Aying:Wow-Effekt mit Pfirsichnote

Aying: Mareike Hasenbeck hat kein Lieblingsbier, sie mag die Vielfalt.

Mareike Hasenbeck hat kein Lieblingsbier, sie mag die Vielfalt.

(Foto: Claus Schunk)

Die Ayingerin Mareike Hasenbeck trank Wein und Cocktails, bis sie ein amerikanisches Craft Beer probierte. Heute ist sie Biersommelière.

Von Gudrun Passarge, Aying

Liebe auf den ersten Blick war es nicht. Mareike Hasenbeck erzählt, sie habe früher eher zu Wein und Cocktails als zu Bier gegriffen. "Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, was der Unterschied zwischen Hellem und Weißbier ist." Trotzdem ist sie heute Biersommelière und erfolgreiche Bierbloggerin. Dafür verantwortlich war ein einziger Moment. Die angehende Journalistin war zu einer Veranstaltung mit dem Titel "American Beef and American Beer" eingeladen. Sie freute sich auf das Fleisch, probierte das Bier und war überwältigt. "Es war wirklich so, als würde die Welt kurz stehen bleiben." Das war der Beginn ihrer beruflichen Neuausrichtung.

Hasenbeck ist ein Ayinger Gewächs, die 34-Jährige lebt hier seit ihrem ersten Lebensjahr. Doch die Biertradition des Ortes hat nichts mit ihrem Blog "Feiner Hopfen" zu tun. Hasenbeck wollte Journalistin werden. Nach ihrem Volontariat bekam sie eine Festanstellung beim Magazin Focus . Aber als dessen Umzug nach Berlin anstand, wollte sie nicht mit. Da hatte sie sich schon längst in die Biermaterie eingearbeitet. Seit ihrem ersten "Wow-Effekt" beim amerikanischen Fest, den ihr ein Bier mit Pfirsich-Aprikosennoten beschert hatte, "habe ich mich dem Bier verschrieben".

Sie kaufte sich Bücher und las. Bestellte sich Bierspezialitäten und testete. "Das hat mich wahnsinnig fasziniert." Und weil sie schon in der Journalistenschule den Tipp bekommen hatte zu bloggen, fing sie damit an, über ihre eigenen Erfahrungen mit den Bieren und ganz speziellen Geschmackserlebnissen zu schreiben. Sie hatte zuvor auch überlegt, einen Satire-Blog anzufangen. "Aber ich wusste nicht, ob ich wirklich jede Woche so lustig sein würde", sagt sie. Dann doch lieber das Bier. Als "Learning by doing" bezeichnet Hasenbeck diese Zeit. Sie arbeitete noch als Redakteurin, besuchte gleichzeitig Brauereien, nahm an einem Braukurs teil. 2015 sagte sie dem Focus ade und wagte den Neuanfang mit der Selbständigkeit. "Das war der beste Schritt, den ich in meiner beruflichen Laufbahn gemacht habe."

"Niemand wird als Sensoriker geboren."

Später ließ sie sich auch noch in Gräfelfing an der Doemens-Akademie als Biersommelière ausbilden. Sie wollte zwar nicht in der Gastronomie arbeiten, fand aber doch, dass man immer noch etwas hinzulernen könne. "Es war eine Bestätigung für mich, dass ich schon viel weiß und eine gute Sensorik habe." Dabei sagt sie, es werde niemand als Sensoriker geboren, dahinter stecke vielmehr Übung und ausdauerndes Training. Die Geschmacksknospen bildeten sich circa alle sechs Wochen neu, sagt Hasenbeck, wenn sie also sechs Wochen Pause mache, müsse sie wieder von vorne beginnen. Gelernt hat sie in diesem Kurs besonders viel über die richtige Kombination von Bier mit Speisen. Ein bananiges Weißbier mit Ziegenfrischkäse, ein fruchtig herbes India Pale Ale mit würzigem Cheddar. Und was passt zu einem Lammbraten, im Ofen gegart mit Rosmarin und Thymian? "Da würde ich ein belgisches Wit-Bier empfehlen, das ist auch mit Kräutern gebraut."

