografierten Vorgaben in Schutzkleidung Mann gegen Mann, Schwert gegen Schwert, mit gekreuzten Klingen oder auch in einer alten Technik namens "Versetzen". Dabei sucht man direkten Kontakt mit der Waffe des Gegners, um diese zu kontrollieren. "Diese Technik ist ideal für Bronzeschwerter, sie kleben bei Kontakt quasi aneinander", erklärt Hermann.

Die Kämpfe zeichneten die Forscher mit Hochgeschwindigkeitskameras auf. Anschließend erfassten sie getrennt nach Kampfstil und Schwertart die typischen Spuren auf den Klingen. Beim Kampf Speer gegen Schwert beispielsweise finden sich häufig längliche Dellen vom Schlag auf einen Speerschaft und breite Scharten bei Kontakt mit der Speerspitze.

2500 Kampfspuren auf insgesamt 110 bronzezeitlichen Schwertern aus Italien und Britannien hatte Hermann unter dem Mikroskop erfasst, Kratzer, Risse, Scharten, eckige und runde Kerben, Wellen, Dellen, Abstumpfungen oder Brüche. Die Archäologen fanden auch an den historischen Schwertern typische, unverwechselbare Verschleißmuster.

Am Anfang kämpften die Krieger noch mit unausgereiften Methoden

Hermann glaubt daher, auf die Kampftechniken der Bronzezeitkrieger schließen zu können. "Wir konnten verschiedene Kampfstile belegen, die sich regional über Jahrhunderte entwickelt haben", sagt Hermann. "Zu Beginn der Schwertkampfzeit in der frühen Bronzezeit waren die Techniken noch eher unausgereift, spätere Kampfstile wie das "Versetzen" erforderten sehr viel Training." Offenbar war das auch notwendig, um die wertvollen Waffen möglichst effektiv und materialschonend einzusetzen.

So geben die Ergebnisse Historikern neue Impulse. Spuren von Speer-gegen-Schwert-Kämpfen seien überraschend häufig auf den Originalschwertern zu finden gewesen, so Hermann. Spannend ist auch, dass die meisten Techniken zunächst in Italien auftauchten und in der Regel Jahrhunderte später in Großbritannien. Ein Rätsel bleibt, warum die etablierten Kampfstile mit Beginn der Eisenzeit relativ schlagartig verschwanden. Womöglich erforderte das neue Material neue Kampftechniken.

© SZ vom 28.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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