Fürstenfeldbruck:Politarithmetik

CSU-Fraktionschef Andreas Lohde und der künftige Grünen-Fraktionschef Jan Halbauer rechnen vor, warum man bei der Vergabe der Bürgermeisterposten nur gemeinsam weiterkommt - und das auch im Sinne der Stadtratsarbeit sein könnte

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Einigung von CSU und Grünen auf die Besetzung der Posten des Zweiten und Dritten Bürgermeisters in Fürstenfeldbruck schlägt hohe Wellen. Die beiden "Unterhändler", CSU-Orts- und Fraktionschef Andreas Lohde sowie der künftige Grünen-Fraktionschef Jan Halbauer, sehen Erklärungsbedarf.

Halbauer betont, mit allen Fraktionen seien ausführliche Gespräche geführt worden. Letztlich habe sich gezeigt, dass rein rechnerisch nur in sehr wenigen Konstellationen die erforderlichen Mehrheiten für die Abstimmung am 5. Mai zu erreichen sind. Halbauer, dem Politiker anderer Fraktionen Verhandlungsgeschick bescheinigen, ist Bezirks-, Kreis- und Stadtrat sowie Assistent des Landtagsabgeordneten Martin Runge. Ihm werden Ambitionen nachgesagt, über kurz oder lang selbst ins Maximilianeum einzuziehen. In der Fraktionsdoppelspitze mit Gina Merkl und als möglicher OB-Kandidat dürfte er Gelegenheit haben, sich zu profilieren und an Bekanntheit zu gewinnen. Der Wechsel auf den Posten an der Spitze der Fraktion erfolgt reibungsloser, wenn der bisherige Amtsinhaber Christian Stangl gleichzeitig einen besseren Posten erhält - wie den des Zweiten Bürgermeisters.

Lohde hatte dafür die Unterstützung der CSU angeboten, im Gegenzug sollen die Grünen mithelfen, die Christsoziale Birgitta Klemenz zur Dritten Bürgermeisterin zu machen. Vor allem Politiker der BBV sehen darin einen Kuhhandel auf Kosten des bisherigen Raff-Stellvertreters Christian Götz (BBV). Auch an der Grünen-Basis gibt es vernehmliches Murren. Und ob die zum Abtritt gezwungene bisherige Dritte Bürgermeisterin Karin Geißler (Grüne) zu CSU-Spielregeln mitmacht, ist offen.

Bruck: STADTRATSSITZUNG - Vereidigung Oberbürgermeister

OB Erich Raff bei der Amtseinführung 2017. Rechts von ihm Christian Stangl, Favorit für den Posten des Stellvertreters, und Jan Halbauer.

(Foto: Johannes Simon)

Gleichwohl bewerten sogar Leute aus dem der BBV freundschaftlich verbundenen Lager die Chancen für Götz als mäßig. Auf Unterstützung könne der weder aus den Lagern von CSU, SPD noch von FDP und Die Partei rechnen - die Freien Wähler dürften in der Frage gespalten sein. Auf die erforderlichen 21 Stimmen käme Götz ohne Abweichler in diesen Lagern auch mit Grünen-Hilfe nicht.

Ob sich Halbauers Kompromissvorschlag, den Posten eines Vierten Bürgermeisters einzuführen und an die BBV zu vergeben, mit der Geschäftsordnung vereinbaren ließe, ist offen.

Die CSU verlieh ihrem Vorschlag mit spezieller Relativitätstheorie Nachdruck: So stand einige Zeit im Raum, sie könne gemeinsam mit FDP-Mann Klaus Wollenberg eine Fraktionsgemeinschaft bilden. Das würde bedeuten, dass die Grünen einen Sitz in den Fachausschüssen verlieren würden - eine echte Drohkulisse.

