Hörspiel:Das Tier in uns ist der bessere Mensch

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Schauspieler als Sprechmarionetten: Schorsch Kameruns „M“. (Foto: Residenztheater)

Schorsch Kamerun und Cathy van Eck inszenieren "M".

Von Reinhard J. Brembeck

Flüstern ist Unsicherheit, und flüsternd begibt sich der Dichter-Regisseur Schorsch Kamerun in das Universum von Fritz Langs legendärem Kinderschänder- und Gesellschaftsangstfilm "M" von 1931, den er zusammen mit der Komponistin Cathy van Eck für die Münchener Biennale für Neues Musiktheater auf- und umarbeiten wollte, nicht dabei mit der Seuche rechnend, die sich nun in das Projekt als dritte Co-Autorin reingedrängt hat.

Dieses Dreindrängen hat das Projekt regelrecht zerrissen, thematisch wie in drei Teile. Der erste dieses Triptychons, "M (1) - Eine Stadt sucht einen Mörder (Wer hat Angst vor was eigentlich)" kommt jetzt als Online-Hörspiel, als geflüsterte, gestreamte, gezoomte Vorhut gegen die Angst daher. Internet-Liebhaber (und wer wäre es nicht in den letzten zwei Monaten geworden?) können diesen Teaser zu den irgendwann vielleicht live und vor (man wagt es kaum zum hoffen) Publikum gespielten Teilen zwei & drei am kommenden Donnerstag um 21 Uhr auf Bayern 2 hörerleben, auf der Biennale-Website und natürlich in der BR-Mediathek.

Die Vorherrschaft von Ratlosigkeit und Hilflosigkeit ist eine große Stärke

Die Not schreit aus jeder der 50 Minuten dieses Hördramas. Die Not des Regisseurs, seine Schauspieler vom Münchnener Residenztheater nicht ins Bild setzen zu dürfen, sondern sie als Sprechmarionetten nutzen zu müssen, manchmal garniert durch die Esoterikklänge, die Computeraseptik, die Sphärenmusik, dem Wummern von Komponistin van Eck, gelegentlich unterbrochen von den handfesten Songs Kameruns. Dann heißt es "jeder mensch hat ein tier in sich nur sind tiere die besseren menschen" oder "nichts wie ab ins warme in die starken arme". Die Seuche ist banal, Kameruns Sprache tut es ihr nach, ratlos, kleinlaut, verängstigt. Das Mörderhackebeilchen jedenfalls packt Kamerun nicht aus, viel Neues, gar Originelles vermeldet er nicht, der obligatorische Flüchtling fügt sich unaufgeregt ins Wohlstandspanorama, das nur ganz leise Kritik an den Maßnahmen, den Umständen, dem Kleinmut formuliert.

Aber das Fehlen von Pathos und Lösungen, die Vorherrschaft von Ratlosigkeit, Hilflosigkeit, Aussichtslosigkeit sind die Stärke dieses Unternehmens, das ehrlich auf alle Visionen und Ambitionen verzichtet und so Lust auf die beiden Fortsetzungen macht.

© SZ vom 20.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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