Coronavirus:Nach Tod von Flüchtling durch Covid-19: Strafanzeige gegen Regierung

Die Anwältin des Flüchtlings wirft den Behörden Versäumnisse vor. Es geht um die Frage, ob dem Mann rechtzeitig geholfen wurde und ob die Hygienemaßnahmen ausreichend waren.

Von Thomas Anlauf

Der Tod eines 35-jährigen Mannes aus Afghanistan, der in München an den Folgen einer Corona-Erkrankung gestorben ist, könnte juristische Folgen haben. Die ehemalige Anwältin des Geflüchteten hat Strafanzeige wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und unterlassene Hilfeleistung gestellt. Beschuldigt werden demnach die Regierung von Oberbayern als Trägerin der staatlichen Gemeinschaftsunterkunft an der Aschauer Straße, in der der Mann gelebt hatte, das zuständige Gesundheitsamt, das Referat für Gesundheit und Umwelt in München sowie Rettungsdienste und ein nicht näher bezeichneter Arzt. Es geht um die Frage, ob dem Mann beim Ausbruch der Krankheit rechtzeitig geholfen wurde und ob die Hygienemaßnahmen in der Unterkunft ausgereicht haben, um die Menschen ausreichend vor einer Ansteckung zu schützen.

Der Tod des Mannes Ende April hatte bei Betreuern, dem Flüchtlingsrat und auch beim Ärztlichen Kreis- und Bezirksverband ÄKBV Fragen aufgeworfen. So bestehe aufgrund der "dramatischen Entwicklung" in den Flüchtlingsunterkünften und sogenannten Anker-Einrichtungen "nach unserer Ansicht akuter Handlungsbedarf, um weitere Todesfälle und schwere Erkrankungen durch Sars-CoV-2 zu verhindern", schrieben die ÄKBV-Vorsitzenden Christoph Emminger und Josef Pilz am 7. Mai in einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU), Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SDP) und Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs. Darin fordern die Mediziner medizinische, infektiologische und epidemiologische Kriterien, nach denen die Menschen in Flüchtlingsunterkünften behandelt werden müssten. Anderenfalls sei eine Unterbringung "unter den Bedingungen einer Gemeinschaftsunterkunft auch rechtlich nicht mehr möglich".

Der 35-Jährige hatte Anfang April telefonisch bei einer ehrenamtlichen Helferin und einer Asylsozialbetreuung über Krankheitssymptome geklagt, die auf eine Infektion mit dem Coronavirus hindeuteten. Dennoch dauerte es nach Angaben von Zeugen mehrere Tage, bis der Mann in der staatlichen Unterkunft, die von der Regierung von Oberbayern betreut wird und für deren Sozialbetreuung die Caritas in München zuständig ist, tatsächlich untersucht und auf Sars-CoV-2 getestet wurde. Zu diesem Zeitpunkt stand er zwar telefonisch, allerdings nicht persönlich in Kontakt mit Mitarbeitern der Caritas, da das Innenministerium Ende März verfügt hatte, dass staatliche Unterkünfte nicht mehr von Betreuern besucht werden sollten. Während sich die Caritas an die Auflage hielt und in einigen Unterkünften lediglich in Not- und Einzelfällen vor Ort kam, stellten andere Wohlfahrtsverbände Anträge auf Ausnahmegenehmigungen, die sie auch bekamen. Seit dieser Woche nimmt auch die Caritas wieder "sukzessive" die Vor-Ort-Betreuung in den staatlichen Unterkünften auf, wie Diözesan-Caritasdirektor Georg Falterbaum sagt.

Aus dem Rechtsstreit, ob es in dem Fall des gestorbenen Mannes "einen Schuldigen gibt, halten wir uns raus", sagte Falterbaum am Freitag. "Aber wir finden es gut, dass das nun aufgeklärt wird." Der Caritas-Vorsitzende fordert ein klares Hygienekonzept für die staatlichen Flüchtlingseinrichtungen, um Bewohner und Betreuer gleichermaßen zu schützen. Aus diesem Grund stehe er "im engen und konstruktiven Kontakt" mit Regierungspräsidentin Maria Els. Falterbaum will schnellstmöglich mit der Regierungspräsidentin über das Thema sprechen.

Das Referat für Gesundheit und Umwelt ist in München dafür verantwortlich, auch in Flüchtlingsunterkünften zu versuchen, die Infektionsketten zu unterbrechen. Es empfiehlt für Infizierte eine Isolation sowie für Kontaktpersonen eine 14-tägige Quarantäne. Der gestorbene Afghane hat nach Angaben von Zeugen trotz Erkrankung in einem Zimmer mit einem anderen Mann mit Symptomen der Erkrankung gelebt.

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