Russland:Image ist alles

Putin möchte ja nicht wie der wirken, der nachsitzt.

Von Silke Bigalke

In Russland dürfen seit Dienstag alle Firmen wieder den Betrieb aufnehmen, Präsident Wladimir Putin hat die arbeitsfreie Zeit für beendet erklärt. Es ist die erste landesweite Lockerung. Seit Dienstag zählt Russland aber auch mehr Infizierte als jedes europäische Land. Nur in den USA sind die Zahlen noch höher.

Lockerung bei Rekordzahlen - dieses Paradoxon zeigt vor allem eines: Dem Präsidenten ist sein Image als Problemlöser wichtiger als die Lösung des Problems. Die Abwägung zwischen Ansteckungsgefahr und Ökonomie ist überall schwierig. Viele russische Haushalte stürzt die Ausgangssperre in existenzielle Nöte. Putin beendet nun zwar den Zwangsurlaub, überlässt es aber den Regionen, Betriebe dort zu schließen, wo die Ansteckungsgefahr zu groß ist. Damit wälzt er unangenehme Entscheidungen auf sie ab und verwirrt die Bevölkerung.

In Europa kehren die Menschen langsam zu mehr Normalität zurück - und Putin möchte nicht wie der wirken, der nachsitzt. Während er größere Freiheiten verspricht, müssen Regionalchefs wie der Moskauer Bürgermeister die Menschen ermahnen, dass diese für sie nicht gelten. Viele haben ihr Vertrauen längst verloren. Wenn der Präsident nur so tut, als hätte er einen Plan, tun die Leute auch nur so, als würden sie ihm folgen.

© SZ vom 13.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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