SZ-Serie: Pixelhelden:"Afterthought" - Kunst im nächsten Level

Lesezeit: 3 min

Die kreativsten Köpfe und erfolgreichsten Macher in Bayerns Welt der Computerspiele. Heute: Der junge Designer Andy Tran hat zusammen mit dem Programmierer Leo Traub "Afterthought" entwickelt

Von Jürgen Moises

Routine. Das ist etwas, das es in Krisenzeiten braucht. Das heißt: Etwas, das uns Halt oder Struktur gibt, und das Gefühl, nicht die Kontrolle zu verlieren. Routine, sie spielt auch allgemein im Leben, in der Natur eine zentrale Rolle. Geburt und Tod, Tag und Nacht, die Jahreszeiten, das alles kommt regelmäßig wieder. Weswegen man vom Leben als ewigem Kreislauf spricht. Bei Video- und Computerspielen ist das ähnlich. Auch dort gibt es Dinge, die sich ständig wiederholen oder die man wiederholen muss. Beim "Speedrun", bei dem es ein Spiel in einer Rekordzeit durchzuspielen gilt, wird das Ganze noch gesteigert. Denn um das zu schaffen, muss man üben, üben, üben, das heißt: das Spiel immer und immer wieder durchspielen.

Wie man das alles kreativ oder künstlerisch zusammenbringt, das hat sich der junge Designer Andy Tran aus Brunnthal bei München gefragt. Denn warum wir uns im Leben ständig wiederholen, das hat auch ihn jahrelang beschäftigt, wie er beim Skype-Gespräch über "Afterthought" erzählt. "Afterthought", das ist ein Computerspiel, das der 23-Jährige zusammen mit dem Programmierer Leo Traub entwickelt. Seit etwa sechs Jahren arbeiten die ehemaligen Schulfreunde als Studio Moondowner daran. Erst war es nur ein Hobby, seit zwei oder drei Jahren ist es "eine handfeste Sache", an der neben Tran und Straub auch ein paar Freelancer beteiligt sind. Und wenn alles klappt, wird das Spiel im nächsten Jahr herauskommen.

"Afterthought", das ist aber nicht nur ein Spiel, sondern ein Herzensprojekt. Das hat vielleicht auch der Film-Fernseh-Fonds Bayern gemerkt, als er Studio Moondowner im Februar mit 70000 Euro für die Produktion gefördert hat. Genauso dürfte die Jury aber auch die auf der Website studiomoondowner.com downloadbare Beta-Version überzeugt haben. Darin kann man vier der 64 geplanten Levels schon mal kennenlernen, das Design, die weibliche Hauptfigur, das Spielprinzip. Und man kann sehen: "Afterthought" ist zweifellos etwas Besonderes. Es hat ein eigenes Flair, eine herausragende Grafik. Und: Es kostet einige Übung, bis man die für das Spiel nötigen Skills, heißt Fähigkeiten drauf hat.

Für die sehr atmosphärische, aus Zeichnungen und Fotos entwickelte Collage-Optik nennt Tran Spiele wie "Hotline Miami" oder "No More Heroes", Filmemacher wie Wong Kar-Wai oder Alejandro Jodorowsky und Künstler wie Arnold Böcklin als Einfluss. Und er ergänzt, dass er den "Punk-Spirit" sehr schätzt. Damit meine er aber nicht: "Ich breche alle Regeln". Sondern dass man das nur in einem bestimmten, richtigen Moment macht - und damit die Leute überrascht. Da sei bei Videospielen jedenfalls noch einiges möglich, meint der Designer, der an einer privaten Kunsthochschule studiert und danach bereits erste Jobs gemacht hat, sich aktuell aber komplett wieder auf "Afterthought" konzentrieren will. Er verspricht: "Ein paar der Designs werden wirklich wild."

Dass die Kombination aus künstlerischen und "Speedrun"-Elementen einige irritieren könnte, ist Tran und Leo Traub bewusst. Gleichzeitig sind sie mit Blick auf Beispiele wie "Journey" überzeugt, dass sich künstlerische Spiele auch verkaufen. "Afterthought" wollen sie jedenfalls, komme was wolle, fertigstellen. Die FFF-Förderung sei dabei eine große Hilfe. Eine weitere ist die, dass sie mithilfe eines Algorithmus' ein Verfahren entwickelt haben, um Levels relativ schnell zu erstellen. Die Hauptintention sei im Moment jedenfalls, "das Gameplay so gut wie möglich zu machen". Die Story über eine Frau, die wie in einer Zeitschleife immer wieder auf derselben Bank aufwacht und dann verschiedene Welten durchläuft, soll erst danach Schritt für Schritt einfließen.

Und dann? Wäre der Traum, "zehn Millionen Einheiten des Spiels zu verkaufen", sagt Andy Tran und lacht. Und ein weiterer: sich eine Games-Existenz in München aufzubauen. Ideen für zukünftige Projekte hätten sie jedenfalls genug. So viele, meint der Designer, dass er Angst hat, er könne sie "in einer Lebenszeit nicht alle umsetzen". Ein zweites, drittes, viertes oder fünftes Leben wäre dafür ja vielleicht die Lösung. Aber so etwas gibt es dann doch nur im Computerspiel.

"Afterthought" ist aktuell in einer Beta-Testversion über die Website studiomoondowner.com erhältlich.

© SZ vom 13.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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