Coronavirus:Roches Antikörpertest und die schwierige Suche nach Immunität

Politiker besuchen Roche-Entwicklungslabor

Gesundheitsminister Jens Spahn spricht während eines Besuchs im Roche-Entwicklungslabor für den neuen Antikörpertest.

(Foto: dpa)

Der Pharmakonzern wirbt für einen neuen Antikörpertest auf Sars-CoV-2. Doch volle Gewissheit bietet auch dieser nicht. Und es bleibt fraglich, was man mit den Ergebnissen anfangen kann.

Von Kathrin Zinkant

Es kommt eher selten vor, dass die hohe Politik eine Kleinstadt beehrt und dort auf einer Pressekonferenz von "Weltklasse" und "Spitzenleistungen" spricht. Am Montag aber hatte das oberbayrische Penzberg das Glück gleich doppelt. Ministerpräsident Markus Söder und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn traten beim größten Arbeitgeber Penzbergs, der Diagnostiksparte des Pharmariesen Roche, gemeinsam vor die Öffentlichkeit.

Anlass des Besuchs war ein neuer sogenannter Antikörpertest der Firma, der soeben eine Schnellzulassung in den USA erhalten hat und nun auch in Deutschland erhältlich ist. Der Test weist Immunstoffe im Blut nach, die das körpereigene Abwehrsystem als Reaktion auf eine Infektion mit dem Coronavirus bildet. Solche Antikörper sind potenziell in der Lage, den Erreger im späteren Leben nicht nur wiederzuerkennen, sondern auch zu neutralisieren. Sie bieten möglicherweise eine Immunität gegen das Virus. Und darum geht es.

Spahn plant im Rahmen eines aktuellen Gesetzentwurfs, Immunitätsausweise für Sars-CoV-2 einzuführen. Diese Ausweise, auf dem Handy gespeichert, könnten es Menschen erlauben, sich "unbeschwerter" in der Öffentlichkeit zu bewegen, so hatte es der Bundesgesundheitsminister in der vergangenen Woche gesagt. Das beträfe laut Spahn vor allem Mitarbeiter im Gesundheitsbereich. Voraussetzung für einen solchen Ausweis wäre allerdings der zuverlässige Nachweis einer Immunität gegen das Virus. Und hier kommt der Test von Roche ins Spiel.

Wie viele Fehler der Test macht, hat der Hersteller an 5300 Proben untersucht

Wie das Unternehmen bereits am Sonntag mitteilte, besitzt der eilig entwickelte Test mit dem Namen "Elecsys Anti-Sars-CoV-2" eine von ähnlichen Tests bislang kaum erreichte Spezifität und Sensitivität. Aus dem Fachchinesischen übersetzt bedeutet das, dass der Test eine durchgemachte Erkrankung mit hoher Sicherheit nachweist und so gut wie nie Fehler macht. Das soll Roche selbst an insgesamt 5300 Proben überprüft haben. Demnach werden 100 Prozent der tatsächlich erfolgten Infektionen richtig erkannt, und nur bei 0,19 Prozent der getesteten Personen werden fälschlicherweise Antikörper nachgewiesen, obwohl keine da sind. Auch eine sogenannte Kreuzreaktivität mit anderen Viren soll es Roche zufolge nicht geben.

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Im Vergleich zu den zahlreichen anderen Antikörpertests für das neue Coronavirus stünde Roche mit dieser Präzision gut da, andere Tests melden häufiger Antikörper, obwohl keine vorhanden sind. Allerdings wurde gerade die Sensitivität, also der korrekte Nachweis einer überstandenen Infektion, nach Aussage von Roche lediglich an 29 positiven Proben geprüft. Ob Elecsys wirklich so gut ist, wie das Unternehmen sagt, müssen unabhängige Studien und die Praxis erst noch zeigen.

Und selbst wenn sich die "Weltklasse" bestätigt: Es bleibt die Frage, was man mit so einem Antikörpertest, sei er von Roche oder einer anderen Firma, in der Realität anfangen kann. Als Nachweis einer Immunität für einzelne Personen taugen Tests nur, wenn die nachgewiesenen Immunstoffe das neue Coronavirus nachweislich ausschalten können, und zwar dauerhaft. Ein Antikörpertest allein kann diese beiden Fragen jedoch gar nicht beantworten, dafür sind weitere Tests im Labor nötig. Hinzu kommt, dass selbst das Vorhandensein von Antikörpern, die das Virus neutralisieren, keinen endgültigen Zustand beschreibt. Solche Immunmoleküle können nach Wochen oder Monaten auch wieder verschwinden - und mit ihnen die Immunität. Ob dies bei Sars-CoV-2 der Fall ist, wissen Forscher derzeit noch nicht.

Die Uni München hat 50 000 Tests bestellt, um die Bevölkerung der Stadt zu untersuchen

Zu guter Letzt ist offen, ob die fünf Millionen Tests, die laut Spahn nun pro Monat in Deutschland von Roche ausgeliefert werden sollen, nicht doch einen erheblichen Fehler produzieren würden, falls sie in der Breite eingesetzt werden. Es ist ein Rechenspiel, das immer wieder erstaunt, aber vor allem mit der niedrigen Durchseuchung in Deutschland zu tun hat. Aktuell beträgt die Fallrate in Deutschland, also der Prozentsatz bestätigter Fälle, knapp 0,2 Prozent. Selbst wenn die echte Infektionsrate zehnmal so hoch wäre, würde ein bevölkerungsweiter Test bei 1,6 Millionen korrekten Nachweisen einer überstandenen Infektion auch knapp 160 000 falsch positive Ergebnisse produzieren. Das entspricht einem Fehler von zehn Prozent.

Und so war es am Montag in Penzberg zwar beruhigend zu hören, dass Jens Spahn die geplanten Immunitätsausweise nicht sofort einführen will. Er hat auch den deutschen Ethikrat noch um eine Einschätzung gebeten. Den Einsatz des neuen - und anderer - Tests verortet der Minister zunächst eher im Forschungsbereich. So hat die Ludwig-Maximilians-Universität München 50 000 Tests erhalten, um die Ausbreitung des Virus in der bayrischen Landeshauptstadt zu untersuchen.

Aber testen kann sich laut Gesundheitsminister schon jetzt jeder, der bereit ist, dafür zu bezahlen - und falls Antikörper gefunden werden, soll das nach Spahns Vorstellung auch in den Impfpass eingetragen werden. "Das halte ich für das Normalste der Welt", sagte der Minister in Penzberg und verwies auf andere Viruserkrankungen, bei denen dies längst üblich sei, zum Beispiel die Masern. Bei den Masern allerdings gilt ein Nachweis von Antikörpern als sicherer Nachweis der Immunität. Bei Sars-CoV-2 ist das eben nicht so.

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