Verteidigungspolitik:Eva Högl soll neue Wehrbeauftragte werden

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Eva Högl (SPD) während einer Sitzung des Deutschen Bundestages in Berlin (Foto: Christian Spicker/imago images)

Die SPD will ihre profilierte Rechts- und Innenpolitikerin vorschlagen. Es wäre das zweite Mal, dass eine Frau das Amt übernimmt.

Von Mike Szymanski, Berlin

Die Rechts- und Innenpolitikerin Eva Högl (SPD) soll neue Wehrbeauftragte des Bundestages werden. Die SPD-Fraktionsführung will nach Informationen der Süddeutschen Zeitung die 51 Jahre alte Bundestagsabgeordnete als Nachfolgerin für Hans-Peter Bartels, ebenfalls SPD, vorschlagen. Dessen erste Amtszeit läuft Mitte Mai aus.

Mit Högl würde zum zweiten Mal in der Geschichte des Amtes eine Frau die parlamentarische Kontrolle der Bundeswehr begleiten. Von 1995 bis 2000 füllte Claire Marienfeld von der CDU diese Aufgabe aus. Der Wehrbeauftragte, in geheimer Wahl für fünf Jahre vom Bundestag gewählt, wacht über den Zustand der Bundeswehr. Zugleich ist er oder sie Ansprechpartner für die Belange der Soldaten und wird deshalb auch als ihr Anwalt betrachtet.

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Der oder die Wehrbeauftragte soll überparteilich agieren und legt mindestens einmal im Jahr einen Bericht zur Situation in der Truppe vor, der regelmäßig große Beachtung und Eingang in die politische Diskussion findet. Der Wehrbeauftragte nimmt eine Sonderrolle ein, er ist weder Mitglied des Bundestages noch Beamter.

Überraschungskandidatin

Mit Högl präsentiert die SPD-Fraktionsführung um ihren Chef Rolf Mützenich eine Überraschungskandidatin. Amtsinhaber Hans-Peter Bartels hatte Interesse daran bekundet, die Arbeit fortzusetzen. Konkurrenz um das Amt machte ihm der einflussreiche SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs. Der Wettstreit um das Amt hatte die Fraktion zunehmend in eine missliche Lage gebracht: Es fiel selbst Bartels' Gegnern schwer, starke Argumente gegen ihn zu finden.

Bartels gilt zwar als Einzelgänger. Aber bis ins Lager der Opposition fanden sich Unterstützer für ihn und seine Arbeit. Mit der Rolle als Kummerkasten hatte er sich nie begnügt, Bartels hatte sich immer auch in die großen politischen Debatten über die Zukunft der Bundeswehr eingeschaltet.

Kahrs wird zwar eine größere politische Durchschlagskraft nachgesagt. Als Haushaltspolitiker hatte er aber am Amtsinhaber vorbei zusätzliche Stellen für den Wehrbeauftragten organisiert. Dies kam in den eigenen Reihen so an, als sei er sich schon sicher, nächster Wehrbeauftragter zu werden. Es sah zuletzt nicht danach aus, dass einer von beiden freiwillig verzichten würde.

Mit Högl präsentiert Mützenich nun eine Kandidatin, die bislang niemand auf dem Schirm gehabt haben dürfte. Högl, geboren in Osnabrück, gehört dem Berliner Landesverband der SPD an und kam 2009 in den Bundestag. Die Juristin stieg zu den profiliertesten Rechts- und Innenpolitikern der SPD auf, ist Fraktionsvize und wird für ihren Fleiß und ihre Kompetenz geschätzt. Größere Aufmerksamkeit erlangte sie als SPD-Obfrau im Untersuchungsausschuss zur rechtsextremistischen Terrorgruppe NSU.

Über ihre Arbeit im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Arbeit der Geheimdienste überwacht, hat sie immer mal wieder mit Extremismusfällen in der Bundeswehr zu tun. Die Fraktionsspitze verfolgt mit Sorge, welchen Zuspruch die in Teilen rassistische AfD auch in der Bundeswehr erfährt und möchte dieser Entwicklung mit der Neubesetzung im Amt des Wehrbeauftragten klar etwas entgegensetzen.

Högl gilt als durchsetzungsstark, mitunter ist sie etwas ruppig im Ton. Mehrmals wurde sie schon als mögliche Bundesministerin gehandelt, etwa für das Justizressort. Jedoch standen ihr zuletzt vor allem Proporzgründe im Weg. Sie galt als schwer durchsetzbar, unter anderem weil ihre Berliner SPD bereits mit Franziska Giffey als Familienministerin im Kabinett vertreten ist. Spannend dürfte sein, wie die Union als Koalitionspartner auf diesen Personalvorschlag reagiert. Dort gab es Signale, mit Bartels weitermachen zu wollen oder, andernfalls, das Amt für einen eigenen Kandidaten zu beanspruchen.

Der SPD-Fraktion wird Högl im Fall ihrer Wahl dann nicht mehr angehören. Mit ihrem Weggang müssten die Sozialdemokraten dann den zweiten Experten-Abgang in kurzer Zeit verkraften. Erst im Oktober hat der langjährige Abgeordnete Burkhard Lischka, ebenfalls ein hoch geschätzter Innenpolitiker, auf eigenen Wunsch den Bundestag verlassen, um in Sachsen-Anhalt Notar zu werden.

Sollte sich Högl durchsetzen, dürften auf sie im Amt der Wehrbeauftragten des Bundestages bewegte Zeiten zukommen. Unter Bartels ist wieder kräftig in die Bundeswehr investiert worden, zumindest finanziell ist die Kehrtwende hin zu einer wachsenden Armee erreicht worden.

Dennoch gehören Klagen über Ausstattungsmängel und fehlender Einsatzbereitschaft bei Schiffen, Flugzeugen und Panzern zum Tagesgeschäft. Ob die Truppe auch in Zukunft mit steigenden Etats planen kann, ist ungewiss. Die Folgen der Corona-Krise dürften den Bundeshaushalt noch lange schwer belasten.

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