Saison-Fortsetzung:Mit der Abstiegsgefahr steigen die Corona-Bedenken

Brighton and Hove Albion v Manchester United, ManU - FA Women s Super League - The People s Pension Stadium A young Brig; Brighton

Brighton & Hove Albion steht in der Premier League zwei Plätze vor einem Abstiegsplatz.

(Foto: imago images/PA Images)

Über die Ligen hinweg bemerkt man eine gewisse Korrelation zwischen Tabellenplatz und der Haltung zur Saison-Fortsetzung. Doch die Positionen sind durchaus nachvollziehbar.

Kommentar von Johannes Aumüller

Paul Barber gehört zu den Rebellen. Er ist Chef des Fußballklubs Brighton & Hove Albion, der den schönen Spitznamen The Seagulls (Die Möwen) trägt und als 15. der Premier League zu den Abstiegskandidaten zählt. In dieser Funktion sprach sich Barber zuletzt oft gegen die Neustartpläne der Liga aus, und er trug dafür gute Argumente vor - etwa gesundheitliche Gefahren. Aber Barber verschwieg auch nicht, welches Argument für seine Positionierung ebenfalls eine Rolle spielte: "Ich muss eine Prioritätenliste setzen", sagte er. Und auf Platz eins der Liste stünde: "mein Klub".

Überall diskutieren Verbände und Ligen die Folgen der Corona-Krise: Abbruch? Fortsetzung - und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Dabei beteuern alle stets, das große Ganze im Blick zu haben, fußballerische Fragen, gesundheitliche, rechtliche, gesellschaftliche. Aber tatsächlich ergibt sich oft eine auffällige Korrelation: zwischen dem aktuellen Tabellenplatz - und der Haltung zum Virus und einer Saison-Fortsetzung.

So führt das dann dieser Tage zu dem Verdacht, dass eine erhöhte Abstiegsgefahr erhöhte Corona-Bedenken auslösen kann. In der Premier League opponierten die sechs abstiegsgefährdeten Klubs. Sie wollen, dass diesmal einfach niemand absteigt. In der deutschen dritten Liga - die, wie der DFB am Montag entschied, Ende Mai fortgesetzt werden soll - sprachen sich neben den beiden Spitzenreitern (Duisburg, Mannheim) auch die sechs Letzten für einen Saison-Stopp aus. Aber selbstverständlich gilt diese Beobachtung analog auch für die Vertreter aller anderen Tabellenregionen: Wer gerade knapp hinter dem Aufstiegsplatz liegt, hat tendenziell keine Bedenken, die Saison noch einmal aufzunehmen.

"Mein Klub", das ist es, was vielerorts zählt - auch wenn das selten jemand so offen sagt wie Paul Barber, und stattdessen andere Argumente angeführt werden.

Dabei ist diese Position sogar nachvollziehbar. Die sportlichen und noch mehr die wirtschaftlichen Konsequenzen werden bei jeder Entscheidung gewaltig sein. Irgendwann muss sich jeder verantwortliche Vorstand von seinem Aufsichtsgremium fragen lassen, ob er wirklich alles dafür getan hat, dass sein Verein bestmöglich aus der Corona-Krise kommt.

Aber diejenigen, die nun aus dem Tabellenkeller für ein Saisonende plädieren, haben auch gute inhaltliche Argumenten - und neben dem Verweis auf die Gesundheit und Gesellschaft auch einen wirtschaftlichen Punkt. Denn es ist keineswegs gesetzt, dass es mittelfristig wirtschaftlicher besser ist, die Saison unbedingt durchzupeitschen. Wenn der Fußball zurückkommt, wird er ein anderer sein, steril und mit gespenstischer Kulisse, gesundheitlich riskant und möglicherweise auch leistungsmäßig anders. Das wird sich aufs Image auswirken, und je nach Land und Liga können die allgemeinen langfristigen Schäden auch wirtschaftlich höher sein als nun das kurzfristige TV- und Sponsorengeld.

Aber gleichwohl gilt: Alle Teams aus dem Tabellenkeller, die auf ein Saisonende hoffen, um sich so den Klassenerhalt sichern zu können, sollten das Beispiel von Frankreichs erster Liga nicht übersehen. Denn dort wurde beim Saisonabbruch nicht etwa verfügt, dass die Liga aufgestockt wird oder die diesjährige Saison mit denselben Teilnehmern wiederholt wird. Sondern dass die bis dahin schlechtesten Teams absteigen müssen.

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