"So viel Normalität wie möglich":Viel Betreuung, wenig Berührung

"So viel Normalität wie möglich": Bilder aus unbeschwerten Zeiten: Im Integrativen Hort Wolfratshausen haben die Kinder auch vor der Pandemie bei den Hausaufgaben Abstand gehalten. Zum Spielen konnten sie sich dann aber im ganzen Haus frei bewegen und begegnen. Derzeit geht das nicht.

Bilder aus unbeschwerten Zeiten: Im Integrativen Hort Wolfratshausen haben die Kinder auch vor der Pandemie bei den Hausaufgaben Abstand gehalten. Zum Spielen konnten sie sich dann aber im ganzen Haus frei bewegen und begegnen. Derzeit geht das nicht.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Kinderhorte werden dank Erweiterung der Notbetreuung und Aufnahme des Schulbetriebs wieder voller. Die Kinder verbringen ihre Nachmittag in Kleingruppen mit eigenen Räumen. Bald aber könnte es eng werden.

Von Konstantin Kaip

Mit den Lockerungen der Corona-Beschränkungen kehrt auch in den Kinderhorten langsam wieder so etwas wie Alltag ein. Erst wurde der Personenkreis derer, die eine Notbetreuung in Anspruch nehmen konnten, erweitert: Mussten am Anfang noch beide Eltern in systemrelevanten Berufen tätig sein, reicht es mittlerweile, wenn nur ein Elternteil im Job unabkömmlich ist. Auch die Kinder von Alleinerziehenden dürfen wieder in den Hort - und alle, die nun wieder in die Schule müssen. Seit 11. Mai sind das die Viertklässler, am Montag kommen nun die Erstklässler dazu. In den Einrichtungen steigt die Anzahl der betreuten Schüler, wenn auch gemächlich. Denn nicht alle Eltern machen von den Möglichkeiten Gebrauch, wie man in Wolfratshausen sieht.

Wenn man im Integrativen Kinderhort in der ehemaligen Landwirtschaftsschule anruft, hört man ausgelassene Kinderstimmen im Hintergrund. "Wir sind bemüht, den Kindern soviel Normalität wie möglich zu geben", sagt die Leiterin der Einrichtung, Maria Harrer. Vom ganz normalen Hortalltag aus den Zeiten vor der Pandemie ist man allerdings noch weit entfernt. Die Wolfratshauser Horte in der Innenstadt und in Waldram arbeiten normalerweise nach offenem Konzept. Das heißt: Es gibt keine Gruppen, die Kinder können sich frei im Haus bewegen. Zu Corona-Zeiten aber geht das nicht. Sie müssen ihre Nachmittage in kleinen Gruppen mit fest zugeteilten Erzieherinnen in je einem Raum verbringen, den sie nicht verlassen dürfen. Nur so können Kontakte vermieden werden. Denn anders als in der Schule, wo die Kinder den gesamten Unterricht lang an Einzeltischen sitzen, kommen sie sich im Hort beim Spielen zwangsläufig näher. Zwar sind sie angehalten, regelmäßig ihre Hände zu waschen, Erzieher lüften immer wieder die Räume und desinfizieren die Oberflächen. Innerhalb der Gruppen den Mindestabstand von 1,50 Metern einhalten zu wollen, wäre jedoch utopisch. Daher sollen sich zumindest die Gruppen nicht vermischen. Deshalb wird auch das Mittagessen, anders als eigentlich üblich, getrennt eingenommen.

Dafür aber braucht man einerseits genügend Räume und andererseits genügend Personal. Noch gehe das gut, erklären sowohl Harrer als auch die Leiterin des Waldramer Horts, Julia Brandmeier. In beiden Einrichtungen seien alle Mitarbeiter inzwischen wieder im Dienst, um sich um derzeit je circa 20 Kinder zu kümmern. Wenn am Montag die Erstklässler wieder in die Schule dürfen, kommen an beiden Standorten jeweils zehn weitere dazu.