Hasenbeck, eine attraktive junge Frau mit blonden langen Haaren und einer Stimme, die dunkel klingt und sich so anhört, als sei sie ein zupackender Mensch, ist als Frau im Biergeschäft eher die Ausnahme. Obwohl sie sagt, dass sich das gerade ändert. Die neue Art, Bier zu brauen, das mal nach Maracuja oder auch nach Schokolade schmeckt und Kaffeenoten hat, dazu die neue Glaskultur, die nichts mehr mit schweren Humpen zu tun hat, das spreche Frauen viel mehr an. Trotzdem sieht sie sich manchmal männlicher Ignoranz gegenüber. "Es gibt Männer, die Klugscheißer sein wollen. Da muss man als Frau stark sein und demjenigen über den Mund fahren, um die eigene Kompetenz zu beweisen."

Aying: Sie sagt: "Das Leben ist zu kurz, um jeden Tag das gleiche Bier zu trinken."

Sie sagt: "Das Leben ist zu kurz, um jeden Tag das gleiche Bier zu trinken."

(Foto: Claus Schunk)

Auszeichnung als beste Bierjournalistin

Die Biersommelière hat sich ihren Platz längst erobert. Sie kann eine Auszeichnung als beste Bierjournalistin im deutschsprachigen Raum vorweisen und sie wird weltweit zu Wettbewerben eingeladen. Sie sitzt in der Jury und entscheidet zusammen mit anderen, welche Biere die besten des Landes sind. In Brasilien genauso wie in Finnland, Belgien oder Österreich. Manchmal werde sie gefragt, wie viel Bier sie denn trinke. Hasenbeck lacht. Bei solchen Veranstaltungen kann es leicht sein, dass es an die hundert Biere sind, die sie verkosten muss. Aber sie riecht sehr lange und trinkt nur winzige Schlucke. "Es ist Genusstrinken in homöopathischen Dosen." Mehr müsse nicht sein, denn der erste Eindruck sei meist der richtige.

Ein Lieblingsbier hat sie übrigens nicht, "ich finde gerade die Vielfalt so spannend", sagt sie. "Ich sage immer, das Leben ist zu kurz, um jeden Tag das gleiche Bier zu trinken." Und so finden sich auf ihrer Homepage viele spannende Geschichten über Menschen, die Bier brauen. Jetzt in Zeiten der Corona-Krise, sind es manchmal Texte, die nachdenklich stimmen, denn der Umsatzeinbruch macht gerade den kleinen Betrieben zu schaffen. "Aber der Optimismus ist auf jeden Fall noch da", sagt Hasenbeck. Sie spricht von einem "neuen Zusammenhalt", den sie in der Branche feststellt und von vielen kreativen Ideen, beispielsweise, dass eine Bar das Bier jetzt in München mit der Rikscha ausfahren lässt.

Im Playboy betreut sie die "Männerbar"

Auch die Hopfenbauern litten unter der Krise, so Hasenbeck, weil ihnen die Arbeitskräfte fehlten. Sie hätten schon die Brauer, die jetzt nichts zu tun hätten, aufgefordert, beim Einfädeln des Hopfens zu helfen. Denn ohne Hopfen, kein Bier. Das wäre auch für die Bloggerin ein herber Verlust. Sie berichtet, dass ihr schon einige Veranstaltungen weggebrochen seien. Übrigens schreibt sie nicht nur über Bier. Im Playboy beispielsweise betreut sie die "Männerbar", da geht es auch um härtere Drinks. Und die Krise machte auch sie erfinderisch. Sie veranstaltete Online-Verkostungen zusammen mit Biervana, einem Geschäft in München, das mehr als 600 Craft-Beer-Sorten führen. Drei Biere am Abend, manchmal auch noch Snacks wie Schokoladenriegel oder Käse dazu und eine Bierbloggerin, die sich als Alleinunterhalterin fühlt. "Das ist ganz was anderes als meine Verkostungen sonst. Die Leute sind auf stumm geschaltet, man sieht keine Reaktionen." Weil sie wissen wollte, ob denn das Bier schmeckt, hat sie darum gebeten, den Daumen hoch oder runter zu halten. "Betreutes Trinken" nennt Hasenbeck ihre Video-Verkostung. Sie läuft unter dem Titel "Kalsarikännit". Das ist finnisch und bedeutet so viel wie "sich in Unterhosen daheim betrinken". Hasenbeck grinst und sagt, das sei spaßig gemeint. "Denn ein Biersommelier, der seine Gäste betrunken entlässt, hat seinen Job nicht verstanden". Trotzdem passt der Titel gut. Die Finnen kamen offensichtlich auch schon vor Corona auf solche Ideen.

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