Leserantworten:Gesprächsbedarf

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SZ-Gerichtsreporterin Annette Ramelsberger im Dialog mit Lesern. (Foto: Florian Peljak)

Das beste Mittel gegen Hass und Hetze ist zuverlässiger Journalismus. Die redaktionelle Arbeit zu erklären, ist heute so wichtig wie nie.

Von Klaus Ott

Die Leserinnen und Leser der SZ haben viele Wünsche an ihre Zeitung, gerade in Corona-Zeiten. Es wäre doch beruhigend, nicht zuletzt alte Menschen vorzustellen, die es "geschafft" und Covid-19 überstanden haben, um Mut zu machen. So steht es in einer von vielen Zuschriften in diesen Wochen. Eine andere Bitte lautet, den Rätselteil auszudehnen. Ablenkung schadet ja nicht. Aber einen ganz bestimmten Wunsch kann die SZ beim besten Willen nicht erfüllen, zumindest nicht auf absehbare Zeit. "Sehr geehrte Herren und Damen, können Sie nicht mal eine ganz normale Ausgabe machen - so wie früher? 'Virenfrei'?"

Dafür kann die Zeitung etwas anderes tun, nach besten Kräften, schon seit Jahren und immer mehr: eine Klammer sein für die Gesellschaft. Oder zumindest versuchen, dazu beizutragen, dass es die Gesellschaft nicht noch weiter auseinandertreibt. Indem Journalistinnen und Journalisten der SZ rausgehen und reden, ihre Arbeit erklären und Diskussionen oberhalb der Gürtellinie anstoßen und organisieren. Bis das Virus kam, waren das viele Werkstattgespräche an Schulen und in Stadtbibliotheken. Hinzu kamen Lesercafés, Wahldebatten und Veranstaltungen mit prominenten Gästen von Joachim Gauck bis Marietta Slomka in Theatern und Universitäten. Und die "Werkstatt Demokratie", bei der Menschen aus unterschiedlichen Lagern mit ganz unterschiedlicher Meinung versuchten, gemeinsam Lösungsansätze für Probleme wie hohe Mieten und Wohnungsnot zu erarbeiten.

Bei einem der jüngsten Termine dieser Art hat Gerichtsreporterin Annette Ramelsberger Anfang Februar in der Münchner Stadtbibliothek rund 150 Besuchern erzählt, wie sie jahrelang vom NSU-Prozess berichtet hat. Und dabei auch einige Sätze gesagt, die sehr treffend die Haltung der Redaktion und den Umgang mit den Lesern beschreiben. "Journalisten haben eine dienende Aufgabe. Wir lernen dort, wo wir kritisiert werden. Wir versuchen, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen." Mit den Lesern reden, das ist in den vergangenen Jahren für alle Zeitungsredaktionen und auch für andere Medien wie ARD und ZDF wichtiger geworden. Und es wird in den Redaktionen auch immer wichtiger genommen. Das Internet führt zu mehr Vielfalt, weil jede und jeder Einzelne sich ein eigenes Publikum schaffen kann. Aber manche nutzen das, um Falsches zu verbreiten und Hass zu säen, bis hin zum US-Präsidenten Donald Trump mit vielen Millionen Followern via Twitter.

Das beste Gegenmittel sind verlässliche Informationen, sorgfältig recherchierte Berichte. Und Gespräche, in denen Redaktionen erklären, wie und nach welchen Standards sie arbeiten. Wie geprüft wird, was in die Zeitung, auf die Homepage kommt. Dort ist ja in der Regel nur das Ergebnis des Recherchierens und Redigierens zu sehen. Nicht aber, wie dieses Resultat zustande kommt. Einblicke geben, Fragen beantworten und mit den Lesern diskutieren, das ist zum festen Bestandteil des Jobs geworden.

Seitdem das Virus da ist, macht die SZ das in vielen Autorengesprächen auf sz.de. Christina Berndt, Wissenschaftsjournalistin, hat Anfang April Fragen zum Coronavirus beantwortet. Sollten alle einen Mundschutz tragen? Wie kann man sich bei einer Bahnfahrt schützen? Sportredakteur Martin Schneider hat am Mittwoch mit Lesern angeregt diskutiert, ob es richtig ist, dass die Fußball-Bundesliga bald wieder spielt. Und Simon Hurtz, Autor im Digital-Team, hat jüngst in einem Livestream Tipps gegen Corona-Unsinn im Internet gegeben. "Achtung, Ansteckungsgefahr", so lautete der Titel einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Stadtbibliotheken München und Köln und der Mediaschool Bayern. Statt analog mit Publikum im Saal jetzt eben digital mit Publikum im Netz, um vor gefährlichen Ratschlägen wie "Bleichmittel trinken" und vor Verschwörungstheorien zu warnen.

Bei der SZ kümmert sich eine Leserbriefredaktion intensiv um Briefe und Mails an den Lokalteil (Mail: forum-region@sueddeutsche.de) wie auch zu überregionalen Themen ( forum@sueddeutsche.de). Die Redakteurinnen und Redakteure wählen aus jährlich rund 50 000 Zuschriften aus, was auf der Leserbriefseite veröffentlicht wird. Das Kriterium dabei: kontroverse Debatten widerspiegeln. Die Agenda setzen die Leserinnen und Leser, was sie am meisten bewegt, findet sich in der Zeitung und der Digitalausgabe wieder.

Auf sz.de finden zudem täglich Leserdiskussionen zu aktuellen Entwicklungen statt, moderiert vom Leserdialog- und Social-Media-Team, das auch die Meinungsbeiträge auf Facebook, Twitter und Instagram betreut. Die Redaktion hat auch einen "Leseronkel", wie sich Tom Soyer selbst nennt. "Community Editor" heißt das neudeutsch. Soyer kümmert sich um Fragen, Kritik, Beschwerden. Und er korrigiert, wie alle im Leserdialog-Team, Fehler. Das ist der SZ besonders wichtig. Damit falsche Angaben, die bei täglich Hunderten von Beiträgen trotz intensiver Bearbeitung vorkommen können, ausgebessert werden. Das geschieht auf sz.de sowie den Leserbriefseiten unter der Rubrik "Korrekturen".

SZ-Journalisten bekommen Post zu ihren Beiträgen vom Leserbriefressort übrigens mit der Bitte übermittelt, die Chefredaktion wünsche "eine persönliche freundliche Antwort" an den Leserbriefschreiber.

© SZ vom 09.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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