SZ-Serie "Die besten Sportfilme", Platz 19:Per Massenschlägerei ins Finale

Lesezeit: 3 min

Je härter sie zuschlagen, desto begeisterter reagiert das Publikum. (Foto: imago images/Mary Evans)

Grotesk überzeichnet und trotzdem glaubwürdig: Warum die Eishockey-Komödie "Slap Shot" ein Kultfilm ist.

Von Johannes Schnitzler

Sportfilme haben es von Natur aus schwer: Der geneigte Sportfan erkennt sofort, dass selbst begnadete Schauspieler nicht zwingend Topathleten sind und Topathleten noch seltener begnadete Darsteller. Doch in den vergangenen Jahren ist die Auswahl gelungener Filme immer größer geworden: Die SZ-Sportredaktion stellt 22 von ihnen vor und kürt damit die - höchst subjektiven - 22 besten. Diesmal Platz 19: "Slap Shot".

"Sie wollen keine Tore von Euch. Sie wollen Blut sehen!" Die Erkenntnis kommt über Reggie Dunlop wie eine Epiphanie: Gewalt ist eine Lösung. Dunlop ist Spielertrainer der Charlestown Chiefs. Die Chiefs sind das, was man eine Gurkentruppe nennt, Schlusslicht in einer amerikanischen Minor League im Eishockey, Mitleid erregende Loser, von den eigenen Fans verspottet. Bis sie den hemmungslosen Gewaltexzess als Mittel zum Zweck entdecken. Je härter sie zuschlagen, desto begeisterter reagiert das Publikum. Die Zuschauerzahlen steigen, die Gegner haben auf einmal das Nervenflattern, die Chiefs beginnen zu gewinnen. Bis sie auf einmal im Finale stehen.

Paul Newman, zum Filmstart 52 Jahre alt, gibt den alternden Spielertrainer mit lausbubenhaftem Charme. Wenn er die Hanson Brothers erstmals in Aktion sieht, spiegeln sich in seinem Gesicht Entgeisterung und Belustigung, und man glaubt ihm, dass er etwas Vergleichbares nie zuvor gesehen hat. Wie auch. Die Brüder, drei langhaarige, ungezähmte Schlakse mit Nerd-Brillen, prügeln auf alles ein, was sich bewegt - selbst vor Schiedsrichtern und Zuschauern machen sie nicht Halt.

Regisseur George Roy Hill hatte bereits 1969 bei "Butch Cassidy and the Sundance Kid" und 1973 bei "The Sting" ("Der Clou") mit Paul Newman (und Robert Redford) zusammengearbeitet. "Slap Shot" (1977) war Hills drittes gemeinsames Projekt mit Newman binnen acht Jahren (ohne Redford, mit dem Hill 1975 "Tollkühne Flieger" gedreht hatte). Und wie immer achtete der Oscar-Preisträger auf Authentizität. Al Pacino sollte ursprünglich Reggie Dunlop spielen - aber er lief Hill zu schlecht Schlittschuh. John Travolta, Richard Gere, Nick Nolte, Harrison Ford, Tommy Lee Jones, die A-Liga der männlichen Hauptdarsteller zu dieser Zeit, sie alle sprachen für Rollen in "Slap Shot" vor. Doch keiner war Hill auf dem Eis gut genug - auch Kurt Russell nicht, der später in "The Miracle" (2004) immerhin Herb Brooks verkörperte, jenen legendären Coach, der die US-Auswahl bei den Olympischen Spielen 1980 zum "Wunder von Lake Placid " führte, dem Sieg über die Sowjetunion.

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Also doch wieder Newman. So grotesk überzeichnet Figuren wie Clarence "Screaming Buffalo" Swamptown, "Killer" Carlson oder "Mad Dog" Madison auch sind, so trickfilmhaft die Gewalt im Film ausartet ("Slap Shot" ist schließlich eine Komödie): Das Drehbuch von Nancy Dowd (Oscar für das Skript zum Vietnam-Drama "Coming Home", 1979) garantierte größtmögliche Glaubwürdigkeit. Denn es folgte den Aufzeichnungen ihres Bruders Ned Dowd, der für die Johnstown Jets in der North American Hockey League gespielt hatte - und in der Kabine und im Teambus immer den Kassettenrekorder mitlaufen ließ. Sein Filmcharakter Ned Braden wird gespielt von Michael Ontkean, einem jungen Kanadier und Rechtsaußen im Team der University of New Hampshire (der später als Sheriff in der Serie "Twin Peaks" von David Lynch auftauchen sollte).

In "Slap Shot" beendet er mit einem Striptease auf dem Eis eine wüste Massenrauferei, Dowd selbst hat einen Auftritt als Schlägertyp Ogie Ogilthorpe. Die realen Vorbilder für die Charlestown Chiefs waren die Philadelphia Flyers, die in den Siebzigern zwei Mal den Stanley Cup holten und wegen ihrer harten Spielweise in der NHL gefürchtet waren als "Broad Street Bullies", die Schläger von der Broad Street, wo sie ihre Heimspiele austrugen. Die ikonischen Stars des Films sind aber die Hanson Brothers, gespielt von den Profis und echten Brüdern Jeff und Steve Carlson; ihren dritten Bruder, der damals in den Playoffs unabkömmlich war, ersetzte ein Spieler der Johnstown Jets. Seine Name: Dave Hanson.

Obwohl Eishockey nach dem "Wunder von Innsbruck", der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 1976, in Deutschland gerade höchst populär war und Nationalspieler wie Erich Kühnhackl Starruhm genossen wie Fußballprofis, floppte "Slap Shot" in den deutschen Kinos (was vielleicht auch am grenzdebilen Verleihtitel "Schlappschuss" lag). Auf Video aber avancierte die Farce schnell zum Kult. Die Männerzeitschrift Maxim setzte ihn 1998 auf Platz eins der "100 besten Männerfilme", Paul Newman schwärmte bis zu seinem Tod von einer seiner Lieblingsrollen. Wie könnten seine blauen Augen lügen? Man darf ihn bloß nicht ernster nehmen als er ist - den Film.

"Slap Shot", (Deutsch: Schlappschuss), 1977, Regie: George Roy Hill

Bereits erschienene Rezensionen:

Platz 22: "Free Solo"

Platz 21: "Rush"

Platz 20: "Die nackte Kanone"

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