Noch machen relativ wenig Eltern der Schüler, die nun wieder Unterricht haben, von ihrem Anspruch auf eine Hortbetreuung Gebrauch. "Viele Eltern haben sich bis Pfingsten durchorganisiert, oft gibt es ohnehin noch kleine Kinder zuhause", erklärt Fritz Meixner, Geschäftsführer des Kinder- und Jugendfördervereins (KJFV), der in Wolfratshausen die Horte betreibt.

Auch die Leiterinnen berichten von einem langsamen Anstieg der Kinderzahl. Im Waldramer Hort, den normalerweise täglich 80 Kinder besuchen, habe man erst am 20. April mit der Notbetreuung angefangen, sagt Brandmeier. "Vorher wären wir da gewesen, aber es gab keine Anmeldungen." Am ersten Tag seien drei, in der Woche darauf dann fünf Kinder gekommen, inzwischen seien 18 in der Notbetreuung. Sowohl bei den Viertklässlern als auch bei den Erstklässlern nehme jeweils nur die Hälfte der nicht systemrelevanten Eltern eine Betreuung in Anspruch. Ähnlich ist das auch im Integrativen Hort in der Innenstadt, den derzeit weniger als die Hälfte der sonst 71 Kinder besuchen. "Zwei Drittel der Eltern sind froh über ein Stück Normalität und nehmen das in Anspruch", sagt Harrer. "Und ein Drittel wartet erst einmal ab, um zu sehen, ob die Hygienestandards eingehalten werden."

Wenn am Montag die Erstklässler kommen, werden sich die Einrichtungen wie bei den Viertklässlern auch nach den Schulen richten, die jede Klasse in zwei kleine Lerngruppen eingeteilt haben. Kinder, die schon zusammen im Klassenzimmer sitzen, sollen auch nachmittags in dieselbe Kleingruppe im Hort. Weil der Präsenzunterricht in der Schule nur täglich drei Stunden beträgt und versetzt anfängt, hat man auch die Öffnungszeiten geändert: Die ersten Schüler kommen nun schon um 10.30 Uhr, die anderen um 12.15 Uhr. Die Abstimmung mit den Schulen laufe überall "hervorragend", sagt KJFV-Chef Meixner.

Die Erzieherinnen hätten gerade "viel emotionale Arbeit zu leisten", berichtet Harrer. So gebe es Ängste vor Ansteckung, die zum Teil auch von den Eltern auf die Kinder übertragen würden. Andererseits seien die hohen Hygienestandards, die in der Schule gelten, für manche "teilweise schwer nachvollziehbar". Die Kinder freuten sich, ihre Freunde zu sehen. Manchmal gebe es da auch Widerstände, was die Gruppeneinteilung betreffe. Bei "Fenstergesprächen" könnten sie aber auch den Kontakt zu anderen Gruppen pflegen.

In der täglichen Arbeit gehe es nun vor allem darum, "Normalität einzuüben", sagt Harrer. Für Alltagsabläufe, die sich nun langsam wieder ändern. "Manche Kinder durften zum Beispiel länger schlafen, damit ihre Eltern morgens in Ruhe im Home Office arbeiten konnten. Jetzt müssen sie wieder um sieben Uhr aufstehen."

Den geänderten Umständen gewinnt die Hortleiterin auch Positives ab. "Die letzten Wochen waren pädagogisch toll", sagt Harrer. In den kleinen Gruppen könne man sehr gut mit den Kindern arbeiten und gerade die sogenannten Integrationskinder mit erhöhtem Förderbedarf "ganz gezielt begleiten".

Mit der Rückkehr der Erstklässler können die Einrichtungen ihre räumlich getrennte Kleingruppenarbeit noch weiterführen. Wie es aber nach den Pfingstferien weitergeht, wissen die Leiterinnen nicht. Bleibt die Infektionsrate niedrig, sollen alle Klassenstufen wieder in die Schule gehen. In den Horten wird es dann räumlich und personell sehr eng. "Das könnte schwierig werden", sagt Brandmeier. Und Harrer meint: "Wenn alle wiederkommen, ist der Betrieb so nicht mehr möglich."

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