Bericht der Stadtverwaltung:In München hat die Verkehrswende noch gar nicht angefangen

Verkehrschaos in München Pasing, 2019

Verkehrschaos auf der Planegger Straße in Pasing (Archivbild).

(Foto: Florian Peljak)

Zumindest wenn man die zugelassenen Autos als Indikator nimmt. Diese Zahl wächst - und sie wächst stärker als die Bevölkerung.

Von Sebastian Krass

Weg vom privaten Auto, hin zu umweltfreundlichen Verkehrsmitteln: Die "Verkehrswende" ist eines der größten Schlagwörter in der Kommunalpolitik. Nur, wie weit ist München schon mit der Wende? Wenn man auf einen Indikator, nämlich die Zahl der in München zugelassenen Autos, schaut, dann hat die Wende noch gar nicht angefangen.

Denn die Zahl der zugelassenen privaten Pkw wächst, und sie wächst schneller als die Bevölkerung. Das geht aus einem Bericht der Stadtverwaltung zur "Entwicklung des Kfz-Bestandes in München" im Zeitraum 2015 bis 2018 hervor, über den am Mittwoch der Planungsausschuss des Stadtrats diskutiert hat. Demnach ist die Zahl privater Autos um vier Prozent auf 608 000 gestiegen. Die Bevölkerung wuchs im gleichen Zeitraum um 1,3 Prozent auf 1,54 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner - wobei in dieser Zahl auch ein zwischenzeitlicher Rückgang durch eine Bereinigung des Melderegisters steckt. Die Auswertung zeige "noch keine durchgreifende Trendwende zugunsten der Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel", heißt es im Fazit des Berichts.

Die Zahl der Autos pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner, die sogenannte "Kraftfahrzeugdichte", liegt in München bei 392, wenn man nur die privaten Autos berücksichtigt, das ist ein Zuwachs von 2,1 Prozent im Vergleich mit 2015. Noch stärker gewachsen ist der Bestand an gewerblichen Autos. Nimmt man sie hinzu, hat München 540 Fahrzeuge pro 1000 Einwohner, ein Plus von 3,4 Prozent im betrachteten Zeitraum. Auffallend ist, dass auch jüngere Altersgruppen, von denen es oft heißt, sie legten weniger Wert auf ein eigenes Auto, keine Ausnahme bilden. Der Bestand an privaten Autos nehme "über fast alle Altersklassen" zu, heißt es. Einzige Ausnahme seien die 45 bis 49-Jährigen, die allerdings auch einen sinkenden Anteil der Wohnbevölkerung stellen.

Bei den Angaben zur Antriebsart zeigt sich, dass alternative Antriebe zwar zunehmen, aber immer noch auf sehr niedrigem Niveau: 97,7 Prozent aller Autos in München hatten Ende 2018 einen Verbrennungsmotor (2015: 98,7 Prozent), der Anteil der Dieselmotoren ist um 3,2 Prozent zurückgegangen - vermutlich eine Folge der Dieselskandale. Im Gegenzug hat sich die Zahl der Elektroautos von 1515 im Jahr 2015 um das 2,4-fache auf 3610 im Jahr 2018 erhöht - was einem Gesamtanteil von 0,4 Prozent entspricht. Die Zahl der Hybridautos (1,3 Prozent) und Erdgasautos (0,5 Prozent) ist noch höher.

Das Motto der FDP: "Teilt euch die Straße"

Und was bedeuten die Zahlen für die Kommunalpolitik? "Offensichtlich hat es in weiten Teilen der Bevölkerung nach wie vor eine hohe Attraktivität, ein Auto zu haben und zu nutzen", analysierte Alexander Reissl für die CSU-Fraktion, die stets kritisiert, Grüne und SPD betrieben eine ideologisch getriebene Anti-Auto-Politik. Jörg Hoffmann von der FDP ging sogar noch weiter als Reissl. Er rechnete vor: "Wenn man die Nicht-Volljährigen, die Über-90-Jährigen und die Menschen, die ein Auto im Familienverbund haben, rausrechnet, kommt man darauf, dass nahezu jede Münchnerin und jeder Münchner Zugriff auf ein privates Auto hat - und dass es nur ganz wenige gibt, die keines wollen." Deshalb sei das Motto der FDP: "Teilt euch die Straße."

Das konnten die Stadträte von Grünen und SPD natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Paul Bickelbacher (Grüne) räumt zwar ein, die Statistik zeige, "dass noch viel zu tun ist bei den Alternativen zum Auto". Aber er sieht darin auch einen Beleg für die "Belastung der Allgemeinheit durch die Autos, wenn sie etwa im öffentlichen Raum herumstehen". Ein Vorbild für die Zukunft könne Zürich sein, das wie München eine sehr wohlhabende Stadt sei, aber nur etwa 300 Autos pro 1000 Einwohner habe - weil die Alternativen besser ausgebaut seien. Und Bickelbacher zitierte noch aktuellere Daten, die die Datenbank Statista kürzlich veröffentlicht habe: Demnach ist die Zahl der Pkw in München im Jahr 2019 erstmals gesunken. Diese Zahlen haben aber noch keinen Eingang in den Bericht der Stadt gefunden.

München-Liste wünscht sich Statistik zu Zahl der Parkplätze

SPD-Fraktionschef Christian Müller betonte: "Der Bestand der Autos sagt noch nichts darüber aus, wie die Menschen ihr Auto nutzen." Sein Parteikollege Andreas Schuster machte darauf aufmerksam, entscheidend sei die Angabe, mit welchem Verkehrsmittel Menschen ihre Mobilitätsbedürfnisse befriedigen, den so genannten "modal split". Und da zeige sich ein Rückgang der Autonutzung. Es gehe auch nicht darum, Menschen ihr Auto wegzunehmen, die Politik müsse zum Ziel haben, dass "niemand auf ein Auto angewiesen ist".

Dirk Höpner von der München-Liste wünschte sich eine weitere Statistik, und zwar die Zahl der Parkplätze in München, private und öffentliche. Das könne eine gute Grundlage für künftige Debatten um die Verteilung des öffentlichen Raums sein. Stadtbaurätin Elisabeth Merk sagte, das gebe es schon in großen Teilen. Aber ihr Planungsreferat werde sich der Sache annehmen.

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