Abgasskandal vor Gericht:Ein verheerender erster Verhandlungstag für VW

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Verhandelt wird über die Klage von Herbert Gilbert (ganz links), der sich 2014 einen gebrauchten VW Sharan gekauft hatte und wegen des manipulierten Dieselmotors den vollen Kaufpreis von 31 490 Euro plus Zinsen zurückverlangt. (Foto: dpa)

Der Bundesgerichtshof lässt Käufer von manipulierten VW-Dieselautos auf höhere Entschädigungen hoffen. Für Volkswagen könnte es noch ganz schön teuer werden.

Von Angelika Slavik, Hamburg

Es war der vielleicht größte Industriebetrug der deutschen Nachkriegsgeschichte - nun beschäftigt sich erstmals der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Dieselbetrug von Volkswagen. Die Verhandlung, die am Dienstag in Karlsruhe begann, wird wegweisend sein für Zehntausende andere Verfahren, die in der Diesel-Causa noch anhängig sind. Und die erste Einschätzung der Richter fiel für den VW-Konzern verheerend aus.

Verhandelt wird konkret über die Klage des Frührentners Herbert Gilbert, der sich 2014 einen gebrauchten VW Sharan gekauft hatte und wegen des manipulierten Dieselmotors den vollen Kaufpreis von 31 490 Euro plus Zinsen zurückverlangt: Hätte er von der Täuschung gewusst, hätte er den Wagen nicht gekauft. Er hatte bereits vor dem Oberlandesgericht Koblenz grundsätzlich recht bekommen: Wegen "vorsätzlich sittenwidriger Täuschung" sollte VW ihm 25 616 Euro zurückzahlen, also den Kaufpreis abzüglich einer Pauschale für die bisherige Nutzung des Fahrzeugs. Diese Nutzungspauschale wollte die Klägerseite nicht akzeptieren. VW hingegen bestreitet, dass überhaupt ein Schaden entstanden sei, schließlich seien alle Wagen stets fahrtauglich gewesen. Beide Seiten zogen vor den BGH - und für Volkswagen lief der erste Tag bitter.

Der Vorsitzende Richter Stephan Seiters erklärte in seinem einleitenden Vortrag zahlreiche Argumente des Autoherstellers für nicht zutreffend oder stellte diese zumindest infrage. Wichtigster Punkt: Allein durch den Kauf eines manipulierten Dieselfahrzeugs seien die Käufer geschädigt worden. Einen konkreten Schaden müsse man darüber hinaus nicht nachweisen. Die Argumentation von VW ist damit in ihren Grundfesten erschüttert. Reiner Hall, Anwalt des Konzerns, konstatierte: "Sie haben mir einen ordentlichen Fels in den Weg gelegt."

Auch die Klägerseite wird wohl nicht mit allen Argumenten durchkommen, das Gericht deutete den Abzug einer Nutzungspauschale an - die könnte aber durch die Zinsen auf den Kaufpreis zumindest teilweise wieder ausgeglichen werden.

Die Widerrufsfrist nach einem angenommenen Vergleich beträgt nur 14 Tage

Kunden, die sich im Rahmen der Musterfeststellungsklage auf einen Vergleich eingelassen haben, müssen sich nun nach der BGH-Einschätzung schnell entscheiden. Denn wer diesen Vergleich erst in den letzten Tagen vor Fristende angenommen hat, könnte seine Zustimmung noch widerrufen, um bei einer Einzelklage eine höhere Zahlung zu erreichen. Den Teilnehmern der Musterklage bot VW zwischen 1350 und 6257 Euro als Vergleich an. Nach der Rechtsauffassung, die der BGH nun andeutet, könnte ihnen deutlich mehr zustehen. Die Widerrufsfrist nach einem angenommenen Vergleich beträgt allerdings nur 14 Tage - wohl auch deshalb hat VW sein Vergleichsangebot zeitlich so gestaltet, dass der Großteil jener, die das Vergleichsangebot akzeptiert haben, nun von der Einschätzung des BGH nicht mehr profitieren kann.

Trotz dieses Manövers könnte die Sache für Volkswagen aber noch ganz schön teuer werden. Bundesweit sind mehr als 70 000 Verfahren anhängig, deren Ausgang von der Rechtsauffassung des BGH abhängt. Ein endgültiges Urteil wurde am Dienstag noch nicht verkündet. Dieses soll am 25. Mai gesprochen werden.

© SZ vom 06.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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