Hotels während Corona:Wie es weitergeht

Gabriele Förder-Hoff hat erst im vergangenen Jahr als Quereinsteigerin das Hotel Zum Eichwerder in der Uckermark übernommen. Alles lief gut - bis das Virus nach Deutschland kam. Bald darf das Hotel wieder öffnen. Und dann?

Von Steffen Uhlman

Alles abgesagt, alles storniert, alles jetzt neu zu denken. Und doch die Hoffnung: Alles wird gut. Gabriele Förder-Hoff ist tagelang nicht zur Ruhe gekommen, als ihr im Februar klar wurde, dass das Coronavirus nicht mehr nur ein Phänomen aus dem fernen China ist, dass es auch in Deutschland nicht nur die Atemwege angreifen, sondern vertraute Lebensweisen zerstören würde. Die einer ganzen Gesellschaft - und natürlich auch ihre eigene.

Gabriele Förder-Hoff, 60 Jahre alt, gebürtige Westfälin, hatte in der Uckermark gerade einen persönlichen Neuanfang gewagt. Seit Anfang 2019 betreibt sie in Templin das Hotel Zum Eichwerder, ein kleines Drei-Sterne-Haus mit 22 Zimmern und zwei Ferienwohnungen. Eine große berufliche Umstellung war das für die studierte Historikerin, die zuvor 30 Jahre lang in diversen Verwaltungen der Brandenburger Landesregierung gearbeitet hatte. Das ewige Ellenbogengerangel, dieses Trick- und Spielchengedöns bereiteten ihr Verdruss. "Nach 30 Jahren in einer Verwaltung hat es mir einfach gereicht", sagt sie nüchtern und ist trotz Corona-Krise immer noch froh, den Sprung in die Wirtschaft gewagt zu haben. Job gewechselt, die drei Kinder aus dem Haus: "Endlich", sagt sie, "kann ich für mich allein entscheiden."

Hotel Eichwerder
Portrait und Innen-, und Außenaufnahme Haus: Gabriele Förder-Hoff.
Pressebilder, kostenfrei mit Creditnennung

„Es hat einfach alles gepasst.“ Gabriele Förder-Hoff lässt sich mit ihrem Hotel in Templin auch von Corona nicht unterkriegen.

(Foto: Karel Kühne)

Eine gute Stunde von Berlin entfernt, in direkter Nachbarschaft zu Mecklenburg-Vorpommern und Polen beginnen die sanft geschwungenen Weiten der Uckermark. Der gleichnamige Landkreis gehört flächenmäßig zu den größten Deutschlands. Zugleich ist er mit gerade mal 120 000 Einwohnern eine der am dünnsten besiedelten Regionen des Landes. Die Berliner lieben ihre "Toskana des Nordens" mit den schier unberührten Naturlandschaften und den oft aufwendig restaurierten Kleinstädten. Industrie gibt es dort fast nicht mehr, das Einzige, was hier florierte, war bislang der Tourismus. Sogar Brandenburgs größtes Hotel steht in der Uckermark. Das Ahorn Seehotel in der Kleinstadt Templin hat mehr als 800 Betten.

Hotel Eichwerder
Portrait und Innen-, und Außenaufnahme Haus: Gabriele Förder-Hoff.
Pressebilder, kostenfrei mit Creditnennung

Das Garni-Hotel, Mitte der Neunzigerjahre zwischen Stadthafen und Markt errichtet, stand im Sommer 2018 zum Verkauf. Inzwischen ist es liebevoll saniert.

(Foto: Karel Kühne)

In Templin ist Gabriele Förder-Hoff auch auf das Eichwerder gestoßen. Das Garni-Hotel, Mitte der Neunzigerjahre zwischen Stadthafen und Markt errichtet, stand im Sommer 2018 zum Verkauf. "Da hat wirklich alles gepasst", sagt Gabriele Förder-Hoff: die Lage, die Substanz des Gebäudes und das touristische Umfeld. Im Ort gibt es eine Naturtherme. Am Rande Templins liegt die Westernstadt "El Dorado", der Fernradweg Berlin-Kopenhagen verläuft hier, dazu liegen noch mehr als 500 Seen quasi vor der Haustür. Auch der Preis für das Hotel sei "vernünftig" gewesen. Und doch habe sie immens viel Kraft gebraucht, den Banken den für den Kauf nötigen Kredit und dem Land Brandenburg Fördermittel für geplante Investitionen abzuringen. Am Ende aber hatte sie Erfolg. Im Herbst 2018 unterschrieb sie den Kaufvertrag, im Januar 2019 stand sie zum ersten Mal hinter der Rezeption ihres Hotels - im Kopf viele Pläne: Für Familien sollte das Hotel attraktiver werden, ebenso Aktivurlauber und Naturliebhaber ansprechen. Die Zimmer sollten individueller werden, nach ihrem Stil gestaltet. Zwölf Monate später war die Fassade neu, die Hälfte der Zimmer modernisiert, das Durchschnittsalter der Gäste deutlich gesenkt, die Auslastung gesteigert. "Mein Start lief viel besser, als ich gedacht hatte", freut sie sich. "Ich habe meinen Businessplan für das erste Jahr deutlich übertroffen."