So kommt ein Argument zum anderen für die schwarz-grüne Interessengemeinschaft. Dass mancher Grüner, der sich eher den Fundis zurechnet, Magengrummeln bekommt, wenn er diese Kröte schlucken soll, ist klar. Es ist letztlich eher eine Kopf- denn eine Bauchentscheidung. Gleichwohl ist es viel wert, einen Vertreter an die Spitze der Verwaltung entsenden zu können. Jede Fraktion profitiert von so einem Stellvertreteramt - durch mehr Einflussmöglichkeiten und direkten Informationsfluss. Der 62 Jahre alte Christian Stangl empfindet den Bürgermeisterposten zudem als persönliche Herausforderung, die er annehmen will. Ebenso wie Lohde und Halbauer streicht Stangl den Wunsch heraus, endlich wieder die Wogen im oft zerstrittenen Stadtrat zu glätten und zur Sacharbeit zurückzufinden. Abwegig ist das nicht. Denn der Stadtrat ist zwar durch den Sitz für Die Linke noch stärker fragmentiert. Andererseits hat der lautstärkste Raff-Kritiker - der frühere SPD-Stadtrat Axel Lämmle - sein Mandat für die Linke abgegeben. Und der zweitgrößte Raff-Kritiker scheidet in Person des Finanzreferenten Walter Schwarz (SPD) aus dem Gremium aus - ebenso wie sein Parteifreund Ulrich Schmetz. Bliebe also vor allem Alexa Zierl von der ÖDP, die sich in der vorigen Amtsperiode immer wieder am Oberbürgermeister abgearbeitet hat - wenn auch meist verbindlich im Ton und sachlich.

Bruck: STADTRATSSITZUNG - Vereidigung Oberbürgermeister

Die Chancen für Amtsinhaber Christian Götz und Karin Geißler, ihre Posten zu behalten, sind denkbar schlecht.

(Foto: Johannes Simon)

Stangl und Klemenz, so die Hoffnung mehrerer Stadträte, könnten als Scharniere den oft impulsiv agierenden Oberbürgermeister Erich Raff wieder besser mit dem Stadtrat verbinden. Wiederholt hatte sich in der zurückliegenden Amtsperiode gezeigt, dass sich bisweilen sogar zwischen Raff und der CSU-Fraktion Abgründe auftun. So hatte sich der OB nach Überzeugung vieler Stadträte vor zwei Jahren beim Thema Betriebserlaubnis für die Asylunterkunft am Fliegerhorst verrannt. Lohde gebührte der nahezu einstimmige Dank dafür, dass er die letzten strittigen Punkte mit der zuständigen Regierung von Oberbayern zu Ende verhandelt hatte. Teile der CSU-Fraktion kreideten Raff zudem handwerkliche Fehler an, nachdem dieser einen Vertrag mit dem Sportclubs ohne Rückendeckung des Gremiums gekündigt hatte.

Andreas Lohde will eine Kluft zum Oberbürgermeister nicht erkennen. Die Initiative zur Verlegung der Staatsstraße 2054 habe gezeigt, dass man sehr wohl an einem Strang ziehe. Aber auch Lohde weiß, dass eine bessere Kooperation im Stadtrat überfällig ist. Der Oberbürgermeister will bis 2023 trotz aller Querelen weitermachen, das hat er wiederholt klar gemacht. Dann muss eben am Binnenklima zwischen den Fraktionen gearbeitet werden.

Vor diesem Hintergrund sei das aktuelle Angebot der CSU an die Grünen zu sehen, heißt es. Es gehe mitnichten darum, mit Christian Götz einen lästigen Konkurrenten kaltzustellen. In der Causa Götz müsse er sich ohnehin nichts vorwerfen lassen, findet Lohde. Habe sich doch Erich Raffs Amtsvorgänger Klaus Pleil (BBV) ebenfalls dagegen ausgesprochen, einen künftigen potenziellen OB-Kandidaten als Stellvertreter zu akzeptieren, der sich auf dem Posten dann möglicherweise vor allem selbst in Szene setzen will. Da sei es nur konsequent, auch den mittlerweile zum ernsthaften OB-Kandidaten avancierten Christian Götz abzulehnen.

Fürstenfeldbruck: CSU-Chef Andreas Lohde (nach der verlorenen Stichwahl 2014) mit Birgitta Klemenz, die Dritte Bürgermeisterin werden soll.

CSU-Chef Andreas Lohde (nach der verlorenen Stichwahl 2014) mit Birgitta Klemenz, die Dritte Bürgermeisterin werden soll.

(Foto: Stefan Salger/oh)

Pleil hatte sich in der Tat 2014 gegen Andreas Lohde als Stellvertreter ausgesprochen. Weil die CSU in der Folge Pleils CSU-Wunschkandidaten Franz Höfelsauer ablehnte (worüber dieser bis heute sauer ist), kam Erich Raff zum Zug. Er ist Beleg dafür, wie schnell man vom Kompromisskandidaten zum Chef wird. In diesem Bewusstsein dürfte die CSU ein Szenario ganz besonders fürchten: Sollte Raff im Zuge von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Stadtwerken und Sportclub übergangsweise sein Amt ruhen lassen, will man keinen ambitionierten Christian Götz auf der Pole Position.

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