Staatshilfen:Der Staat steigt bei der Lufthansa ein

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Der Staat steigt als voraussichtlich als größter Einzelaktionär bei der Lufthansa ein. (Foto: David Ramos/Getty Images)

Die Bundesregierung rettet die Fluggesellschaft mit einem Milliarden-Paket. Die Gespräche stehen kurz vor dem Abschluss - und die EU will das Fliegen wieder möglich machen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Der Staat kehrt mehr als 20 Jahre nach der vollständigen Privatisierung der Lufthansa voraussichtlich als größter Einzelaktionär bei der finanziell angeschlagenen Fluggesellschaft zurück. Über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) wird die Bundesregierung im Rahmen einer Kapitalerhöhung 20 Prozent der Anteile übernehmen und zwei Mitglieder für den Aufsichtsrat des Konzerns benennen. Das Rettungspaket, das weitere Komponenten enthält, hat ein Volumen von rund neun Milliarden Euro. Detailfragen müssen noch ausverhandelt werden. WSF, Vorstand und Aufsichtsrat der Airline, eine außerordentliche Hauptversammlung sowie die Europäische Kommission müssen noch zustimmen.

Die nun nahezu feststehende Entscheidung ebnet den Weg für das Überleben der Lufthansa, die wegen der Corona-Krise in dramatische finanzielle Nöte geraten ist. Für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen hatte Lufthansa ein sogenanntes Schutzschirmverfahren vorbereitet, eine Variante des deutschen Insolvenzrechtes. Lufthansa hatte Ende April noch gut vier Milliarden Euro flüssige Mittel, die allerdings monatlich um rund 800 Millionen Euro abschmelzen. Sie sieht sich zudem rund 1,8 Milliarden Euro an Forderungen von Kunden gegenüber, deren Flüge storniert und Tickets noch nicht rückerstattet worden sind.

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Fast zeitgleich mit der WSF-Einigung haben die European Aviation Safety Agency (EASA) und das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) Hygienerichtlinien vorgestellt, die es den europäischen Fluggesellschaften ermöglichen sollen, den Flugverkehr flächendeckend wiederaufzunehmen - unter anderem empfehlen die Behörden den EU-Mitgliedsstaaten, eine Maskenpflicht zu erlassen. Wenn möglich sollen Sitze an Bord frei gelassen werden, eine Quarantäne ist weder für Besatzung noch Passagiere vorgesehen. Lufthansa will von Mitte Juni an wieder eine erheblich größere Zahl von Flügen anbieten, nämlich rund 14 Prozent des ursprünglichen Flugplanes. Dafür sind die Richtlinien eine Grundvoraussetzung.

Das Rettungspaket der Bundesregierung beinhaltet neben der Kapitalerhöhung auch eine Darlehen der KfW in Höhe von drei Milliarden Euro und eine stille Beteiligung von fünf Milliarden Euro. Mit der Beteiligung von 20 Prozent, die er zum Nennwert von 2,56 Euro pro Aktie erwirbt, bleibt der Staat zunächst unter der sogenannten Sperrminorität, für die er mehr als 25 Prozent der Aktien besitzen müsste. Allerdings zeichnet er auch noch eine Wandelschuldverschreibung im Wert von fünf Prozent plus einer Aktie. Diese würde der WSF in Anteile umtauschen, falls ein Investor ein öffentliches Übernahmeangebot für die Lufthansa machen würde. Damit soll verhindert werden, dass etwa Hedgefonds günstig einsteigen und Zugriff auf die Milliardenhilfen bekommen.

Zwei Sitze im Aufsichtsrat

Die Art und Weise, wie der Staat der Lufthansa helfen soll, war in der Bundesregierung umstritten. Während die SPD weitreichende Mitspracherechte einforderte, drängte die CSU darauf, dem Unternehmen weitestgehend freie Hand zu lassen. Herausgekommen ist ein Kompromiss, mit dem offenbar alle Seiten gut leben können. Mit der Beteiligung von zunächst nur 20 Prozent bleibt der Staat zunächst unterhalb des ursprünglich erwogenen Anteils von mehr als 25 Prozent. Laut Pflichtmitteilung an die Börse beabsichtigt der WSF zudem, "die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte insgesamt nur in Ausnahmefällen wie dem Schutz vor einer Übernahme auszuüben". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betonte, Ziel sei es, "dass sich der Bund auch möglichst schnell wieder aus dem Unternehmen zurückziehen kann, wenn die Krise überwunden ist". Dies sei "ein wichtiges Signal an die Luftfahrtbranche und die gesamte Wirtschaft." Zwei Sitze im Aufsichtsrat sollen "in Abstimmung mit der Bundesregierung" besetzt werden. Lufthansa hatte darauf gedrängt, dass Repräsentanten der Wirtschaft im Auftrag der Regierung in das Gremium einziehen, so wie das auch bei Airbus gehandhabt wird. Dadurch solle direkter politischer Einfluss verhindert werden. Mit dieser Forderung hat sie sich nun offenbar durchgesetzt. Lufthansa darf bis auf Weiteres keine Dividenden mehr zahlen. Die Gehälter des Managements werden gedeckelt.

Die nun unmittelbar bevorstehende Einigung mit der Bundesregierung dürfte dem Konzern die Tür öffnen für weitere Hilfen in Österreich, der Schweiz und Belgien, also den Ländern, in denen sie mit Austrian, Swiss, Edelweiss und Brussels Airlines weitere Fluggesellschaften besitzt. Austrian etwa hatte in Wien Hilfen von 767 Millionen Euro beantragt, eine in Wien politisch heftig umstrittene Forderung. Die Schweiz hat der Swiss bereits Unterstützung in Höhe von 1,5 Milliarden Franken bewilligt, das Geld ist aber offenbar noch nicht geflossen. In Belgien gibt es große Dissonanzen zwischen Lufthansa und dem Staat, weil der Konzern Brussels Airlines deutlich verkleinern will. Um die Rettungsaktion durchführen zu können, muss Lufthansa noch eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen. Dafür gilt eine Frist von vier Wochen. Die Hauptversammlung muss den Beschlussvorschlag mit einer Zweidrittelmehrheit absegnen. Die EU-Kommission wird den Fall ebenfalls wettbewerbsrechtlich prüfen, sie hatte zuletzt Hilfen für Air France-KLM in Höhe von zunächst sieben Milliarden Euro genehmigt.

© SZ vom 22.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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