Hotel Eichwerder
Portrait und Innen-, und Außenaufnahme Haus: Gabriele Förder-Hoff.
Pressebilder, kostenfrei mit Creditnennung

Die Zimmer hat die neue Besitzerin individuell und nach ihrem eigenen Geschmack gestaltet.

(Foto: Karel Kühne)

Auch 2020 fing gut an. Januar und Februar kamen mehr Gäste als im Vorjahr, weil sie nun auch Familienfeiern anbot. Nach dem 10. März aber war es damit vorbei. Quasi über Nacht brach ein Storno-Tsunami über das Hotel herein, in Förder-Hoffs Laptop wurde die Liste der Absagen von Tag zu Tag länger. Ende April waren die Umsatzverluste des kleinen Hotels bereits auf fast 65 000 Euro angewachsen, mit weiteren 30 000 Euro Verlust rechnet Förder-Hoff für die Folgemonate Mai und Juni. Touristen durfte sie seit Mitte März nicht mehr beherbergen. "Und Geschäftsleute verirren sich selten nach Templin. Was blieb, waren ein paar Monteure." Jetzt hat sie die Hoffnung, dass es aufwärts geht, wenn von 25. Mai an touristische Übernachtungen unter strengen Auflagen in Brandenburg wieder gestattet sind.

Die Krise

Die Tourismuswirtschaft Brandenburgs hat circa 80 000 Beschäftigte und setzte 2019 mehr als sechs Milliarden Euro um. Das Beherbergungsgewerbe hat dazu 560 Millionen Euro beigetragen. Die Übernachtungszahl lag 2019 bei 14 Millionen; in den vergangenen fünf Jahren stieg die Zahl im Schnitt um 400 000 pro Jahr. Im März sind die Tourismusumsätze in Brandenburg laut dem Deutschen Hotel und Gaststätten Verband Dehoga um knapp ein Drittel eingebrochen, im April um fast 100 Prozent.

Das Hotel Zum Eichwerder ist kein Einzelfall in Brandenburg. Natürlich hat sich die Hotelchefin wie die anderen Hotelbesitzer um Soforthilfen des Landes bemüht - und diese auch erhalten. "Das ging schnell und unbürokratisch. Doch die 15 000 Euro, die ich bekommen habe, werden das Hotel nicht retten." Also hat sie einen Notfallplan erarbeitet, die Renovierung der übrigen Zimmer und geplante weitere Investitionen auf Eis gelegt. Mit ihren zwölf Mitarbeitern hat sie sich auf einen Mix aus Kurzarbeit und Arbeit im Hotel verständigt, damit der Kontakt nicht abbricht.

Nun steht der Neustart an. Gabriele Förder-Hoff lässt gerade Mund-Nasen-Schutzmasken und Wäschebeutel mit dem Hotel-Logo nähen und noch mehr Desinfektionsspender installieren. Ein neues Reglement für das Frühstück muss her, das Buffet wird weitgehend abgeschafft, es wird künftig an den Tischen serviert, die nun in größerem Abstand zueinander aufgestellt werden. Es muss mehr gelüftet und geputzt werden, in den Zimmern und im ganzen Haus. Schon kurz nach Bekanntgabe des Öffnungstermins kamen die ersten Buchungen, online und am Telefon. Das gibt ihr Zuversicht.

Also alles wieder gut? Der Rahmen stimmt. Die Pandemie scheint fern zu sein, ihre Gefahren eher theoretisch, seit es in der Uckermark seit Wochen keine Neuerkrankungen mehr gegeben hat. Trotzdem wird nach Einschätzung des Branchenverbands auch das Hotelgewerbe Brandenburgs nur schwer auf die Beine kommen: Die Hygienebestimmungen reduzieren die Hotelauslastung drastisch und niemand weiß, wie sich der Corona-Urlaubssommer entwickelt. Die Dehoga rechnet mit einer Auslastung von höchstens 30 Prozent im zweiten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr. Bis 2022 erwartet man nur 80 Prozent der Buchungen aus der Vorkrisenzeit.

Als Gastgeberin im eigenen Haus wird Förder-Hoff, das weiß sie nur zu gut, überaus gefordert bleiben. Die Dauerverfügbarkeit in ihrem ersten Hoteljahr und nun das Leben im Stand-by, das stundenlange Arbeiten in einem Geisterhaus und die Wochen der Einschränkungen haben sie bisweilen verunsichert. Und doch sagt sie, es gehe ihr gut. Sie habe viel Natur um sich, zu ihrem Haus im Nachbardorf Herzfelde gehört ein großer Garten. Dort hat sie jetzt auch ein Kartoffelfeld angelegt und über dieser Arbeit schon mal die stressigen Hotelangelegenheiten vergessen. Sie hat es jetzt nicht in der Hand, ob die Gäste tatsächlich zurückkehren werden und ob das Virus auf Dauer wegbleibt. Also versucht sie, Abstand zu den Dingen zu finden. Manchmal, sagt sie, gelinge ihr das auch.

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