Militärschau in Weißrussland:Lukaschenko ignoriert sämtliche Warnungen

75 Jahre Kriegsende - Belarus

Fahrzeuge der weißrussischen Armee proben für die Militärparade zum 75. Jahrestag zum Ende des Zweiten Weltkriegs.

(Foto: dpa)

Der weißrussische Präsident besteht trotz Corona auf eine Militärparade zum Siegestag über Nazi-Deutschland. Er will offenbar seinen russischen Kollegen Putin düpieren.

Von Frank Nienhuysen

Nichts soll die Kolonne noch aufhalten, um elf Uhr am Samstag rollt die Militärschau los. So der Plan. Der Weg führt über den "Prospekt der Sieger", die Saperow-Straße und den "Prospekt der Unabhängigkeit". Straßen, die jedoch nicht in Moskau liegen, sondern in Minsk. Corona hat die geplante Jubiläumsparade zum Siegestag in Russland gestoppt, aber in Weißrussland will Präsident Alexander Lukaschenko der Pandemie standhalten, indem er sämtliche Warnungen ignoriert. Warnungen aus dem eigenen Land, aus Russland und von der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Die WHO hat Weißrussland geraten, wegen der Corona-Ansteckungsgefahren doch auf die Siegesparade zu verzichten, doch Präsident Lukaschenko lud am Dienstag sogar noch Führungspolitiker anderer Nationen ein, nach Minsk zu kommen und gemeinsam das Spektakel zu verfolgen. Den Absagen zum Trotz wird die weißrussische Hauptstadt an diesem Wochenende zum Zentrum der Siegesfeiern.

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Ein kurzzeitiges Monopol auf Paraden

Der seit Jahrzehnten herrschende Staatschef dürfte das Paraden-Monopol als Prestigeerfolg für sich nutzen wollen, wenige Monate bevor wieder Präsidentenwahlen geplant sind. Obwohl die Johns-Hopkins-Universität inzwischen knapp 20 000 Infektionsfälle in Weißrussland registriert hat, greift der sonst so autoritär regierende Lukaschenko in Corona-Zeiten nicht hart durch. Einen Lockdown gibt es nicht, der Präsident hatte von einer "Psychose" gesprochen und Vergleichszahlen zu Alkoholtoten und Unfallopfern herangezogen.

"Es ist unmöglich, die Siegesparade abzusagen", erklärte er. Sein Land sei als eines der ersten Länder im Zweiten Weltkrieg angegriffen und verwüstet worden. Der Internetzeitung Naviny.by sagte der Minsker Soziologe Walerij Karbalewitsch, dass eines der wichtigsten Motive des Präsidenten sei, seinen russischen Kollegen Wladimir Putin mit der öffentlichen Siegesparade zu düpieren. Der Chef der russischen rechtsextremen Partei LDPR, Wladimir Schirinowskij, nannte das Durchziehen der Parade sogar "ein Verbrechen". Niemand aus den russischen Parteiführungen wollte denn auch der Einladung Lukaschenkos nach Minsk folgen. Der Kreml widersprach allerdings der Behauptung, dass Putin bei seinem Telefonat mit Alexander Lukaschenko am Mittwoch Missfallen an der Minsker Militärparade gezeigt habe.

Die weißrussische Führung hat zwar betont, niemand, und schon gar nicht jemand aus der Risikogruppe der alten Kriegsveteranen, werde zu einer Teilnahme gedrängt. Und Lukaschenko empfahl auch, dass Männer Frauen keine Küsschen geben sollten. Doch die Zeitung Tut.by berichtete von zahlreichen Anrufern, denen zufolge in Schulen, Universitäten und in staatlichen Betrieben Listen mit Teilnehmern erstellt würden, die ohne Schutzmasken am Siegestag zu erscheinen hätten. Einige Institute hätten Aussagen über einen Teilnahmezwang allerdings widersprochen.

Für Weißrussland ist der Tag des Sieges über Nazi-Deutschland wie auch in Russland das wichtigste Ereignis des Jahres, das Generationen umspannende Bedeutung hat. Nun wird Weißrussland als einzige mitbeteiligte Siegernation in Europa Bilder einer großen Parade liefern. Am Samstagabend ist im Zentrum der Hauptstadt sogar noch ein Konzert auf dem Siegesplatz geplant. Der Sänger Alexander Soloducha verriet, dass er Lieder über Heldenstädte singen werde. Und dass er eine Schutzmaske tragen werde.

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