Neubiberg:Wie das ABC-Abwehrkommando gegen Corona kämpft

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Die Soldaten, die derzeit in Neubiberg mit der Desinfektionsmittel-Produktion beschäftigt sind, sind normalerweise für die Dekontamination von Kampfstoffen zuständig. (Foto: dpa)

Soldaten stellen auf dem Gelände der Bundeswehr-Universität ein Desinfektionsmittel her, das in Behörden und Gesundheitseinrichtungen in ganz Bayern verwendet werden soll. Das THW übernimmt die Verteilung.

Von Iris Hilberth, München/Neubiberg

Ein lautes, tiefes Brummen dröhnt über den großen Platz am südlichen Ende des Geländes der Bundeswehr-Universität in Neubiberg. Dort wo in normalen Zeiten die Studenten der Fakultät für Maschinenbau lernen und forschen, stehen dicht beieinander imposante Spezialfahrzeuge des Militärs. Verbunden sind sie durch diverse Schläuche, die sich über den Asphalt schlängeln. Männer in gelben Schutzanzügen gießen Flüssigkeiten in große Trichter. Ihre Gesichter sind mit ABC-Schutzmasken komplett verdeckt. Es sind Soldaten des ABC-Abwehrkommandos aus Bruchsal in Baden-Württemberg und Höxter bei Hannover, die hier ihren Dienst tun. Ihr Kerngeschäft ist normalerweise die Dekontamination von Kampfstoffen. In Corona-Zeiten aber lautet das Kommando für sie: Desinfektionsmittel herstellen.

Der Einsatz der Truppe mit der mobilen Produktionsstätte für eine der derzeit begehrtesten Mixturen geht auf ein Amtshilfegesuch Bayerns zurück. Aus diesem Grund haben vergangene Woche der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und der Nationale Territoriale Befehlshaber, Generalleutnant Martin Schelleis, der die Gesamtverantwortung für alle Amtshilfeverfahren im Inland hat, die Soldaten auf dem Gelände der Bundeswehr-Uni besucht.

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Sie ließen sich zeigen, wie das Leitungswasser in das vorderste Fahrzeug gepumpt wird, und dort durch diverse Filterungen, durch Entkeimung und das Entziehen von Salzen zu reinem Wasser wird, das ausschließlich aus Wassermolekülen besteht. Würde man das Verfahren wie sonst üblich zur Trinkwassergewinnung nutzen, müsste man Salze und Chlor zusetzen. Das ist hier allerdings nicht der Fall. Vielmehr mischen die Soldaten im nächsten Schritt diverse Chemikalien unter, etwa Essigsäure, Ethanol und Natronlauge, wie sie den Besuchern demonstrierten.

So entsteht ein Mittel für Flächen- und Handdesinfektion, das eine höherer Leistungsdichte als handelsübliche Produkte haben soll. Es riecht nach Essig und verdunstet nicht so schnell wie andere Desinfektionsmittel, auch sollen die Hände bei häufiger Anwendung nicht so stark austrocknen. Die Mixtur beruht auf einem Patent des Cuxhavener Unternehmers Sven Reichwagen, eines Reservisten, der es der Bundeswehr kostenlos zur Verfügung stellt. Minister Herrmann, selbst Oberstleutnant der Reserve, freut das besonders. "Das zeigt, wie wichtig Reservisten und ihr Spezialwissen aus ihrem zivilen Berufsleben für die Bundeswehr sind", sagte er.

Erprobt wurde die Herstellung des Desinfektionsmittels in der mobilen Produktionsstätte zunächst in Sonthofen. Seit 15. April laufen die Maschinen nun auf dem Platz des Uni-Geländes. 6000 bis 8000 Liter können pro Stunden hergestellt werden, und das 20 Stunden am Tag.

Die restlichen vier Stunden werden für die Wartung der Gerätschaften benötigt. Zehn Soldaten sind im Einsatz, einer davon mit naturwissenschaftlichem Hintergrund, sowie ein Zivilist. Sie rotierten wöchentlich, immer sonntags sei Übergabe, erläuterten der Kommandeur des ABC-Abwehrkommandos, Oberst Klaus Werner Schiff, und der Kommandeur des Landeskommandos Bayern, Brigadegeneral Thomas Hambach das Vorgehen. Bis zu 200 Tonnen Desinfektionsmittel sollen so für Bayern vorerst hergestellt werden.

Die Verteilung übernimmt das Technische Hilfswerk. Große Lastwagen des THW werden direkt auf dem Uni-Gelände mit den Kanistern beladen und in sämtliche Landkreise des Freistaats transportiert. Landesbeauftragter Fritz Helge Voß sprach von 500 Einsatzkräften, die in die gesamte Logistik des Transports eingebunden seien. Jeden oder jeden zweiten Tag werde das Desinfektionsmittel in ganz Bayern verteilt.

Innenminister Herrmann will damit vor allem sicherstellen, dass öffentlichen Großflächen in Behörden und Gesundheitseinrichtungen desinfiziert werden können. "Auch wenn die Schulen wieder öffnen, werden wir uns schnell die Frage stellen, wie wir flächendeckend desinfizieren können", sagte er. Herrmann bezeichnete die Bundeswehr daher als "wichtigen Partner zur Eindämmung des Coronavirus". Man sei die Hilfe von anderen Katastrophen, beispielsweise beim Schnee, gewohnt, und habe stets ein breites Spektrum an Unterstützung erfahren. "Doch das hier ist eine besondere Situation. So etwas hat es noch nie gegeben", sagte Herrmann, vor allem, weil sie über Wochen und Monate andauern werde. Daher sei er froh, das Durchhaltevermögen und die Unterstützung der Bundeswehr zu haben.

Wie Generalleutnant Schelleis in Neubiberg berichtete, sind bis Mitte vergangener Woche insgesamt 450 Amtshilfe-Anträge gestellt worden. Die Aufgaben seien dabei sehr vielfältig. Die Hilfe reiche vom Transport von Schutzkleidung, Einsätzen als Ärzte oder in der Pflege, in Gesundheitsämtern sowie in Altenheimen - etwa in Bamberg - bis hin zur Bereitstellung von Laborkapazitäten und der Rückholung von deutschen Staatsbürgern aus China.

© SZ vom 04.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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