Corona-Krise in Spanien:Scheinbarer Kindertraum von Pizza, Pommes und Limo

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Gut für diesen Pizzabäcker aus Madrid, ungesund für die Ernährung der Kinder: Noch eine Woche bekommen sie Pizza in der Schulkantine. (Foto: dpa)

Arme Kinder im Raum Madrid bekamen wochenlang Fastfood geliefert - weil es so schön günstig ist. Erst nach großen Protesten lenkt die Politik nun ein.

Von Sebastian Schoepp

Als das mit der Lieferung von Telepizza losging, waren Laura und Lorena, elf und acht Jahre alt, begeistert: Jeden Tag Pizza, Pasta, Burger, Limo! Ein scheinbarer Traum ging in Erfüllung für 11 500 Kinder zwischen sechs und 13 Jahren in 74 Gemeinden der Region Madrid. Ärmere Familien beziehen dort eine Hilfe zum Lebensunterhalt, die Kinder essen in Schulkantinen, und als die wegen Corona schlossen, war die Verzweiflung groß. Die Region Madrid schloss eiligst Verträge mit Telepizza und anderen Lieferdiensten.

Das Ergebnis: Laura hat in einem Monat sechs Kilo zugelegt, die Fritten hängen ihr längst zum Halse raus. "Die Mischung aus Eingesperrtsein und Müll-Essen ist die perfekte Methode, um die Gesundheit zu ruinieren", sagte ihre Mutter empört der Zeitung El País.

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Ein Aufschrei hallte nach diesem Bericht durch Spanien, Ernährungsberater protestierten. Die Präsidentin der Regionalregierung, Isabel Díaz Ayuso, reagierte pikiert: "Was wollen Sie, viele Kinder lieben Pizza!" Außerdem hätten die Fastfood-Ketten das günstigste Angebot abgegeben, betonte die Konservative. Doch nun hat sie dem Druck nachgegeben. Obwohl die Schulen geschlossen bleiben, sollen sozial benachteiligte Kinder im Raum Madrid wieder gesünderes Essen bekommen, allerdings erst vom 18. Mai an. So lange werde es dauern, eine gesündere Alternative zu organisieren. Also noch eine Woche Pizza!

Das Leiden der Kinder unter der drastischen Ausgangssperre in Spanien ist das große Thema im Land. Gesundheitsberater der Regierung warnten vor dem unerforschten Ansteckungsrisiko durch Kinder, deshalb sperrte man sie mit ihren Eltern sieben Wochen lang in die Wohnungen ein, und die sind meist winzig in Spanien. Barcelona etwa ist die am dichtesten besiedelte Stadt Europas, die Wände sind dünn, der Lärmpegel hoch. Wer je zugesehen hat, wie spanische Kinder ihren Bewegungsdrang bis spät abends auf Spielplätzen austoben, kann erahnen, was die Ausgangssperre für sie bedeutete.

Nur zögerlich willigte die Regierung vor zwei Wochen ein, die Kinder wieder rauszulassen, anfangs sollte das aber nur in Begleitung eines Erwachsenen möglich sein, der einkaufen geht. Das inspirierte die Satireseite El Mundo Today, Regierungssprecherin María Jesús Montero mit dem Logo eines Süßwarenherstellers abzubilden und ihr die Ankündigung in den Mund zu legen: "Wer ohne Chiquilín-Schokobärchen in der Supermarkttüte angetroffen wird, zahlt 25 000 Euro Strafe." Die Regierung ließ sich von Spott und Kritik erweichen, nun ist Kindern einmal am Tag Ausgang ins Freie erlaubt.

Die Fastfood-Ketten reagierten derweil empört auf die Kritik an ihrem Essen. Telepizza betonte, man habe das Bestmögliche getan, Pizzas gespendet und Arbeitsplätze erhalten. Die Kette Viena Capellanes strahlte ein mit Musik unterlegtes Video aus, in dem gezeigt wird, wie die Speisen abgepackt werden von mundschutzbewehrten Helfern. Man habe sich um ausgewogene Menüs bemüht, was man den Sachen in dem Video nicht unbedingt ansieht - auch wenn da tatsächlich mal ein Apfel unter den Zellophanhüllen hervorschimmert.

© SZ vom 09.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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