Diskussion:Sparkünstler

Anton Biebl im Kreuzverhör bei "Lockdown Learning"

Von Michael Zirnstein

Bevor diskutiert wurde, was man aus der Corona-Krise womöglich für die Kultur mitnehmen könne, ging es erst einmal darum, welchen Schaden das Virus angerichtet hat. So verwies der Moderator Peter Arun Pfaff zu Beginn der Talkshow-Stream-Reihe "Lockdown Learning" live aus der Glockenbachwerkstatt auf einen "Shitstorm", der sich im Internet erhoben habe, nachdem endlich die Antragsformulare für die neue Künstler-Hilfe des Freistaats online gestellt worden waren. Schon wieder würden viele im Regen stehen gelassen, nämlich etwa jene, die Grundsicherung beantragt hatten.

Den Hauptgast des Abends, Münchens Kulturreferent Anton Biebl, beschäftigten auch Geldsorgen, wie er zuvor schon dem Kulturausschuss berichtet hatte: Zur Haushaltssicherung müsse er im Kulturetat von 240 Millionen Euro etwa fünf Prozent einsparen. Zudem sorge er sich um die zugebilligten 8,5 Millionen Euro Corona-Zusatzbudget sowie um einige bereits bewilligte neue Stellen. Er werde "nicht mit dem Rasenmäher" kürzen, versprach Biebl. Er, der sich im Spaß "Verwaltungskünstler" nannte, entwickle gerade Konzepte, mit denen er bald "in die politische Diskussion" gehe, "vor der Sommerpause" wisse er, wie viel an der Kultur gespart werden müsse.

Die freie Szene hört es mit Sorge. Auf ihre Initiative hin gibt es das Format "Lockdown Learning". Ein Vorkämpfer dieser Subkultur ist der Tausendsassa Pfaff, ein anderer der Musiker (Belp) und Label-Besitzer (Schamoni Records) Sebastian Schnitzenbaumer, der zweite Studiogast. Eine etwas schiefe Konstellation für eine ausgewogene Runde, da die beiden in den Aktionen "Monokultur" (in der sie die Stadt wegen geschäftsschädigender Kulturpolitik zu verklagen drohten) und "Stereokultur" (mit der sie die Verwaltung in den Pop-Diskurs drängten) als schärfste Kritiker von Biebls Vorgänger auftraten. Im recht sanften Kreuzverhör, unterstützt von zugeschalteten Rednern wie "Rodeo"-Festivalleiterin Simone Egger, frischten sie die Szenepläne für mehr Raum, Mitsprache, Selbstbestimmung und einen "New Cultural Deal" (SPD-Jungkraft Christian Steinau) auf. Doch vieles steht eh im neuen rot-grünen Koalitionsvertrag, vielem kam Biebl mit seinem Sieben-Punkte-Antrittsplan zuvor oder nach ("Diversität leben", "Kulturbegriff weiten", "Teilhabegerechtigkeit stärken" ...). Dabei kam in zwei Stunden leider Biebls Kritik an Markus Söders Lockerungs-Orakelei ebenso zu kurz wie die Kernfrage des Treffens: Wie Münchens Kultur von Corona profitieren könne - etwa von durch Insolvenzen entstehenden Leerständen oder neuen Formaten wie diesem.

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